Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Haupt, Albrecht: Von germanischer Baukunst, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0094

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heß 11

biederen Handwerksmei-
ster hätten geradezu ale-
mannische oder skandi-
navische Zierformen aus
jener Vorzeit für ihre
Zwecke studiert und zum
Vorbild genommen.
Solche Rückfälle in
altgermanische Formen,
die stets wiederkehren,
sind in nicht geringer
Zahl festzustellen und
dabei jedesmal streng be-
schränkt auf die germa-
nische Welt. Die uralten
Portalhunde oder Löwen,
die auf ihrem Rücken eine
Säule tragen, finden sich
bei den ältesten Stein¬
bauwerken im hohen Norden (Lund), so manchen romanischen
Kirchen Deutschlands und vielen langobardischen Bauten
Italiens; also in ganz verschiedenen Jahrhunderten und lokal
nicht zusammenhängend.
Von dem Holzfachwerkbau gilt Ähnliches im größten
Umfange. Hier bietet sich eines der wichtigsten Felder der
Vergleichung und des Studiums.
Erfolgreiche Wegweisung für unsre zukünftige Baukunst
kann hieraus meines Erachtens aber nur auf demselben Wege
gewonnen werden, den ich bei meinem Vortrage
Formenwelt der deutschen Renaissance seit zwei
Jahrzehnten eingeschlagen habe. Ich habe darin
zunächst stets die Grundlagen dargelegt, auf
welchen sich der vom Süden neu importierte
»Stil« aufbaute; sodann aber, welche Verände-
rungen seine Formenwelt unter dem Einflüsse
des nördlichen Klimas, der technischen Vorbe-
dingungen und Materialien, der Lebensweise und
des Volkscharakters erlitt.
Aus diesen Erwägungen folgt der Schluß, daß
gewisse Eigentümlichkeiten jede neue Stilepoche,
jede Mode überdauert haben, weil sie von grund-
legender Bedeutung blieben. Und weiter, daß
auch in Zukunft, entwickele sich ein Stilgebäude
neuer Art wie es wolle, diese sicheren Grundpfeiler und
Grundsätze für die Werke unsres Volkes unerschüttert
bleiben werden und bleiben müssen, wenn unsre Nationalität
in einer gewissen Reinheit in den Grenzen unsres Vater-
landes fürderhin weiterleben will. Eine solche Grundlage
muß denn auch für ferne Zukunft uns den nationalen Charakter
der Baukunst verbürgen, von dessen Notwendigkeit sogar die
enragiertesten Modernen durchdrungen sind.
Der französische Graf Gobineau hat vor vierzig Jahren
dem Germanentum, sofern es sich rein erhalte, die glänzendste
Zukunft zugesprochen, die sich politisch gegenwärtig bereits
zu erfüllen beginnt. Er hat aber unter sorgfältigster Sichtung
und Beobachtung aller nur möglichen Vergleiche zwischen
den verschiedensten Völkertypen in seinem monumentalen
Hauptwerke den entscheidenden Punkt in der Erhaltung der
Rasse und ihrer Stammeseigenschaften gefunden.
Ist dies richtig, und dürfen wir Germanen uns für die
nächste Epoche in der Völkergeschichte wirklich als die Erben
der älteren einst herrschenden Völker
der Vergangenheit betrachten, so wird
es unsre Aufgabe sein, uns nicht etwa
im griechischen, römischen oder sonst
ausländischen, sondern im germani-
schen Sinne völlig zu entwickeln und
auszuleben. Wir wissen nicht, welches
Volk einst an unsre Stelle tritt — aber
es ist zu beanspruchen, daß die uns
beschiedene vielleicht nur kurze Zeit-
spanne dann nicht allein in ihrer Po¬

litik, sondern auch in ihrem Geiste mit
einem rein und völlig germanischen We-
sen erfüllt sei.
Und erst recht gilt diese Aufgabe
für uns, sollte es etwa im Buche des Ge-
schickes geschrieben sein, daß das Ger-
manentum das letzte Volkstum darstellte,
dem es bestimmt wäre, als Rasse in der
Geschichte der Menschheit einen oberen
Platz einzunehmen.
Die letzte Frage wird noch zu beant-
worten sein, in welcher Weise die Ver-
wirklichung solcher Absichten dann mit
Aussicht auf nachhaltigen Erfolg zu or-
ganisieren sein würde.
Von dem Studium der überall planmäßig aufzusuchenden
Materialien und der sich daraus ergebenden Lehre, und davon,
daß vor allem die Geschichte der nationalen Kunst vor der
der fremdländischen zu bevorzugen sein müßte, habe ich weiter
oben gesprochen.
Die unerläßliche Vorbedingung zu einem gedeihlichen
Ergebnisse jener Arbeiten wird aber die endliche Schaffung
einer Zentralstelle für altgermanische Kunst sein; einer Stelle,
wo alle Fäden zusammenlaufen, alle Studienergebnisse, welche
ja so manche Generation in Anspruch nehmen werden, zu-
sammengetragen und sorgfältig gesichtet, zur Benutzung und
zum Studium bereit gestellt würden, in Verbindung mit Vor-
trägen und Veröffentlichungen über diese Gegenstände.
Welcher Art die Ansammlung der Materialien in dieser
Zentralstelle sein würde, läßt sich vorläufig zwar
noch nicht absehen; doch wäre es sicher zu
vermeiden, daß sie einen allzu museumsartigen
Anstrich erhielte. Vielmehr würde es eher eine
Art von Nationalarchiv werden, welches freilich
vielerlei Sammlungsabteilungen auch für ein-
schlägige Gegenstände in natura und Kopieen in
sich fassen müsste.
Es wären hier die erforderlichen Auszüge
aus den alten Schriftstellern, wie jene Probe aus
Venantius Fortunatus, zuerst aus den »Monu-
mentis Germaniae« zu veranstalten, überhaupt
alles alte Schrifttum, das irgendwie auf die alt-
germanische bildende Tätigkeit Bezug nimmt,
alle Werke, alle Abbildungen in Original oder
Kopie, die hier Wert hätten, zusammenzutragen; dazu neue
Aufnahmen, sowohl zeichnerische wie photographische,
letztere möglichst nach photogrammmetrischem Verfahren,
jedes neu entdeckten oder untersuchten Objektes, ferner
auch eine langsam wachsende Ansammlung plastischer
Kopieen und von Originalen, soweit solche zu erreichen
wären.
Es ist anzunehmen, daß diese Sammlungen in der ersten
Zeit keinen allzu großen Umfang annehmen könnten, da ja
alles neu aufzubauen sein wird. Aber wenn die genannte
Zentralstelle auch, wie kaum zu umgehen, mit den Konser-
vatoren der Kunstdenkmäler im Deutschen Reich, ferner in
Österreich, der Schweiz, den skandinavischen Ländern, den
Niederlanden, Flandern, England, vielleicht sogar mit den
interessierten Stellen in Nordamerika, Italien, Spanien und
Frankreich zu engem Zusammenwirken in Verbindung treten
würde, könnte die Tätigkeit des Instituts als eines Mittel-
punkts der germanischen Kunstfor-
schung der ganzen Welt für die Zu-
kunft sich zu umfassendster Bedeutung
entwickeln.
Es wäre dann vielleicht zum
ersten Male die Möglichkeit zu ge-
meinsamem Streben und Arbeiten des
gesamten Germanentums an der Lö-
sung einer allen seinen Zweigen gleich
werten Aufgabe gegeben.

Aus Sta. Maria de Naranco bei Oviedo.
9. Jahrhundert. Spanisch.


über die

Türklopfer am Römerhof in
Frankfurt a M.


Truhenbeschlag aus Süddeutschland von 1610.



1607.
außerdem

84
 
Annotationen