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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 11
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Die Architektur auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1904, [1]
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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11

Großer Skulpturensaal in der Großen Berliner Kunstausstellung 1904. Architekt: Georg Roensch in Berlin.


»Seligkeit muß es dünken, Eure Hände
auf Jahrtausende zu drücken, wie auf
Wachs; Seligkeit, auf dem Willen von
Jahrtausenden zu schreiben wie auf Erz,
härter als Erz, edler als Erz.«
An den Wänden haben die vor-
wiegend von Berliner Architekten einge-
gangenen Arbeiten gutbeleuchtete Plätze
gefunden. Zwischen den Säulen ist eine
größere Zahl kleinerer und kleinster Bild-
werke aus Bronze, Marmor und Ton auf-
gestellt.
Die kunstgewerblichen Arbeiten und
die in sich abgeschlossene Ausstellung
von architektonischen Entwürfen, die im
Ministerium der öffentlichen Arbeiten an-
gefertigt sind, füllen eine Reihe anstoßen-
der Räume.
Vergleicht man die Aufhängung und
Wirkung der ausgestellten Entwürfe und
Aufnahmen in dem Saale der Architektur-
abteilung mit der indem vorjährigen Koj en-
system, so dürfte der letzteren, besonders
insoweit es sich um voneinander unab-
hängige Arbeiten handelt, in mehr als einer
Hinsicht der Vorzug gegeben werden.
Zwar sind die Entwürfe an den langen
Wänden des einheitlichen Saales gleich-
mäßig gut beleuchtet, aber Wirkung und
Maßstab der einzelnen Arbeiten wird
nicht selten durch die Nebeneinander-
reihung ganz verschiedenartig ausgeführ-
ter Arbeiten mannigfaltigsten Inhalts be-
einträchtigt. Durch die anscheinend system-
lose Anordnung, bei der weder dem In-
halte noch der Ausführung nach Gleich-
artiges zusammengehalten ist und rein
malerische Aufnahmen mit modernen


Das alles überschreitet also in der Anordnung den herkömmlichen
Aufwand an Kunst keineswegs; ja die dekorative Leistung in den kunst-
gewerblichen Einzelräumen mag in ihrer Gesamtheit noch etwas hinter
den Darbietungen der letzten Jahre Zurückbleiben. Besonders aber vermag
man die mit so großer Spannung erwartete Umgestaltung des Parkes und
der Wirtschaftsgebäude in künstlerischer Beziehung kaum als erhebliche
Verbesserung zu bezeichnen. Zwar ist der alte Interimsbau des Haupt-
restaurants endlich durch einen stattlichen massiven Neubau an der Straße
Altmoabit ersetzt, aber an Stelle des durch die kleine Wasserfläche und
den Baumbestand anziehenden Parkes ist nur ein großer Restaurationsgarten
gewöhnlicher Art mit Blumenbeeten und Leuchtfontäne in der Mitte ge-
schaffen, der zwar für den Wirtschaftsbetrieb erheblich mehr Raum und
Einheitlichkeit gewähren mag, aber mit dem Gebäude in keinerlei innerer
Beziehung steht, wie man es doch bei der Anlage eines großartigen Re-
staurants mit Konzertpark für einen Landesausstellungspark in der Reichs-
hauptstadt wohl mit Recht erwarten dürfte. Und doch hätte sich eine
gefälligere und künstlerisch einheitlichere Wirkung ohne Beeinträchtigung
der Geschäftsinteressen und der Raumausnutzung für den Wirtschafts-
betrieb, ja ohne nennenswerte Steigerung der Kosten wohl schon durch
eine ansprechendere Durchbildung der in ihrer Einförmigkeit abstoßenden

Der Saal der Architekturabteilung in der Großen
Berliner Kunstausstellung 1904.

Architekt: H. Schweitzer, i. Fa. Altgelt &
Schweitzer in Berlin.

Entwürfen aller Art abwechseln, aber auch nicht die Arbeiten eines Ver-
fassers, ja nicht einmal die zusammengehörigen Blätter eines Entwurfes
(z. B. die beiden Ansichten eines Landhauses in Altenhof von Balcke)
nebeneinander hängen, wird zudem der Eindruck des bunten Allerlei noch
erhöht und dem Beschauer Überblick, Würdigung und Genuß des Gebotenen
vielfach erschwert.

Die Architektur auf der Großen Berliner Kunst-
ausstellung 1904.

die im Entstehen begriffenen durchgreifenden Um- und Neubauten
zur Verschönerung des alten Ausstellungsparkes am Lehrter
Bahnhofe hatten in vielen höhergespannte Erwartungen geweckt
und Hoffnungen auf außergewöhnliche Fortschritte genährt, auf Fort-
schritte, welche den so lange Jahre vernachlässigten Unterschlupf nun in
ein der Künste und der Reichshauptstadt würdiges Heim verwandeln
sollten. Danach ist es kein Wunder, daß bei der Eröffnung der diesjährigen
Ausstellung mancher von dem in dieser Hinsicht Erreichten ziemlich ent-
täuscht war.
Zwar ist man in der allmählichen künstlerischen Umgestaltung der
einzelnen Räume des großen Ausstellungsgebäudes diesmal wieder einen
Schritt weitergekommen durch die zweckmäßige und ansprechende Ver-
änderung des am Ende der Hauptachse gelegenen großen Skulpturensaales,
dessen einheitliche, vornehm ruhige Wirkung im Vergleich zu seiner Über-
füllung im Vorjahre besonders vorteilhaft auffällt. Die drei geschlossenen
Wandseiten sind durch je eine kräftige Bogennische gegliedert, von deren
tiefblauem bezw. violettem, mit goldenen Ringen überstreuten Grunde
größere Bildwerke (eine Gruppe vom kürzlich aufgestellten Denkmal des
Herzogs Wilhelm von Braunschweig von Ludwig Manzel, ein Fresenius-
Denkmal von Karl Reinert und ein Merkur mit Emblemen des Seehandels
von Stephan Walter) sich wirkungsvoll abheben. Die Bögen sind gelblich-
grau, die übrigen Wandflächen graugrün getönt. Über dem Bogen der
Stirnwand zeigt ein Fries den Triumphzug der Venus in von Löwen ge-
zogenem Wagen, modelliert von O. Petri. Über den Nischen
der Seitenwände sind Inschriften in entsprechender Umrah-
mung angebracht. Die Aufstellung der übrigen meist kleineren
Bildwerke ist übersichtlich, so daß der Raum als Ganzes
wirkt. Von den wenigen Denkmalsentwürfen hat Ernst Herters
Gipsmodell der Statue Kaiser Wilhelms I. für Thorn an einer
Seitenwand Platz gefunden.
Der große blaue Hauptsaal, den im vorigen Jahre
Architekt Alfred J. Balcke geschaffen, ist unverändert ge-
blieben, hat aber erst jetzt durch die Aufhängung weniger
entsprechend großer Bilder, wie sie bereits unser vorjähriger
Bericht forderte, und passende Aufstellung einiger Bildwerke
vor den Portalen der Längswand die volle Wirkung erlangt.
In der Mitte steht Ludwig Manzels Reiterbildnis des letzten
Herzogs von Braunschweig.
Die Architekturabteilung hat den Saal unmittelbar neben
der Kuppelhalle des Haupteinganges behalten. An die Stelle
der vorjährigen basilikalen Halle mit in Kojen eingeteilten
Seitenschiffen hat Architekt H. Schweitzer einen zweischiffigen
Raum mit doppelter Säulenstellung in der Längsachse ge-
setzt, dessen Wirkung unsre Abbildung zeigt.
Die Wände sind steingrau getönt, die rein dekorativ
erscheinenden, aus gespanntem Leinenstoff hergestellten Säulen
lederfarben mit schwarzem Ornament und unter dem Abakus
mit winzig kleinen vergoldeten Figürchen besetzt. Unter der
die Decke bildenden Oberlichtabblendung zieht sich ein Schrift-
streifen ringsherum, auf der einen Seite: »Tausend Pfade gibt
es, die nie noch gegangen sind. Unerschöpft und unentdeckt
ist immer noch Mensch und Menschenerde. Im Steine schläft
mir ein Bild, das Bild meiner Bilder.«, auf der andern Seite:

den Tatsachen vorausgeeilten Berichte der Tageszeitungen über

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