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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 11
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Die Architektur auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1904, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0096

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11

geradlinigen Terrassen vor der Front des Gebäudes erzielen lassen, wenn
auch deren Linienführung, deren Brüstungen und Treppenaufgänge, be-
sonders aber die abscheulichen eingebauten Bierausgaben wie das Restaura-
tionsgebäude selbst im vornehmen Barockstile behandelt worden wären.
Ob die stattlichen Säle des von Kayser & von Grofzheim erbauten Restau-
rationsgebäudes ganz in kaltem Weiß stehen bleiben werden oder nach ge-
hörigem Austrocknen der bei der Eröffnung noch ganz frischen Arbeit durch
maßvolle Abtönung und Vergoldung abgestimmt werden sollen, bleibt ab-
zuwarten. Das Ganze erweckt den Eindruck, als ob der künstlerische Einfluß
der Architekten durch anderweitige Rücksichten eine unliebsame Beschrän-
kung erfahren hätte.
$ *
*
Die ausgestellten Arbeiten der Privatarchitekten in dem großen
Schweitzerschen Saale bieten ein ebenso buntes Bild wie die Anordnung,
sowohl in Bezug auf die bekannte Buntscheckigkeit in der Vortragsweise
als in Bezug auf den verschiedenwertigen Inhalt. Grüßt uns doch mancher
alte Bekannte und manche manierierte Vortragsweise, die wir an dieser
Stelle kaum wieder zu treffen erwarteten, und manches Blatt läßt wohl
auch sonst noch das Gefühl aufkommen, als habe man diesmal keinen
Überfluß an Beiträgen zu sichten gehabt.
Stark vertreten, wenn auch vielleicht nicht ganz so zahlreich wie im
Vorjahre, sind Aufnahmen alter Bauten, noch stärker im Verhältnis zur Ge-
samtzahl die Phantasieentwürfe.
Unter ersteren sind Studien von Günther-Naumburg aus Tanger-


Landhaus des Herrn Hauptmann von Miclialkowski
in Altenhof am Werbellinsee.

Architekt:
Alfred J. Balcke in Berlin.

(Geometrische Ansichten und Grundrisse in der Beilage.)


Bergnest.
Idealskizze.

Architekt: Emil Högg, Direktor des Oewerbemuseums
in Bremen.

münde und Wismar, eine Bleistiftzeichnung der Kuppelgruppe der Hagia
Sophia von W. Freiherrn von Tettau, reizvolle Bauernhausaufnahmen von
Adolf Eckhardt und ein prächtiges Aquarell der Dorfkirche zu Lugau von
E. Freiherrn von Rechenberg, sowie zwei der vorzüglichen Meydenbauer-
schen Meßbildaufnahmen alter Kirchen zu erwähnen. Unter den Phan-
tasieentwürfen befindet sich die hier wiedergegebene Zeichnung einer
spätmittelalterlichen Burganlage von Emil Högg, die von liebevoller Ver-
tiefung in die mannigfachen Schönheiten altüberlieferter vaterländischer
Bauweise mit ihrer malerischen Gruppierung zeugt, und G. Halmhuber
hat eine reiche Auswahl von dekorativen Arbeiten und Phantasieen in
verschiedener Darstellungsweise eingesandt. Bei den Grabmalsentwürfen
Professor Möhrings dürfte die auf der Skizze angedeutete Stimmung z. T.
von der einsamen Lage außerhalb eines Friedhofes abhängig sein. Professor
Aug. Tiede, der Schöpfer der leider abgebrochenen Osteria des alten Aus-
stellungsparkes, hat die unten wiedergegebene reizvolle kleine Zeichnung
einer solchen beigesteuert.
Im übrigen lassen die Entwürfe in Bezug auf Behandlung und Auf-
gaben geradezu einen absichtlichen Verzicht auf den Zusammenhang mit
dem praktischen Bauschaffen der Gegenwart vermuten und den wirksamen
Vortrag von Architekturbildern, in denen der Phantasie keine Grenze
gezogen ist, fast als Selbstzweck des ganzen Schaffens erscheinen, wie Feuer-
herds Entwurf zu einer in heroischer Landschaft gelegenen fürstlichen Gruft-
kirche oder Späths Nationalhalle. Auch Brantzkys in bekannter wirkungs-
voller Manier dargestellte Studien zeugen von einer monumentalen Ge-
staltungsfreude, die immer wieder auf die in dieser Hinsicht unbeschränkten
Entwürfe zu Bismarcktürmen und Mausoleen zurückgreift, obwohl gerade
hierin eine gewisse Übersättigung nicht bloß beim Laienpublikum zu
Tage tritt. Im Hinblick auf die Entwicklung einer selbständigen Formen-
sprache ist dieses Beharren in der ungebundenen Freiheit der Phantasie-
gebilde wohl um so mehr zu bedauern, als gerade das wirklich selbständige
Gestaltungsvermögen bei der Ausbildung der Einzelheiten von Zweckbauten

eine Unzahl von Aufgaben lösen könnte, die von schwächeren Kräften an
der Hand der von den ,Großen“ in ihren Idealentwürfen gegebenen An-
regungen kaum jemals in befriedigender Weise gelöst werden. Als eine
wirklich bedeutsame Förderung des eigenartigen künstlerischen Gestaltens
in der Baupraxis der Gegenwart konnte deshalb eine Vorführung von Studien
und Detailblättern von Ausführungen betrachtet werden, in der selbstschöp-
ferische Meister die Einzelheiten ihrer Formensprache und ihres Formen-
empfindens geben würden. Leider wollen derartige Blätter noch immer
nicht auf den Ausstellungen erscheinen, obwohl sie neben der überreichen
Zahl von reinen Phantasiegebilden in Skizzenform jedenfalls der ein-
gehendsten Würdigung seitens der ernststrebenden Fachgenossen mindestens
ebenso sicher sein dürften, wie die liebevollen Detailstudien an alten Kunst-
werken.
Daß imposante Wirkung, Größe und wuchtige Erscheinung durchaus
nicht nur bei Gebilden mit Denkmals- oder Gruftkirchencharakter zu er-
reichen ist, beweist u. a. Wilhelm von Tettaus mit dem 2. Preis gekrönter
Entwurf für das Gebäude der kgl. Westpreußischen Provinzial-Landschafts-
direktion in Danzig, während einige Blätter mit Entwürfen für Geschäfts-
und Restaurationsbauten zeigen, wie leicht falsches Pathos bei der Über-
tragung monumentaler und malerischer Ideen auf den Nutzbau der ver-
kehrsreichen Großstadt herauskommt.
Für die Würdigung der zur Ausführung bestimmten Entwürfe ist es
ferner sicher nicht von Vorteil, daß durchweg nur Schaubilder gegeben,
Grundrisse und Schnitte aber weggelassen sind. In der Ausstellung der im
Ministerium der öffentlichen Arbeiten aufgestellten Entwürfe dagegen ist
jeder Ansicht der das Verständnis wesentlich erleichternde Hauptgrundriß,
der ja nur in kleinstem Maßstabe nötig ist, in einer Aussparung in der
unter den Bildern sich hinziehenden Sockelabschlußleiste in ganz unauf-
fälliger und keinerlei Raumopfer beanspruchender Weise angebracht und
damit der Beweis geliefert, daß sich das zum schnelleren Verständnis
Nötige sehr leicht ohne Überlastung der Ausstellung mit technischen Einzel-
heiten erreichen läßt.
Wir haben deshalb zu den meisten von uns abgebildeten und im
nächsten Hefte abzubildenden Entwürfen für auszuführende Bauten, Grund-
risse u. s. w. in der Beilage beizufügen für zweckmäßig erachtet.
(Schluß folgt.)

Osteria. Architekt: Professor Aug. Tiede in Berlin.


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