12. Straßburg, Synagoge vom Südquerhausportal, um 1230, Frauen-
hausmuseum. Foto: Corpus Vitrearum Freiburg im Breisgau.
Besiegelung des Neuen Bundes durch die unmittel-
bar darüber angeordnete Vermählung von Christus
und Maria sogar ein Erlösungsangebot gemacht. Da
die beiden Marburger Figuren der Ekklesia und Sy-
nagoge das Straßburger Vorbild bis zu formalen De-
tails hin zitieren, könnten in Marburg übrigens dur-
chaus Anregungen des Straßburger Südquerhaus-
programms verarbeitet worden sein {Abb. 12, 13].
Dass ein solches Figurenprogramm, wie es in bei-
den Fensterzonen ausgebreitet war, dabei mehr an
die Apsismosaikdekoration sizilisch-normannischer
Bauten wie Cefalü oder Monreale als an gleichzeitige
französische Kathedralverglasungen erinnert, liegt zu
einem Teil an der Wahl byzantinischer Vorlagen, die
den Glasmalern zur Verfügung gestanden haben
müssen [Abb. 14]. Ein klassisches Figurenideal war
jedenfalls tonangebend, denn jene unnatürliche Deh-
nung der Figuren, die auf französischem Boden häu-
fig zu beobachten ist, um sie in die schlanken Lanzet-
ten flächenfüllend einzupassen, ist hier ganz vermie-
den [Abb. 15].7 In Marburg füllt man dagegen die
Restfläche mit soliden Architekturbekrönungen. Selbst
in der zeitgleichen französischen Glasmalerei lassen
sich hierfür nur schwer Beispiele finden; die Rahmun-
gen fallen dort meist atektonischer und fragiler aus
und erinnern bisweilen an das dekorative Beiwerk der
Buchmalerei. In Marburg arrangieren sich die monu-
mentalen Standfigurengruppen problemlos mit dem
verfügbaren Platz, an keiner Stelle werden sie von
der schweren Gehäusearchitektur bedrängt. Wo nö-
tig, überschneiden die volumenbildenden Gewänder
die Tabernakel, so dass die Figuren den Eindruck
erwecken, als stünden sie unmittelbar vor der sie hin-
terfangenen Architektur.
Bei der Auswahl der Architekturen haben die Ent-
werfer jeweils zwei selbständige Rahmenformen aus
ihrem Formenrepertoire herausgegriffen, sie überei-
nander gesetzt und zugleich ein wenig ineinander
geschoben [vgl. Abb. 3]- Die Säulenbasen der obe-
ren Figurengruppen nutzen so ganz unkompliziert
die Bekrönungen der unteren Figuren als Auflager,
es entstehen jedoch an diesen Schnittstellen, wie im
Ekklesia-Synagoge-Fenster, Unschärfen bezüglich der
7 Zur Entwicklung des Standfigurenfensters und der Architek-
turformen in Nordfrankreich vgl. BUGSLAG, James: Antique
Models, Architectural Drafting and Pictural Space : Canopies in
Northern French Stained Glass 1200-1350. Ungedruckte phil.
Diss. Universität East Anglia, Canada 1991.
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