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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 12
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Osterrieth, Albert: Der Urherberschutz für Werke der Baukunst und der Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0100

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12

Ergebnis einer frei schaffenden, individuellen Konzeption sich
darstellt. Das wesentliche Moment jedes Werkes der bildenden
Künste liegt daher in der individuellen Konzeption, neben der
die ästhetische Wirkung erst sekundär auftritt. Vom teleo-
logischen Standpunkt aus kann man jede Wirkung einer Hand-
lung als Zweck des Handelns betrachten. Insofern läßt sich
auch sagen, daß jeder Kunstschöpfung ein künstlerischer oder
ästhetischer Zweck innewohnt. Indessen steht der Verfasser
des Entwurfs nicht auf diesem philosophischen Standpunkt,
wenn er die künstlerische Zweckbestimmung dem Gebrauchs-
zweck, nicht etwa rein begrifflich, sondern als gegenein-
ander abwägbare, womöglich sich ausschließende Momente,
gegenüberstellt.
Gerade in der Baukunst ist der Gebrauchszweck das Vor-
herrschende, da jedes Bauwerk immer in erster Linie einem
bestimmten Nutzzwecke dient. Wenn man nun die dem Ge-
brauchszwecke dienende Schöpfung der dem künstlerischen
Zweck dienenden gegenüberstellt, so kommt man dazu, die
schutzwürdige baukünstlerische Schöpfung immer nur in den
rein ornamentalen Stücken oder Teilen zu erblicken. Darin
würde aber meines Erachtens eine mit den Grundprinzipien
des Urheberrechts unvereinbare Einschränkung des Schutzes
der Baukunst liegen. Denn wenn das selbst ausschließlich
für einen Gebrauchszweck bestimmte Bauwerk in Anlage und
Ausführung eine individuelle, künstlerische Konzeption auf-
weist, ist es schutzwürdig. Mit andern Worten, das Künst-
lerische am Bauwerk ist von der auf den Gebrauchszweck
gerichteten Leistung äußerlich überhaupt nicht zu trennen.
Bei jedem eigentlichen Baukünstler, das heißt selbständig
schaffenden Architekten, wird die dem Nutzzweck dienstbare
Schöpfung regelmäßig auch eine künstlerische Konzeption in
sich schließen. Nehmen wir zum Beispiel die Fassade eines
Gebäudes. Sie bildet den notwendigen Abschluß nach einer
bestimmten Front hin; sie dient als Stütze und Träger; sie hat
die Öffnungen für den Eingang und die Fenster zu enthalten.
Die Gestaltung der Fassade in ihrer Gliederung wird ferner
bedingt durch die innere Anlage, Zahl und Höhe der Stock-
werke und die Anordnung der Innenräume. Hierzu tritt nun
die Vorschrift eines bestimmten Baustiles mit einer Fülle ein-
zelner Motive, die der durch die Jahrhunderte angesammelte
Formenschatz aufweist. In der Ausführung der technischen
Aufgabe und der Verwendung der gegebenen Elemente wird
aber jeder Architekt, der nicht die Absicht hat, ein fremdes
Werk zu kopieren, und dem nicht jede eigene Schöpferkraft
abgeht, selbstverständlich etwas Eigenes, Selbständiges schaffen,
das sich trotz mehr oder minder bewußter Anlehnungen an
Vorhandenes für den Kenner von allen andern Bauschöpfungen
scharf unterscheidet. Dieses Unterscheidende ergibt sich aber
nicht aus einer Subtraktion der bekannten Elemente, sondern
aus einer genetischen Analyse, welche das Bauwerk als einen
Organismus auffaßt. Und hierbei wird sich neben den durch
den Nutzzweck vorgeschriebenen und den aus der Geschichte
der Baukunst bekannten Elementen die Schöpfung des Archi-
tekten als ein einheitliches, in seiner Eigenart durch die In-
dividualität des Künstlers bedingtes Ganze darstellen. Wozu
soll aber hier die Unterscheidung zwischen Nutzzweck und
künstlerischem Zweck dienen? Bei der Fassade eines Ge-
bäudes wird der Nutzzweck doch immer das Primäre und
Wesentliche sein, es sei denn, daß man sie nicht als Ganzes
betrachtet und den Schwerpunkt auf den rein ornamentalen
Zuschuß legt, das heißt auf Säulen, Kapitäle, Pilaster, Tür-
und Fensterumrahmungen, Gesimse u. s. w. Hierbei würde
aber der schlicht gehaltene Bau, bei dem auf Ornamentik ver-
zichtet wird, gegenüber jeder mit unnötiger Dekoration über-
ladenen Schöpfung im Nachteil sein. Die künstlerische Eigen-
art auch der einem Nutzzweck dienenden Schöpfungen soll
den eigentlichen Gegenstand des Urheberschutzes darstellen.
Dem Verhältnis von Nutzzweck und künstlerischem Zweck
nachzugeben, ist hierbei nur schädlich und auch überflüssig,
da eine künstlerische Schöpfung in der einfachen Lösung einer
technischen Aufgabe niemals liegen kann.
Richtig ist, daß unter dem Schutz des Urheberrechts nur

dasjenige steht, was der Kunst angehört. Letzteres ergibt sich
aber nicht aus der Zweckbestimmung und überhaupt nicht
aus objektiven Kriterien, sondern lediglich aus den Beziehungen
des Urhebers zu seiner Schöpfung. In diesem Sinne ist als
Werk der Kunst anzusehen diejenige Schöpfung, die in ihrer
Eigenart durch die Individualität des Künstlers bedingt ist.
Nach der Technik unsrer Gesetzgebung kann dieser Ge-
danke nicht unmittelbar im Gesetz Ausdruck finden. Da er
jedoch allen Urheberrechtsgesetzen gemeinsam zu Grunde liegt,
und vor allem auch die Voraussetzung jedes Kunstschutzes
ist, so würde es vollständig genügen, in dem § 2 des Ent-
wurfes zum Ausdruck zu bringen, daß die Werke der Baukunst
unter dem Schutz des Gesetzes stehen sollen, wenn sie die
gleichen Voraussetzungen erfüllen wie die übrigen Werke der
bildenden Künste.
Ich würde demgemäß vorschlagen, § 2 folgendermaßen
zu formulieren:
»Der Schutz dieses Gesetzes erstreckt sich auch auf Bauwerke und
Entwürfe zu diesen, soweit solche als Werke der bildenden Künste an-
zusehen sind.«
Besonders zweckmäßig ist, daß das geplante Gesetz den
Schutz ausdrücklich auch auf Entwürfe erstreckt. Denn wenn
auf allen Gebieten des Urheberrechts selbstverständlich der
Schutz jedesmal dann einsetzt, wenn das Werk in seiner Eigen-
art zum sinnfälligen Ausdruck gekommen ist, so könnte doch
gerade angenommen werden, daß ein Bauwerk erst dann vor-
liegt, wenn es seine endgültige Form in baulicher Ausführung
erlangt hat. Um diesen Irrtum auszuschließen, nimmt der
Wortlaut des § 2 ausdrücklich auch auf Entwürfe Bezug.
Der Schutz des Gesetzes soll grundsätzlich jede Wieder-
gabe des Werkes umfassen, und zwar die graphische Verviel-
fältigung und die Vervielfältigung durch Modelle, die gewerbs-
mäßige Verbreitung solcher Vervielfältigungen, die Schaustellung
durch mechanisch-optische Einrichtungen und die bauliche
Ausführung.
Es wird infolgedessen der Architekt in Zukunft dagegen
geschützt sein, daß seine Entwürfe, Zeichnungen von andern
nachgebildet werden, daß auf Grund seiner Entwürfe ein
andrer das Bauwerk ausführt, und ebenso, daß das ausge-
führte Bauwerk nachgebaut, oder graphisch oder in Modellen
vervielfältigt wird. Letzterer Schutz erleidet allerdings eine Ein-
schränkung, auf die sofort näher einzugehen ist. Hier sei nur
noch besonders bemerkt, daß auch die einzelne Nachbildung
eines Bauwerkes in baulicher Ausführung nicht gestattet sein
wird, vorausgesetzt, daß sie nicht unentgeltlich erfolgt. Die
Freigabe der unentgeltlichen Einzelvervielfältigung, die auf
andern Gebieten der Kunst dazu dient, das Kopieren zum
Zwecke der Kunstübung freizugeben, könnte auf dem Gebiete
der Baukunst bedenkliche Konsequenzen haben. Es würde
nämlich zulässig sein, daß ein Baumeister einen fremden Bau
nachbaut, vorausgesetzt, daß er ihn für seinen persönlichen
Gebrauch verwendet, sei es, um darin zu wohnen, oder um
sich eine letzte Ruhestätte zu bereiten. Ein Grund, einzelnen,
eigener künstlerischer Begabung ermangelnden Baumeistern
schöne Wohnhäuser oder Grabstätten auf Kosten andrer zu
gewähren, liegt eigentlich nicht vor. Außerdem würde die
nachträgliche Veräußerung kaum verhindert werden können.
Es dürfte daher am Platze sein, auch das unentgeltliche Nach-
bauen eines Bauwerkes von der Genehmigung des Architekten
abhängig zu machen.
§ 15 des Entwurfes enthält folgende, ernste Bedenken er-
weckende Bestimmung:
»Zulässig ist die Vervielfältigung von Werken, die an öffentlichen
Straßen oder Plätzen sich bleibend befinden, durch bildliche Wiedergabe
ihrer äußeren Ansicht. Soweit ein Werk hiernach vervielfältigt werden
darf, ist auch die Verbreitung und Vorführung zulässig.«
Wenn man bedenkt, daß fast alle Bauwerke »an öffent-
lichen Straßen oder Plätzen sich bleibend befinden«, so ergibt
sich, daß es in Zukunft wie bisher erlaubt sein würde, jede
Außenansicht sowohl als Ganzes als auch in einzelnen Teilen
bildlich wiederzugeben. Der Verfügung des Urhebers Vor-
behalten bliebe nur die Wiedergabe der Innenräume, sowie

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