Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 37.2004

DOI Heft:
Nr. 1-2
DOI Artikel:
Schröder, Jochen: Das Eckige muss ins Runde: Das Horizontale Vesperbild als "Suche nach dem Kanon"
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51710#0066
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

20. Pietà aus Bratislava, Franzis-
kanerkloster: zentrale Draperie.
Foto: Juraj Žáry.

der BinnenfornT. Den Antagonismus von Faltentrau-
be und Stangenfalten, welche die Lotrechte eines fest
aufgestellten Unterschenkels nachvollziehen, demon-
strierte - im Gegensinn - auch die Breslauer Pietà
aus der Magdalenenkirche: Mit ihren teils sehr steil
geführten Ösensäumen und der ebenso steil in die
zentrale Schüsselfalte eingreifenden Saumlinie vermit-
telt sie in der Komposition der Draperie zwischen der
Prager und der Brünner Pietà, wobei die zentrale Si-
chelfalte der ersteren durch eine zum steilen Dreieck
verbreiterte Stangenfalte mit halbmondförmigem
Unterzug substituiert ist.
Die Pietà aus Landshut-Seligenthal schließlich
{Abb. 19] demonstriert durch einen extrem angeho-
benen Schürzensaum die Hohlform zwischen ihm und
dem von links her umknickenden Faltenzug und ver-
setzt zugleich durch seine schräge, rechtslastige
Führung die Draperie in eine nach links weisende
Bewegung, welche dem extremen Gestus der vorne
zum Nacken Christi geführten Hand korrespondiert
— beides eine stilistisch fortgeschrittene Variante.
Unter Verzicht auf den Schürzensaum zeigt die Pie-

51 Die Zusammenhänge dieses beidseitigen Faltenflügels mit der
analogen Entwicklung in der Standfigur (idealtypisch an der
Krumauer Madonna, mit Einsicht in einen Ösensaum z.B. an

tà aus Tschechisch Krumau [Abb. 22] bei demon-
strativ über der Fußspitze lotrecht gesetzter Falten-
traube (einer Art Eckpfeiler der Faltenkomposition)
ebenfalls eine deutliche, mit der Wendung des Ma-
rienkörpers korrespondierende Verschiebung der ge-
samten Draperie in Richtung des Christuskopfes. Die
vereinheitlichende Tendenz der Werke aus Landshut-
Seligenthal und Tschechisch Krumau fasst somit erst-
mals die vordem getrennten Entwurfsaufgaben von
Gestik und Draperie zusammen. Die fortschrittlich-
ste Draperie zeigt zweifellos die Pietà aus Bad Mer-
gentheim [Abb. 23], deren vom linken Knie Mariens
herabfallende, in einer symmetrischen Drillingsöse den
Blick auf das dahinterliegende Untergewand freige-
bende Faltentraube einen nach beiden Seiten sanft aus-
schwingenden Faltenflügel entwickelt.54 Das Motiv
belegt eine systematische Auseinandersetzung mit der
zu den Füßen Christi hinziehenden Faltenbahn und
deren symmetrischer Ergänzung, wie sie an anderen
Beispielen (an der Pietà aus Marburg oder jener aus
Kirchheim im Ries ohne, an der Badener Pietà mit
Entwicklung eines zweiten, linksseitigen Plinthenausle-
der Dorothea im Freskenzyklus der Judenburger Magdale-
nenkirche) sind bislang nicht untersucht.

60
 
Annotationen