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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 8
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Schwindrazheim, Oskar: Der äußere Schmuck des Sylter Bauernhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0070

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8

Fig. 0. Reichster Giebel Sylts (Morsum) 1741.


und weißen Ziegeln ge-
mauerte Türbogen, an
den sich die in gleicher
Weise hergestellten Um-
fassungen zweier klei-
ner Butzenscheiben an-
schließen, mit ihm ein
außerordentlich prunk-
volles Ganze, den Mittel-
punkt der ganzen Deko-
ration bildend. Ein breiter
Fries aus schwarzen und
roten Steinen sondert den
Giebel vom Unterge-
schoß, zwei schmälere
(einer ganz oben) gliedern
ihn. Eine Reihe sich stetig
verjüngender schrägge-
stellter Zwickel (schwarz
und rot) schmücken die
Schrägseiten, in ihrer Fu-
genrichtung die der Steine
des Türbogens gewisser-
maßen fortsetzend und

in der Ansicht wie Ausstrahlungen derselben wirkend. Sie
sind’s gewissermaßen ja auch; wie die Steine des Bogens den
Widerstand gegen den Mauerdruck, drücken sie den Wider-
stand gegen den Druck des Daches und besonders des auf
dasselbe wirkenden Windes aus. Es ist meiner Empfindung
nach ein ganz ausgezeichnet gelungenes, ich möchte sagen
poetisches Gesamtbild, das feinster Empfindung entsprungen
zu sein scheint, ein vollgültiger Beweis für die elementare,
instinktive Treffsicherheit der volkstümlichen Kunst.

Die Mittelachse des Giebels wird stets betont und ge-
schmückt durch die in der Form die der Tür mit ihrer Bekrö-
nung mehrmals immer kleiner wiederholenden und nach oben
allmählich ausklingen lassenden Luken, Fenster, Fensterchen
und Tafeln mit Sonnenuhr, Schiffsdarstellung oder Spruch, die
in ihrer reizvollen Gesamtwirkung merkwürdig an die gotischen
Wimperge oder Fialen mancher Domtür erinnern.
Die Spitze dieser Dekoration bildet als viertes oder fünftes
Glied fast stets ein hübscher Maueranker; ein einziges Mal sitzt
über ihm noch der schon erwähnte Eisenbeschlag der Giebel-
bretter (Abb. 7).
Betrachten wir nun die Einzelheiten.
Die Haupteingangstür befindet sich in einer Langseite,
meist in der Mitte, Nebentüren je nach Anordnung des ganzen
Hauses in den andern Seiten.
Die älteste Form der Tür ist wohl die bekannte norddeutsche
quer halbierte Tür; der obere Teil mit einem oder zwei je aus
einer Butzenscheibe bestehenden kleinen Guckfenstern, sowie
mit Klopfer, Drücker und Schloß versehen, meist grün, seltener
rot gestrichen und ohne andern Schmuck. Bisweilen bilden
einen solchen die regelmäßig verteilten Nagelköpfe, welche die
einzelnen Bretter an den dahinterliegenden Querbrettern fest-
halten. Ebensowenig geschmückt sind die ältesten senkrecht ge-
teilten Türen. Sodann finden sich Türen in meist einfachen
Rokoko- oderZopfformen; letztere zumeist so, daß die Füllungen
senkrecht geriefelt sind und durch diese Riefelung ein paar
gleichlaufend oder entgegengesetzt gestellte glatte Halbkreise
quer durchgezogen sind.
Unter den Rokokotüren ist eine in Wenningstedt reicher
ausgebildet; auf jedem Türflügel befindet sich eine Art Pilaster,
der eine Krone trägt, ein Motiv, das auch in der Keitumer
Kirche als Verzierung eines Gestühls vorkommt. Auch unter
den Zopf- oder Empiretüren sind einige auffallend reiche, so
besonders in Keitum zwei eigenartig ornamentierte mit durch-
brochenem Holzwerk über den Glasscheiben der beiden Flügel.
Eine höchst anmutig und dabei monumental wirkende Tür zeigt
Abb. 10,4, einfach durch Riefelung und einzelne glatte Vierecke,
sowie durch zwei Messingtürklopfer geschmückt. Die beliebteste
Färbung dieser Türen ist hellgrün, oft mit weißen Einzelheiten,

oder Rahmholz und Füllungen sind verschieden grün, eines
heller, das andre dunkler gemalt, die Einzelheiten wieder weiß.
Über der Tür befindet sich meist ein Oberlicht, je nach
Form der Türöffnung halbkreisförmig oder viereckig. Es ist
geschmückt mit durchbrochenem Holzwerk, das, einfacher oder
reicher gestaltet, Monogramm, Anker o. dgl. darstellt. Einmal
fand ich auch zwei mit zierlich einfachem Linienspiel gezierte
Oberlichter voreinander gesetzt, was besonders reizvoll wirkte.
Ein schönes Oberlichtgitter mit dem Monogramm des Besitzers
zeigt Abb. 10, 7.
Einen hervorragenden Schmuck derTür nicht allein, sondern
des ganzen Hauses — die Tür ist stets der Mittelpunkt des ge-
samten Schmuckes — bilden die halbkreisförmigen oder flacheren,
bisweilen etwas zugespitzten Türbögen aus mehreren Reihen
roter oder abwechselnd schwarzgebrannter und weißgestrichener
Backsteine (die äußere bisweilen in hübscher Abwechslung
eines halben und eines viertel Steines stark vorspringend, Abb.6,3),
umrahmt von einer Reihe quergelegter grüngestrichener, an
den Enden auf eine leicht vorspringende, oft weißgestrichene
Platte oder auf eine farbig besonders betonte Backsteinreihe
aufgesetzt. Teils bilden diese Bögen den Umriß der Türöffnung,
teils stehen sie über wagrecht abgeschlossener Türöffnung.
Für die Rokoko- und Empiretüren ist eine besondere, ein-
fache und schöne Türkrönung typisch: ein außerordentlich
flaches Dreieck mit abgestumpften Ecken, jederseits oft ab-
sichtlich recht weit über die Türöffnung hinausragend, oder
eine Übersetzung dieser Form ins Gerundete (Abb. 10,5,6,9).
Die Seiten der Türöffnung flankieren bisweilen weiße Quader
oder einfache und etwas plumpe, aber charaktervolle Säulen
oder Pilaster, stets weiß getüncht (Abb. 10,5). Bei den reichen
Empiretüren findet man auch eine hübsch geschnitzte Tür-
einfassung (Abb. 10, ö).
Der äußere Türbeschlag besteht in Klopfer, Klinke oder
Drücker und Schloßblech, teils aus Eisen, teils aus Messing;
die älteren Klopfer noch in gotischer Herzform, der jüngere
Beschlag in Rokokoformen. Ein merkwürdiger, anmutiger
Klopfer, der zugleich als Drücker dient, befindet sich an einer
alten Tür in Braderup (Abb. 11,1).
Vor den Türen sieht man vielfach eine etwas vorgesetzte
ein- oder zweiflügelige, nur einfache, höchstens durch ein in
geschwungenen Linien ausgesägtes krönendes Brett gezierte
Windfangtür. In den aus einem Brett bestehenden Seitenwänden
des kleinen Vorraumes sind vielfach Gucklöcher angebracht
(Abb. 10,10).



2. 3.





Fig. 10. Sylter Türen.
1. Ältester Türtypus (Alt Westerland); grün bemalt. 2. 3. Gewöhnlichste einfache Musterungen
senkrecht geteilter Türen ; grün und weifs. 4. Vornehmere Tür mit Riefelung und zwei Türklopfern
(s. Fig. 11, 2); Tür braun, Oberlicht weifs, Schnörkel grün (Alt Wefterland). 5. Einfachere Empire-
tür; hellgrün und weifs. Seitenpilaster weifs, Sockel schwarz. 6. Reich geschnitzte Tür; grün und
weifs (Keitum). 7. 8. 9. Oberlichtverzierungen. 10. Windfangtür.

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