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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0111
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4.3.5. MAHI.DARSTELLUNGEN AUF SARKOPHAGDECKELN

Wenn mehr als ein Drittel der wenigen Jagdsarkophage, deren Deckel erhalten sind501, auf diesen eine
Mahldarstellung zeigt, dann scheint die Zusammenstellung dieser beiden ikonologischen Elemente program-
matisch zu sein502.

N. Himmelmann303 hat die Vermutung geäußert, daß es im Verlauf des 3.Jahrhunderts zu einer wohl
auch gedanklichen Angleichung des Klinenmahls an die Sigmamahl-Allegorie kommt. In der Tat zeigt
der Deckel aus der Praetextatkatakombe (Kat. 88, Taf. 75,1), auf dem das Klinenmahl neben der Löwenjagd
erscheint, während man mit Ausnahme des als Sonderfall zu bezeichnenden Sarkophages des Caecilius Vallianus
(Kat. 232, Taf. 41,2) sonst nur das Sigma-Mahl mit der Löwenjagd kombiniert sieht, daß jedenfalls am
Ende des 3.Jahrhunderts kein gravierender Unterschied mehr in der Aussage der beiden Mahlarten gemacht
wurde. Die Frage ist nur, was die Mahldarstellung im ikonologischen Zusammenhang eines Löwenjagdsarko-
phages aussagen sollte.

N. Himmelmann504 sieht das Sigma-Mahl als ein in sich schlüssiges Idyll aus dem bukolischen Bereich
an, das als eine »Allegorie friedlichen Glücks« verstanden wurde. In gesicherten ikonologischen Zusam-
menhängen begegnet das Sigma-Mahl aber viel früher und viel häufiger auf Sarkophagen mit der Darstellung
der Kalydonischen Jagd. Wie G. Koch 505 gezeigt hat, scheint es sich hier um eine Erfindung der Sarkophag-
bildhauer zu handeln, die vielleicht nicht ganz unabhängig ist von den Gelagedarstellungen auf dionysischen
Sarkophagen 506, obwohl bei diesen das als Sigma bezeichnete halbkreisförmige römische Speiselager nicht
begegnet. Ebenso wie die Löwenjagdszene dürfte deshalb auch das Sigma-Mahl auf den Jagdsarkophagen
von den mythologischen Vorläufern dieser Gattung abhängen. Daraus kann man noch keine Deutung der
Szene ableiten, denn auf den Meleagersarkophagen ist nicht ersichtlich, ob die Mahldarstellung über den
Sinn hinausweist, den sie als Komplettierung der Jagdszene hat. Wenn auf drei Deckelszenen von Meleagersar-
kophagen307 Oineus zu den Tafelnden eilt, um ihnen die Tat Althaias zu verkünden, dann kann es sich
nur um das an die Jagd anschließende Mahl handeln. Ein solches könnte auch auf den Sarkophagen in
San Sebastiano I (Kat. 149, Taf. 52,2) und II (Kat. 150, Taf. 74,2), in Deols (Kat. 27, Taf. 93,1) und in Ferentillo
(Kat. 29; 30, Taf. 93,3.4) gemeint sein. Dagegen spricht aber die Tatsache, daß auf dem Deckel im Museum
derPraetextat-Katakombe(Kat. 88, Taf. 75,1) anstelle des Sigma-Mahles ein Klinen-Mahl erscheint, das eher
den Eindruck einer »Privatapotheose« macht. Demnach dürfte es wahrscheinlich so sein, daß auf den Jagdsar-
kophagen im Lauf der Zeit eine Angleichung des zunächst rein szenischen Charakters des Mahles nach der
Jagd an den prospektiven Charakter des Klinen-Mahles erfolgt.

P. Bozzini508 kommt zu dem Ergebnis, daß die komplexe Entwicklung der Mahldarstellungen auf den
römischen Sarkophagen, die ihren Ausgangspunkt von der Übung des Totenmahls am Grabe nimmt, sich
im Lauf der Zeit mit tieferen Gedankenbezügen auflädt, die mit der Vorstellung eines Weiterlebens nach
dem Tod verbunden sind. Unabweislich evident wird das in keinem Fall. Im Zusammenhang mit der Deutung
der Löwenjagddarstellung auf den Sarkophagen, die die Heroisierung des Grabinhabers veranschaulichen,
gewinnt es aber an Wahrscheinlichkeit.

4.3.6. Das Problem der Kinderlöwenjagdsarkophage im Museo Nazionale Romano und in Ajaccio

Von den Sarkophagen aus der Werkstatt des Kinderlöwenjagdsarkophags in San Callisto (Kat. 101, Taf. 74,3)
sind mehr als die Hälfte der bekannten Stücke Kindersarkophage509. Es scheint sowohl für die Deutung
der Löwenjagdsarkophage als auch für die soziologische Frage nach dem Bestellerkreis dieser Sarkophaggat-
tung interessant zu sein, daß das Löwenjagdthema erst so spät, dann aber so häufig auf Kindersarkophagen
begegnet, während es von den meisten anderen Sarkophagreliefthemen auch schon früher Versionen auf
Kindersarkophagen gab510. Fragmente weiterer Sarkophage kleinen Formates, in deren Darstellung als Jäger
Kinder auftreten, sind auf Taf. 83, 10—13 zusammengestellt.

501 Vgl. Anm. 379. 506 Vgl. Matz, ASR IV 3, 328ff.

502 Natürlich kann es sich um ein einfaches ländliches Mahl nach der 507 Kochr ASR XII 6, 48ff. Nr. 128 (Rom, S. Cecilia). 73 (Basel)
Jagd handeln. Dadurch würde aber nicht erklärt, warum z.B. die und 139 (verschollen).

Figuren in der Deckelmahlszene der Sarkophage San Sebastiano 508 Bozzini (1977) 365.

(Kat. 149 Taf. 5 2,2 und Kat. 150 Taf. 74,2) puttenhafte Erscheinung 509 Kindermusensarkophag Vatikan (Wegner, ASR V 3 Nr. 139). -
haben, während die Jäger der Kastenreliefs Erwachsene sind. Würzburg (Koch, ASR XII 6 Nr. 72).- Siriofragment (Kat. 74, Taf.

Himmelmann (1973) 28. 74,i)- _ vg'- Anm. 520.

Ebenda 28. 510 Vgl. Anm. 471.

503
504
505

Koch, ASR XII 6, 48ff.

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