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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 3.1969

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Nr. 2
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Junghanns, Kurt: Das Bauhaus und die Kathedrale der Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31181#0285
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war ein Hinweis auf die Zusammenhänge
zwischen kosmischen Licht und irdischer Materie
in expressionistischer Sicht. Behne dachte dabei
an das Bauen mit Glas. Dem klaren wie dem
farbigen Glas, dem strahlenden Licht und der
Helligkeit schrieb er ungeahnte Wirkungen auf
den Menschen zu.
Die Verwirklichung aller dieser Ideen und Vor-
stellungen aber stand und ßel mit einer entspre-
chenden konkreten Aufgabe. Man musste eine
Stelle schaffen, an der das reine Wollen, alle die
idealen Bestrebungen dieser Zeit, ungetrübt durch
den Alltag des Lebens, sich auf das wesentliche
Ziel konzentrieren konnten, um die leuchtende
Verkörperung der neuen Idee zu schaffen. Dieses
konkrete Ziel konnte nur mit einem Bauwerk
erreicht werden, das gleichsam als ein Tempel des
Neuen nur der Darstellung der reinen Idee und
keinem anderen Zweck zu dienen brauchte. War
hier die neue Form erst gefunden, dann, so glaub-
te man, hatte sie auch die Macht, auf alles Produ-
zierte auszustrahlen bis in die bescheidenten Dinge
der menschlichen Umwelt. In diesem Sinne sprach
Gropius vor den Studenten, und er nannte dieses
Bauwerk ,,die Kathedrale der Zukunft" oder ,,das
Einheitskunstwerk" oder einfach ,,der große Bau".
Feininger schuf dafür den berühmten
der einen angenäherten mittelalterlichen Kirchen-
bau mit fünfzackigen Sternen zeigt, von denen
mächtige Strahlen nach allen Seiten ausgehen
und die dunkle Umgebung erleuchten. Schlemmer
dachte an einen monumentalen Glasbau mit
hguralen Wandbildern von seiner Hand. Gropius
war also mit seinen Gedanken durchaus nicht
allein. Auch die Bauhaus jugend war davon
überzeugt. Es hat sich ein für
den Neubau des Bauhauses mit zugeordneten
Wohngebäuden für Lehrer und Studenten erhal-
ten, der ganz von der Idee der schöpferischen
Gemeinschaft und ihrer Menschheitsmission durch-
drungen ist. Das Ganze ist eine feierliche axiale
Anlage mit dem Schulgebäude als Sammelpunkt
der Künste im Zentrum und mit Leuchttürmen
ringsherum.
Erfahrungsgemäß fallen solche Ideen nicht erst
vom Himmel, wenn sie gebraucht werden, sondern
haben eine längere Entstehungsgeschichte. Auch
die Vorstellung des ,,Großen Baues" war 1919
durchaus nicht neu. Schon in der tiefen gesell-

schaftlichen Krise im Vorkriegsdeutschland hatte
der Dichter Paul Schcerbart die Vorstellung einer
neuen Architektur mit der Idee der moralischen
Erziehung des Menschen in Verbindung gebracht.
Die gestalterischen Mittel dafür sah er im Glas
und im Licht. Er war der erste und leidenschaft-
lichste Propagandist einer Architektur von Glas.
Er sah im Glas nicht nur neue technische und
physikalische Eigenschaften, die für unerwartete
künstlerische Wirkungen genutzt werden könnten,
sondern vor allem auch einen Stoff, der als Träger
des Lichtes den Menschen in Einklang mit den
Kräften des Kosmos setzen könnte. Denn der
Kosmos, das All, war für ihn die eigentliche Hei-
mat des Menschen, nicht die Gesellschaft, die er
in der Form des kaiserlichen Deutschlands vor
sich sah und ablehnte. Von ihm übernahm Bruno
Taut diese Gedanken. Taut baute im engsten
Zusammenwirken mit Scheerbart auf der Werk-
bundausstellung 1914 ein das alles zeigen
sollte, ,,was das Glas zur Erhöhung des Lebens-
gefühles leisten kann." Inmitten des hochge-
triebenen Chauvinismus wollte er damit von der
Schönheit der Welt und von der Notwendigkeit
einer Erneuerung des Lebens künden. Er glaubte
an die reinigende Kraft des Lichtes und leuchten-
der Farben wie Scheerbart und Adolf Behne.
Glas und Helligkeit sollten alles Muffige, Ver-
staubte, rückständige Lebensgewohnheiten, Neid
und Niedertracht aus den Herzen der Menschen
vertreiben. ,,Glas bringt uns die neue Zeit, Back-
steinkultur tut uns nur leid", war an das Glashaus
geschrieben. Klarheit und Friedfertigkeit sollten
herrschen, demi Scheerbart und Taut waren
glühende Pazißsten. Die Idee der Verbesserung
des Menschengeschlechts mit Hilfe der kommen-
den Architektur war also schon vor dem Krieg
geboren. Auch der Gedanke, daß nur ein der
Schönheit nnd der Vereinung des Lichtes gewid-
meter Bau das Neue in voller Reinheit verkörpern
könne, war durch Tauts Glashaus im Keim bereits
angelegt.
Die ersten militärischen Erfolge versetzten das
deutsche Volk und auch die Intelligenz zunächst
in einen Siegestaumel, Scheerbart und Taut aber
brachten sie tiefe Verbitterung. Scheerbart starb
1915 in Verzweißung — ,,am Kriege", wie Taut
schrieb. Taut selbst begann 1916, als viele deutsche
Künstler sich mit ihrer Kunst gegen den sinnlosen
Krieg wandten wie Käthe Kollwitz, George

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