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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 23.2012

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Rozprawy
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Kaninski, Harm-Heye: Das Wesen der Bilder vom Blick aus gedacht
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https://doi.org/10.11588/diglit.29071#0184
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182

HARM-HEYE KANINSKI

das wie ein Schlag in den Horizont des Bewusstseins einbricht“57.
Die beschriebene Störung beherbergt gleich dem Spiegelstadium eine
narzisstische Kränkung, da sich das Individuum durch einen das Ich
spaltenden Riss der eigenen Begrenztheit bewusst wird. Denn das Ob-
jekt-Ich, welches durch die Vermittlung des Anderen entsteht ist die
Grenze58 des Individuums59. Gleichzeitig bildet sich eine weitere Grenze,
durch eine sich konstituierende Differenz zwischen Sein und Sollen: die-
se äußern sich durch die Bestrebungen, des sich nun als Objekt wahr-
nehmenden Individuums, den Subjektstatus zu wiederzuerlangen. Auch
im Spiegelstadium bildet sich die Möglichkeit eines „Ideal-Ich“. Diese
Instanz strebt nach der „zukünftigen Synthese zu der das Ich tendiert,
[jener] Illusion von Einheit, auf der das ich aufgebaut ist“60 und damit
nach einer Überwindung nazistischen Kränkung einer Spaltung. Mit
dieser Funktion eines Vorbildes ist es immer auch „Signifikant (...)
der über die Position eines Subjekts in der symbolischen Ordnung
herrscht“61, womit es bereits eine Möglichkeit zur Überwindung des Im-
aginären und seiner nazistischen Täuschungen beinhaltet62.
Mit dem Symbolischen bringt Jacques Lacan eine dritte Kategorie
der menschlichen Psyche ins Spiel. Übertragen auf eine Veranschauli-
chung mit Hilfe des optischen Models benötigt dies einen weiteren Spie-
gel, um den Lacan es erweiterte: Denn „die Illusion eines“ (im Hohl-
spiegel sichtbaren) „Gesamtbildes aus Vase und Strauß kommt nur
zustande, wenn das Auge innerhalb eines bestimmten Bereichs ist...“63.
Verlässt das Auge diesen Bereich, ist kein klares, vollständiges Bild
mehr im Hohlspiegel zu erkennen. Gerade deshalb modifiziert Lacan die
Versuchsanordnung nun um einen weiteren, einen planen Spiegel, der
das Zusehende quasi perspektiviert (Abb. III). Die Ausrichtung dieses
beweglichen planen Spiegels ermöglicht es das Bild zu regulieren, bis
es aus der gewünschten Betrachterposition heraus sichtbar wird. Dabei
nimmt der plane Spiegel keinen Einfluss auf das Verhältnis von Blu-
menstrauß, Vase und den sie verbindenden Hohlspiegel; - er beeinflusst

67 A. Honneth, op.cit., S. 146.
58 Copjec sieht hierin die „Geburt des Sozialen an sich“ (vgl. J. Copjec, Der Andere,
wahrscheinlich, op.cit., S S. 85), eine Geburt, die nach Lacan allerdings in der existentia-
listischen Philosophie und besonders ihrer Rezeption verkannt wird (vgl. J. Lacan, Das
Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, op.cit., S. 69), da diese die Spaltung zu Nich-
ten trachtet.
59 J.-P. Sartre, Das Sein und das Nichts, S. 378.
60 D. Evans, op.cit., S. 140.
61 Ibidem, S. 139.
62 Dies bedeutet aber allerdings Nivellierung der Spaltung sondern etwas Anderes.
63 S. Leikert, op.cit., S. 98.
 
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