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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 3.1969

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Nr. 2
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Junghanns, Kurt: Das Bauhaus und die Kathedrale der Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31181#0284

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was die wichtigste Eigenart des Bauhauses wurde:
das Zusammenwirken aller Künste durch das
Zusammenarbeiten bedeutender Künstler aller
Gebiete unter einem Dach. Die beherrschende
künstlerische Vorstellung, unter der diese Vereini-
gung sich ursprünglich vollzog und entwickelte,
war die sogenannte Kathedrale der Zukunft.
Als das für die Entwicklung einer neuen zeit-
gemäßen Formkultur dringendste Anliegen hatte
Gropius 1919 die Wiedervereinigung aller künst-
lerischen Disziplinen — der Bildhauerei, Malerei,
des Kunstgewerbes und des Handwerks — zu
einer neuen Baukunst bezeichnet. Diese erstrebte
neue Baukunst wurde zum Ausgangspunkt aller
Überlegungen und das Hauptziel der Gedanken,
die sich mit der Aufgabe des Bauhauses, seinem
Programm und dem Lehrplan befaßten. Gegen-
über den Vorstellungen der Jahre vor dem 1. Welt-
Krieg, wie sie vor allem im Werkbund herrschend
waren, spiegelte sich darin ein tiefgehender nnd
folgenschwerer Wandel. Gropius selbst nannte in
einer Rede vor seinen Studenten als grundlegenden
Unterschied, daß man vor dem Krieg geglaubt
habe, von der zweckmäßigen und künstlerisch
guten Gestaltung von Einzeldingen aus ,,durch
kühle Organisation" zu einer einheitlichen, dem
Wesen der neuen Zeit entsprechenden Formidee
und Umweltgestaltung zu gelangen. Jetzt sprach
er die Überzeugung aus, daß dieser Weg des
Werkbundes falsch war. Jetzt hielt er die Ent-
wicklung einer neuen, tragenden JJee für das
Entscheidende. Sie sollte den geistig-weltan-
schaulichen Inhalt ergeben, der in allen Künsten
gleichartig wirksam wird und sie alle zu einem
einheitlichen Gesamtkunstwerk zusammenfaßt. Er
stellte sich kleine, abgeschlossene Gemeinschaften
vor, in denen Menschen gleicher Gesinnung voller
Hingabe an das große Ziel die neuen Gedanken
verdichten und in gemeinsamer Arbeit künstlerisch
zum Ausdruck bringen sollten. Das Bauhaus war
als eine solche kleine fruchtbare Gemeinschaft
gedacht, und seine Meister wurden von Gropius
gemäß dieser Vorstellung ausgewählt und berufen.
Gropius hat sich später ausdrücklich als Autor
des ersten Bauhausmanifestes bekannt, in dem
diese Gedanken niedergelegt waren. Er begründete
seine Haltung und dieses pathetische Programm
damit, daß die Jugend nicht nach Weimar ge-
kommen wäre, wenn er nur zur Schaffung von
Möbeln, Lampen und anderen prosaischen Dingen

aufgefordert hätte. Die Jugend habe damals eine
neue Gemeinschaft gesucht.
Nach dem ersten Weltkrieg mit seinen Schrecken
und Opfern, nach den tiefen Erschütterungen
Deutschlands durch die Novemberrevolution und
den Zusammenbruch des Kaiserreiches wurde
in der fortschrittlichen Intelligenz eine Erneuerung
der gesamten Gesellschaft von Grund auf erwartet.
In keinem Land Europas — die Sowjetunion
ausgenommen — war diese Erwartung so aus-
geprägt wie im militärisch geschlagenen und
wirtschaftlich und moralisch zerrütteten Deut-
schland.
Da die Revolution aber nur einige demokratische
Reformen brachte und die alte Gesellschaftsstruk-
tur mit ihren Machtverhältnissen nicht verändert
worden war, orientierten sich die Zukunftshoffnun-
gen der enttäuschten Intelligenz vor allem auf
die Kraft ihrer Ideen, auf eine moralische Erneue-
rung des Volkes und auf die Verbrüderung aller
Menschen. Man muß die expressionistische Dich-
tung dieser Jahre lesen, um zu verstehen, mit wel-
cher Inbrunst, mit welcher wilden Begeisterung, mit
welcher Gewalt des Wortes die neue erträumte
Gemeinschaft erwartet und als Beginn einer neuen
Ara gefeiert wurde. Die Vorstellung dieser idealen
Gemeinschaft hatte eine solche faszinierende Kraft,
daß sie das sachliche Denken und konkrete Han-
dehr weitgehend bestimmte. Gropius stand völlig
in ihrem Bann, als er den Gemeinschaftsgedanken
in das Bauhaus hineintrug. Er ging von ihr aus,
als er die eigene Arbeit der Vorkriegsjahre verwarf
und die Zukunft der Architektur und der Form-
gestaltung von der gemeinschaftlichen Schaffung
einer zentralen künstlerischen Idee und ihrer
Widerspiegelung in allen Produkten abhängig
machte. Entsprechend dieser Grundidee trat die
Frage der vollendeten Technik, der besten Funk-
tionserfüllung bei grösster Wirtschaftlichkeit, der
Zweckmässigkeit und ästhetischen Qualität als
Bestimmungfaktoren der Form völlig in der
Hintergrund. Es galt als nicht mehr zeitgemäss
die Form aus diesen Prämissen ,,zu erklügeln".
Keiner hat diese Wende so ausdrücklich behandelt
wie Adolf Behne in seinem Buch ,,Wiederkehr
der Kunst" 1919. Gropius liebte dieses Buch und
verschenkte es nach allen Seiten. Es feierte die
Kunst als die einzige Macht zur Läuterung der
Menschen, und wies vor allem der Architektur dabei
eine entscheidende Rolle zu. Schon der

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