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Assmann, Jan
Die Gott-Mythologien der Josephsromane — Düsseldorf, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.37076#0017
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es erfordert, Gott »hervorzudenken« und mit seinem sich entwi-
ckelnden Wesen und Willen Schritt zu halten.
Diese kategorische Außerweltlichkeit Gottes macht Thomas
Mann an der Erzählung von Abrahams Gottsuche deutlich, die er
einer talmudischen Quelle entnimmt:**
Es hng damit an, daß Abram dachte, der Mutter Erde allein gebühre
Dienst und Anbetung, denn sie bringe die Früchte und erhalte das
Leben. Aber er bemerkte, daß sie Regen brauche vom Himmel. Also
sah er sich an dem Himmel um, sah die Sonne in ihrer Herrlich-
keit, Segens- und Fluchgewalt und war auf dem Punkt, sich für sie
zu entscheiden. Da jedoch ging sie unter, und er überzeugte sich,
sie könne also nicht wohl das Höchste sein. Also blickte er auf den
Mond und die Sterne — auf diese sogar mit besonderer Neigung und
Hoffnung. Wahrscheinlich war es der erste Anlaß seines Verdrusses

^ »Ehe er aber den Herrn erkannt hatte, schweifte sein Sinn suchend in der
Schöpfung umher, und er sprach: Wie lange wollen wir noch unserer Hände
Werk anbeten? Es gebührt keinem Ding der Dienst und die Anbetung, als wie
nur der Erde allein, denn sie bringt Früchte hervor, und sie erhält unser Leben.
Da aber Abraham sah, daß die Erde des Regens bedarf und daß, wenn die
Himmel sich nicht auftun und die Erde nicht tränken, keine Frucht aus ihr
sproßt, sprach er: Nein, dem Himmel allein wird die Anbetung gebühren. Da
begann er nach der Sonne zu schauen und er sah, wie sie der Weit Licht gibt,
und wie durch sie die Gewächse gedeihen; da sprach er: Wahrlich, der Sonne
allein gebührt die Anbetung. Als er aber ihren Untergang gewahrte, sprach
er: Diese kann nicht gut ein Gott sein. Also hng er von neuem an und sah
nach dem Mond und nach den Sternen, welche Himmelslichter in der Nacht
scheinen. Und er sprach: Diese hier sind es, die man anbeten sollte. Da aber der
Morgenstern aufging, verschwanden sie alle, und Abraham sprach: Nein, auch
diese sind keine Götter! Es bekümmerte ihn, und er dachte: Hätten die keinen
Führer über sich, wie könnte da das eine untergehen und das andere aufgehen?«
(Micha Josef bin Gorion: Die Sagen der Juden, II Erzväter, Frankfurt/M. 1914,
Nr. 10.3, S. 92.).

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