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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 11
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Haupt, Albrecht: Von germanischer Baukunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0091

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11

Saalbau des Kaiser Wilhelmgartens in Treptow bei Berlin. Architekt: Karl Ed. Bangert in Berlin.
Zum Artikel: »Die Architektur auf der Grofsen Berliner Kunstausstellung 1904«.


Von germanischer Baukunst

Von Professor Dr. Albrecht Haupt in Hannover.

(Schluß.)

stehen wir vor dem Grabmal zu Ravenna, das Theo-
dorich der Große, unser Dieterich von Bern, sich
zu Lebzeiten errichtete und das seine Tochter Ama-

formten, und daß ihre eigentümliche Kunst nicht von Gnaden
der Überwundenen war.
Selbst die kirchlichen Bauwerke der Goten sind von Wich-

laswintha vollendete. Der stattliche Rundbau in
zwei Geschossen ist bedeckt mit einem unge-
heuren Steinklotz als Dach, wie ein Gewölbe
ausgearbeitet und ringsum mit einer Reihe nach-
geahmter Dachluken besäumt. Ein Eindruck von
ernstester Gewalt und Wucht! Und es ist genau,
wie wenn man in der sommerlichen Heide auf ein
altes Hünengrab stieße, so mächtig und so heimat-
lich spricht dies Denkmal zu uns, welches der ge-
waltigste deutsche Fürst, der aus fernem Nordosten
eingedrungen und ganz Italien bis gen Apulien
seinem Zepter beugend, sich zur letzten Ruhestatt
schuf.
An den Resten der starken Bautätigkeit des
Theodorich durch das ganze Land läßt es sich leicht
unterscheiden, wo er sich ausschließlich italischer
Werkleute bedient hat, wo er andrerseits eigene
Ideen in eigener Art verwirklichte.
Es ist längst festgestellt, daß die eigentümlichen Schmuck-
formen, die am Grabmal zu Ravenna auftreten, ganz ebenso
an dem neuerdings dort aufgefundenen wundervollen goldenen
Harnischrest erscheinen, den man als die letzte Hülle des
toten Königs betrachtet. Aber auch diesen Rest verdächtigt
unsre Gelehrtenwelt als nicht beweiskräftig.
Und doch finden wir genau dieselbe eigentümliche Technik
von aufgelöteten Goldstreifen mit Zellen dazwischen, die mit
Edelsteinen, meist Granaten, ausge-
füllt waren, auch an allen ähnlichen
Überresten aus der Zeit der West-
goten in Spanien, wie an andern
jener deutschen Urzeit. Die Kronen
der Könige Rekisvinth und Svinthila
zu Madrid und Paris, das Schwert
des Frankenkönigs Childerich könnten
derselben Hand angehören, wie die
Harnischreste zu Ravenna. Das dürfte
Beweis genug sein dafür, daß die
Germanen nicht nur ihre Wagen und
Waffen, sondern auch ihren künst-
lerischen Schmuck auf ihren Stammes-
wanderungen mit sich genommen
haben und in gleicher Art weiter-

tigkeit. Denn vermöge des Umstandes, daß die
germanischen Stämme ohne Ausnahme, die letzten
bis ins 7. Jahrhundert, nicht dem orthodoxen, son-
dern dem arianischen Bekenntnis angehörten, also
in gewissem Sinne bereits Protestanten waren,
stimmten auch ihre Kirchen mit dem orthodoxen
Bausystem nicht völlig überein, folgten vielmehr ihrer
arianischen Eigenart mehr oder minder deutlich.
Der Palast des Theodorich zu Ravenna, dessen
Reste man neuerdings durchaus als nicht mehr seiner
Zeit angehörig bezeichnet und nachzuweisen sucht,
zeigt dennoch eine Reihe ganz ausgeprägter ger-
manischer künstlerischer Eigentümlichkeiten in
großem Maßstabe baulich verwirklicht; sogar einige
in allererster Linie stehende. Eine durchaus an-
fechtbare Kritik will diese Reste durchaus späteren
Italienern zuweisen; aber völlig überzeugende Ein-
zelheiten geben uns die gegenteilige Gewißheit,
mächtigen
Tätigkeit
Ostgoten
folgenden Langobar¬
den genauer nachzu¬
gehen, führte hier zu
weit; es sei nur dar¬
auf hingewiesen, daß
sich eine Reihe be¬
deutsamer Werke
ihrer Baulust in Ita¬
lien vorfinden, Pa¬
läste, Kirchen, Befes¬
tigungen und Klein¬
kunstwerke, die einen
durchaus gleichmäßi¬
gen Charakter tragen;
man kann füglich ge¬
radezu von einem
langobardischen Bau¬
stile sprechen, und
zwar von einem sol¬
chen bereits bis zum
Untergang des lango-


Ostgotische Steinsäule aus
Ravenna.

Der
baulichen
der den



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