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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 14.2003

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[Rozprawy]
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Woldt, Isabella: Lord Shaftesbury und die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.28200#0119
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ISABELLA WOLDT

nur nach der Plastik eingeordnet werden. So ist Zeuxis in der Geschichte
der antiken Kunst vor Apelles zu sehen.
In der Wiege der freien Kiinste im antiken Griechenland sei es auch
die Bildhauerei, die ais „Mutterkunst der Malerei” zu bezeichnen sei48.
Sie erscheint Shaftesbury weniger mechanisch ais die Malerei jener
Epoche, vor allem weil die Werke direkt fur die Tempel ais Statuen von
Góttern, Heroen, Patrioten, Herrschern und Vorfahren geschaffen
wurden, was bedeutet, daB sie einen reflektiven Anspruch hatten und im
Gegensatz zur Malerei nicht zum bloBen Vergniigen und zu schóner Kon-
templation gedacht waren49. Die wahren antiken Figuren sollten unter-
dessen einen tiefen, strengen und ekstatischen, keinen liisternen oder
verschlafenen Ausdruck haben, besonders die Kópfe oder Biisten der
Bacchanten. Hier beruft sich Shaftesbury auf die Abbildungen in Leonar-
do Agostinos Gemmae et Sculpturae antiąuae50 (Abb. 9)51.
Obwohl die im Manuskript erhaltenen Ausfuhrungen iiber die
antiken Meister bruchstiickhaft sind, ist Shaftesburys Wissen dariiber
nicht geringzuschatzen. Uber seine profunden Kenntnisse der antiken
Kunst unterrichten nicht nur die zahlreichen Zitate klassischer Quellen,
sondern auch seine Bibliothekskataloge, in denen sich eine Reihe von
Standardwerken zur antiken, vor allem griechisch-romischen Kunst be-
48 SE, 1,5, S. 208. Johannes Dobai meint, daB Shaftesburys Betonung der „plastic art”
(bildende Kiinste) die Vormachtstellung der skulpturalen Form im 18. Jahrhundert
andeute, ohne daB eine eigene Theorie der Skulptur entstanden ware. Der Grund dafur
liege darin, daB viele Aspekte einer Theorie der Plastik sich aufgrund der doch weit ver-
breiteten These von Galileo Galilei, die optische Wahrnehmung der haptischen Form bilde
die Grundlage des asthetischen Effekts des Kunstwerkes, sich nicht weiterentwickelt
hatten (J. Dobai, Die Kunstliteratur des Klassizismus und der Romantik in England.
1700-1750, Bd. 1, Bern 1974, S. 72 f.). Ob Shaftesbury diese Meinung ebenso vertrat, ist
nicht sicher, denn er meint zwar, daB die Plastik die „Mutterkunst” der Malerei sei, aber
eigentlich weniger aufgrund der haptischen Form, sondern wegen der Rolle der Zeichnung
in beiden Kunstformen, und es ist ja die Malerei, die von Shaftesbury am hochsten ge-
schatzt wird. Die visuelle Wahrnehmung ist fur den Philosophen ein unabdingbarer Teil
des Kunstverstandnisses. Dies fiihrt er besonders im Rahmen seiner Abhandlung iiber das
Historienbild in der Notion aus, vor allem in bezug auf die Idee der Betrachtung des Dar-
stellungsgegenstandes. Die haptische Form des Werkes spielt dabei eine wesentliche
Rolle, da Shaftesbury iiberlegt, wie er die zeitlichen und raumlichen Dimensionen eines
Geschehens in dem begrenzten zweidimensionalen Medium eines Tafelgemaldes realisie-
ren kann (vgl. dazu Characteristicks, III, S. 348 f.).
49 SE, 1,5, S. 208.
50 L. Augustinus, Gemmae et Sculpturae antiąuae, 1694. Vgl. dazu auch Shaftesbu-
rys Buchersammlung uber Numismatik und Medaillenkunst in Public Record Office
(PRO) 30/24/26/1; Catalogus Librorum Numismaticum. Der Katalog weist aber kein Buch
mit dem o. g. Titel von Augustinus aus, sondern lediglich in Filippo Parutas Sicilia des-
critta eon medaglie eine Zugabe von Leonard Augustinus.
51 SE, 1,5, S. 207
 
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