Es liesse sich sagen, dass das slowakische
Kunstleben auf dem Gebiete der bildenden Kunst
und hauptsächlich seine hoffnungsvollen Adepten
seit dem 19. Jahrhundert die Möglichkeit hatten
zwischen zwei politisch-kulturellen Einstellungen,
die sich in dieser Zeit ausprägten und zur Annahme
anboten, zu wählen. Es war dies einerseits die
grossmagyarische — ungarische herrschende Kon-
zeption, die die passende Gelegenheit, die sich
in der Zeit der Vorbereitungen des Verlaufes und
Ausklingens der Millenium-Ausstellung, die in
Budapest im Jahre 1896 stattfand, wahrnahm
und zu einer Entfaltung in voller Breite ausnützte ;
andererseits war es die Konzeption der aktiven
Wiedergeburt der tschechischen und slowakischen
Nation und Kultur, die Hand in Hand mit der
slawischen Orientierung und deshalb auch mit den
erneuerten Beziehungen zur Slowakei verlief.
Ein Ausdruck dieser „tschechoslowakischen“ Be-
wegung war äusser anderem die Völkerkundliche
Ausstellung in Prag (1895) und weitere ihr nach-
folgende Ereignisse.
Diese beiden Auffassungen hatten eine „Läu-
terung der Geister“ im Sinne einer nationalen
und künstlerischen Orientierung unter den in der
Slowakei lebenden Künstlern zur Folge. Wenn
bis dahin, wie schon erwähnt, ein überwiegender
Teil noch kein nationales Bewusstsein hatte,
datiert sich seit dem Ende des Jahrhunderts ein
Prozess des intensiveren nationalen Bewusstwer-
dens in der magyarischen oder slowakischen
Richtung. Von der regierenden ungarischen Kultur
strömte natürlich eine mächtige Anziehungskraft
aus. Sie enthielt das Versprechen günstiger
materieller und schöpferischer Perspektiven (staat-
liche Studium-Stipendia, manigfaltige öffentliche
Unterstützungen, Möglichkeiten einer Mitglied-
schaft in künstlerischen Vereinigungen, Teilnahme
an Ausstellungen, publizistische Propaganda in
der ungarischen Presse, usw.). Die Tragweite
dieser Anziehungskraft lässt sich durch bio-
graphische Studien des Lebens zahlreicher Künstler
rekonstruieren. Diese, obzwar in der Slowakei
aufgewachsen und durch ihre Familienverhältnisse
der slowakischen Nation nahestehend, gelangten
doch durch ihr Kunststudium und weitere Ge-
schicke bedingt in den Rahmen des magyarischen
Kulturkreises. Andererseits vollzog sich das Er-
wachen des Nationalbewusstseins bei mehreren
unserer Künstler durch direkte oder indirekte
Beziehungen zur tschechischen Kultur, da die
politischen und kulturellen Bewegungen in Böh-
men und Mähren mithalfen das latente Leben des
slowakischen nationalen Flügels zu regenerieren
— junge Talente den tschechischen Kunstschulen
zuzuführen und ihre Bestrebungen sich der
Öffentlichkeit durch ein national-künstlerisches
Programm vorzustellen, aktivisierte.
Der Auftakt des Jahrhunderts ist in der bilden-
den Kunst der Slowakei auch dadurch charak-
teristisch, dass in jener Zeit eine bedeutend
vielzähligere Generationschicht, als die vorher-
gegangene es war, antritt und dass diese eine
vollkommenere künstlerische Ausbildung genossen
hat. Dadurch steigern sich zugleich die qualita-
tiven Ansprüche im Schaffen der bildenden Kunst,
wie auch jene, die an die bildende Kunst gestellt
werden. Es sinkt der Anteil des Dilletantismus,
der im verflossenen Jahrhundert im Leben der
regionalen Zentren der bildenden Kunst auf dem
Gebiet der Slowakei verhältnismässig gross war.
Während sich fast das ganze kulturelle Geschehen
der Slowakei des 19. Jahrhunderts in provinziellen
Zentren ohne systematischeren Kontakt und
einem Angleichen an das metropole künstlerische
Leben abspielte, werden seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts — dank fachmännischer Schulung
und der Steigerung der professionellen Kriterien
- öfter Werke zu Ausstellungen nach Budapest
gesandt. Es vermehrt sich auch die Anzahl guter
Ausstellungen in dem Gebiet des ehemaligen
Oberungarns. Die Erneuerung der tschechisch-
slowakischen Beziehungen auf dem Gebiet der
bildenden Kunst um das Jahr 1900 hatte auch
eine Aktivisierung der slowakischen bildenden
Künstler zur Folge. Eigene Ausstellungen und die
in tschechischen Gebieten sich bietenden Gele-
genheiten unterstützten eine grössere persönliche
und künstlerische Durchschlagskraft, dank dieser
fand der Umsturz des Jahres 1918 eine kleinere
Gruppe slowakischer bildender Künstler wenigstens
teilweise auf die neuen Aufgaben vorbereitet.1
Auf der nächsten Seite
Alojz Rigele, Mutterliebe, Bronz, 1904.
Kunstleben auf dem Gebiete der bildenden Kunst
und hauptsächlich seine hoffnungsvollen Adepten
seit dem 19. Jahrhundert die Möglichkeit hatten
zwischen zwei politisch-kulturellen Einstellungen,
die sich in dieser Zeit ausprägten und zur Annahme
anboten, zu wählen. Es war dies einerseits die
grossmagyarische — ungarische herrschende Kon-
zeption, die die passende Gelegenheit, die sich
in der Zeit der Vorbereitungen des Verlaufes und
Ausklingens der Millenium-Ausstellung, die in
Budapest im Jahre 1896 stattfand, wahrnahm
und zu einer Entfaltung in voller Breite ausnützte ;
andererseits war es die Konzeption der aktiven
Wiedergeburt der tschechischen und slowakischen
Nation und Kultur, die Hand in Hand mit der
slawischen Orientierung und deshalb auch mit den
erneuerten Beziehungen zur Slowakei verlief.
Ein Ausdruck dieser „tschechoslowakischen“ Be-
wegung war äusser anderem die Völkerkundliche
Ausstellung in Prag (1895) und weitere ihr nach-
folgende Ereignisse.
Diese beiden Auffassungen hatten eine „Läu-
terung der Geister“ im Sinne einer nationalen
und künstlerischen Orientierung unter den in der
Slowakei lebenden Künstlern zur Folge. Wenn
bis dahin, wie schon erwähnt, ein überwiegender
Teil noch kein nationales Bewusstsein hatte,
datiert sich seit dem Ende des Jahrhunderts ein
Prozess des intensiveren nationalen Bewusstwer-
dens in der magyarischen oder slowakischen
Richtung. Von der regierenden ungarischen Kultur
strömte natürlich eine mächtige Anziehungskraft
aus. Sie enthielt das Versprechen günstiger
materieller und schöpferischer Perspektiven (staat-
liche Studium-Stipendia, manigfaltige öffentliche
Unterstützungen, Möglichkeiten einer Mitglied-
schaft in künstlerischen Vereinigungen, Teilnahme
an Ausstellungen, publizistische Propaganda in
der ungarischen Presse, usw.). Die Tragweite
dieser Anziehungskraft lässt sich durch bio-
graphische Studien des Lebens zahlreicher Künstler
rekonstruieren. Diese, obzwar in der Slowakei
aufgewachsen und durch ihre Familienverhältnisse
der slowakischen Nation nahestehend, gelangten
doch durch ihr Kunststudium und weitere Ge-
schicke bedingt in den Rahmen des magyarischen
Kulturkreises. Andererseits vollzog sich das Er-
wachen des Nationalbewusstseins bei mehreren
unserer Künstler durch direkte oder indirekte
Beziehungen zur tschechischen Kultur, da die
politischen und kulturellen Bewegungen in Böh-
men und Mähren mithalfen das latente Leben des
slowakischen nationalen Flügels zu regenerieren
— junge Talente den tschechischen Kunstschulen
zuzuführen und ihre Bestrebungen sich der
Öffentlichkeit durch ein national-künstlerisches
Programm vorzustellen, aktivisierte.
Der Auftakt des Jahrhunderts ist in der bilden-
den Kunst der Slowakei auch dadurch charak-
teristisch, dass in jener Zeit eine bedeutend
vielzähligere Generationschicht, als die vorher-
gegangene es war, antritt und dass diese eine
vollkommenere künstlerische Ausbildung genossen
hat. Dadurch steigern sich zugleich die qualita-
tiven Ansprüche im Schaffen der bildenden Kunst,
wie auch jene, die an die bildende Kunst gestellt
werden. Es sinkt der Anteil des Dilletantismus,
der im verflossenen Jahrhundert im Leben der
regionalen Zentren der bildenden Kunst auf dem
Gebiet der Slowakei verhältnismässig gross war.
Während sich fast das ganze kulturelle Geschehen
der Slowakei des 19. Jahrhunderts in provinziellen
Zentren ohne systematischeren Kontakt und
einem Angleichen an das metropole künstlerische
Leben abspielte, werden seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts — dank fachmännischer Schulung
und der Steigerung der professionellen Kriterien
- öfter Werke zu Ausstellungen nach Budapest
gesandt. Es vermehrt sich auch die Anzahl guter
Ausstellungen in dem Gebiet des ehemaligen
Oberungarns. Die Erneuerung der tschechisch-
slowakischen Beziehungen auf dem Gebiet der
bildenden Kunst um das Jahr 1900 hatte auch
eine Aktivisierung der slowakischen bildenden
Künstler zur Folge. Eigene Ausstellungen und die
in tschechischen Gebieten sich bietenden Gele-
genheiten unterstützten eine grössere persönliche
und künstlerische Durchschlagskraft, dank dieser
fand der Umsturz des Jahres 1918 eine kleinere
Gruppe slowakischer bildender Künstler wenigstens
teilweise auf die neuen Aufgaben vorbereitet.1
Auf der nächsten Seite
Alojz Rigele, Mutterliebe, Bronz, 1904.