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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 14.2003

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[Rozprawy]
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Woldt, Isabella: Lord Shaftesbury und die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.28200#0148
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LORD SHAFTESBURY UND DIE KUNSTLER

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Xenophon, der andere Platon. Beide wurden sie ais antike Philosophen
von Shaftesbury verehrt - zusammen mit Epiktet und Marc Aurel sind
es fur Shaftesbury die wichtigsten Autoren. Ein drittes Buch119 halt der
Portratierte in seiner linken Hand, die er an der Brust (am Herzen?) im
Ausschnitt des Gewandes ruhen laBt. Dariiber erstreckt sich ein kasta-
nienbrauner Vorhang120. Rechts im Hintergrund ist ein Durchgang, der
nach auBen fiihrt, zu sehen. Von dort tritt eine weitere mannliche Person
in den Raum. Sie schaut zu Shaftesbury hin und zeigt mit der linken
Hand zur Tur hinaus. Simon Gribelins Kupferstich nach dem Gemalde
(Abb. 25), publiziert ais Frontispiz in der zweiten Ausgabe der Charac-
teristicks, laBt diese schwer zu identifizierende Person weg. Um wen
handelt es sich bei dieser Person, die nahezu die Halfte des ganzen Ge-
maldes in Anspruch nimmt, die den Portratierten - obwohl selbst im
Vordergrund - damit doch an die Seite schiebt und die schlieBlich spater
um 1712 auf dem Stich nicht mehr erscheint? Die Forschung meint, es
handele sich dabei um einen Diener121. Dafiir wiirde auch der liber seinen
rechten Arm geworfene rot-braune kostbare Mantel - wohl fur Shaftes-
bury, den Herren des Hauses, zum Ausgang gedacht - sprechen. Sollte
der „Diener” der Ausdruck von Shaftesburys offentlichem Verantwor-
tungsbewuBtsein im Sinne des herrschenden englischen christlich-
stoischen Ideals sein?122 Angesichts der Tatsache, daB Shaftesbury sich
den Kategorien jeglicher Konventionen entziehen wollte und diese kriti-
sierte, erscheint diese Meinung wenig glaubhaft, auch wenn man das po-
litische Engagement des Philosophen in diesen Jahren beachtet. Die

119 In der Forschung (Hinweis: Friedrich A. Uehlein: Leiter der Shaftesbury-For-
schungsstelle in Erlangen, Deutschland) wird vermutet, daJ3 es sich hier um eine kleine
Ausgabe von Epiktet handelt, die sich in Shaftesburys Besitz befand. David Leatherbar-
row vermutet hier jedoch die Werke von Marc Aurel (vgl. D. Leatherbarrow, Character,
Geometry and Perspectiue: the Third Earl of Shaftesburys Principles of Garden Design,
(in:) „Journal of Garden History” 4 (1984), S. 339 [Leatherbarrow 1984]).
120 David Mannings meint, wahrend die beiden Biicher auf der Ablage den allgemei-
nen Zugang zur sokratischen Philosophie boten, symbolisiere das kleine Buch, welches
Shaftesbury in seiner Hand halt, des Philosophen - der sich ais den neuen Sokrates be-
trachtete - eigenen Beitrag zur Bildung (D. Mannings, Shaftesbury, Reynolds and the
Recooery of Portrait-Painting in Eighteenth-Century England, (in:) „Zeitschrift fur Kunst-
geschichte” 48 (1985), S. 322 [Mannings 1985]). Wie oben schon erwahnt, handelt es sich
hier moglicherweise um Epiktets Werke.
121 So M. Rogers, John Closterman: master of the Englisli Baroąue 1660-1711,
London: National Portrait Gallery, 1981, no. 15 (Rogers 1981); ders. 1983, S. 259; Man-
nings 1985, S.323.
122 Mannings 1985, S. 322 f. Reiner der Vertreter dieser Interpretation erklart
jedoch das Verschwinden des „Dieners” im Kupferstich. Wiirde man die Interpretation der
Person im Hintergrund ais Diener folgen, dann muB es einen Grund geben, warum er auf
dem Kupferstich nicht mehr erscheint.
 
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