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Assmann, Jan
Die Gott-Mythologien der Josephsromane — Düsseldorf, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.37076#0025
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In gleicher Weise versuchten auch antike und nachantike Den-
ker in der Tradition des Platonismus Heidentum und Christen-
tum zu verbinden. Jamblich verlegt diesen Dualismus in den
Menschen und unterscheidet zwei Seelen: eine mythische, wie
wir sagen würden, und eine monotheistische. Die eine Seele
ist den EinEüssen der Sterne unterworfen, die andere vermag
mit der göttlichen Transzendenz in Verbindung zu treten. In
der Neuzeit ist es der christliche Platonismus der Renaissance
mit seiner Konzeption einer Prisca Theologia, der eine ähnliche
Verbindung und Versöhnung heidnischer bzw. mythischer und
christlicher bzw. monotheistischer Weitsicht anstrebt. In dieser
Tradition steht Thomas Manns Theologie, auch wenn sie bei ihm
nur noch im Späthorizont ironischer Brechung und poetologi-
scher Allegorie erscheint.
Sowohl Mythos als auch Monotheismus waren für Mann säku-
larisierungsfähige Konzepte, die sich leicht in moderne, nach-
christliche Verhältnisse übersetzen ließen. Die moderne Form
eines Lebens im Mythos ist für Thomas Mann das Leben des
Künstlers, der in den Spuren uralter Traditionen geht und die
Quellen seiner Kreativität aus dem Unbewußten bezieht. Seine
Beziehung zum Unbewußten ist nicht kolonisatorisch wie bei
Freud (»Wo Es war, soll Ich werden« — die Trockenlegung der
Zuider See), sondern eher exploitatorisch: Das Unbewußte ist
für ihn eine Ressource künstlerischen Schaffens. Die moderne
Form religiöser »Aufmerksamkeit« würde sich für Mann wohl
im Abscheu gegen das »Uberständige«, Zurückgebliebene, Gest-
rige äußern, für das ihm der Faschismus die deutlichsten Bei-
spiele lieferte. Es gilt, Schritt zu halten mit dem Fortschritt des
Geistes.
In dem Kapitel »Das bunte Kleid« Endet Mann zwei wunder-
bare Allegorien für diese beiden Prinzipien oder Bewußtseinsfor-
men, die wir hier als Mythos und Monotheismus kennzeichnen,

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