8. Marburg, Elisabethkirche, Elisabeth kleidet Nackte, aus dem Elisa-
bethfenster Chor süd II, 3a, um 1240/50. Foto: Corpus Vitrearum
Freiburg im Breisgau.
dekor aus Wand- und Glasmalereien, aber auch dem-
jenigen französischer Kathedralen.4
Die Marburger Glasmaler entwickelten zunächst
ganz unorthodoxe Bildkombinationen, die sich an der
zweibahnigen Maßwerkarchitektur mit Couronne-
ment orientieren. So bietet das Elisabethfenster, das
urprünglich in der Nordkonche neben dem Elisabeth-
mausoleum seinen Platz gehabt haben dürfte, gleich
auf mehreren Ebenen eine komplexe farbliche und
9. Straßburg, Münster, Südquerhausportal nach Brunn, 1617. Repro:
Reinhardt, Hans: La cathédrale de Strasbourg. Grenoble 1972.
inhaltliche Verschränkung der Heiligenvita, worauf
Wolfgang Kemp aufmerksam gemacht hat {Abb. 7,
8}.5 Das in zwei Bahnen geteilte „Argumentations-
modell“ in Leben und Wirken mit einer Art conclusio
im Maßwerk griff dabei wahrscheinlich die Erzählwei-
se eines benachbarten Vita-Christi-Fensters in der Nord-
konche auf, das für das Achsenfenster überliefert ist
[vgl. Abb. 5] - getrennt in zwei biographische Stränge
aus Wirken und Passion. Selbst wenn die Kreuzigung
im Maßwerksechspass des Achsenfensters nicht an
ursprünglicher Stelle säße, so markiert der themati-
sierte Opfertod Christi doch den zentralen Schnitt-
punkt des ganzen Bildprogramms: An dieser Stelle
setzt auch das von der Architektur vorgegebene
4 MICHLER 1984 (wie Anm. 2), S. 176.
5 Die rechte Bahn enthält Szenen aus ihrem Leben, links erhält
der Betrachter dagegen eine ausführliche Schilderung ihres
wohltätigen Wirkens, wobei den Bildern ein fester Kanon mit
den sechs Taten der Barmherzigkeit zugrundegelegt ist. Einem
solchen zweigeteilten Argumentationsmodell unterliegt selbst
der Inhalt des durch Armierungen geviertelten Maßwerkokulus,
in dieser wird gewissermaßen die conclusio aus den Bildsträngen
der Lanzetten gezogen. Doch ist in der „himmlischen“ Sphäre
Elisabeth jetzt ausdrücklich dem Hl. Franziskus gleichgestellt,
wo beide für ihre gottgefällige Lebensführung von Christus bzw.
Maria gekrönt werden. Selbst wenn das Elisabethfenster nicht
urspr. in Chor süd II gesessen haben sollte, wofür offenbar Un-
tersuchungen am einstigen Quereisenversatz dieses Fensters
sprechen (BIERSCHENK 1991 (wie Anm. 2), S. 167 und Anm.
1201), blieben diese Bezüge einer „Parallelbiographie“ beste-
hen. Hierzu KEMP, Wolfgang: Parallelismus als Formprinzip.
Zum Bibelfenster der Dreikönigskapelle des Kölner Doms.
In: Kölner Domblatt, 56, 1991, S. 259-294, bes. S. 277f. Auf
solche architektonisch bedingten Wandlungen hatte bereits
Rüdiger Becksmann aufmerksam gemacht. BECKSMANN,
Rüdiger: Architekturbedingte Wandlungen in der deutschen
Glasmalerei des 13- Jahrhunderts. In: Akten des 10. Internatio-
nalen Colloquiums des Corpus Vitrearum Medii Aevi. Stuttgart
1977, S. 19f.; BECKSMANN, Rüdiger: Raum, Licht, Farbe.
Überlegungen zur Glasmalerei in staufischer Zeit. In: Die Zeit
der Staufer : Geschichte — Kunst — Kultur. [Kat. Ausst] Hrsg.
Reiner HAUSSHERR. Bd. V / Supplement : Vorträge und
Forschungen. Stuttgart 1979, S. 107-130, bes. S. 124-128.
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