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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Sankt Georgen aus dem Schwarzwalde
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0237
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tjgen Herrn seine Größe erreicht; denn die göttliche Gnade wollte ihm
keine höhere Erhebung, nicht einmal sein ferneres Daseyn gönnen."
Es kam die erschütternde Zeit der französischen Staatsnmwälzung,
es kamen die Gefahren und Bedrängnisse des französischen Kriegs;
das achtzehnte Jahrhundert ging unter den Vorzeichen großer Ver-
änderungen zu Ende, und das zweite Jahrfünft des neunzehnten fand
eine neue Welt! Ju diesen verhängnißvollen Tagen, da wirtem-
bergische Kommissarien das Wappen ihres Königs an die Thore von
Villingen geschlagen, da die Stadt noch voll Aufregung über ihre
Besitznahme war, lebte man auch im Kloster voll furchtsamer Erwartung
des unabwendbaren Schicksals, und mit gepreßtem Herzen versammelten
sich die Konventualen zur Tafel. Am audern Abende nach der An-
kunft der Kommissäre, am sechsten Jänner achtzehnhundert und sechs,
als das Nachtessen geendet war, erhob sich der damalige Archivar
Pater Zölestin von seinem Stuhle, und hielt mit feierlichem Anstand
eine kurze Rede, welcher ich einen Raum in diesen Blättern nicht
versagen kann.
„Geliebteste Mitbrüder", sprach er, „heute sind es gerade zwei-
hundert und siebenzig Jahre, da Jos Münch von Rosenfeld als
wirtembergischer Kommissär die Abtei Sankt Georgen auf dem
Wald<, unser Stamm-Gotteshaus, unter dem Abte Johann in Besitz
nahm. Man brauchte militärische Gewalt, und unsere Vorfahren
mußten ohne Hilfe, selbst des Nothwendigsten beraubt, oder wie die
Klosterchrouik sich ausdrückt: ohne Gefieder und Gelieger, im Schnee-
gestöber entfliehen. Allein ihre Standhaftigkeit und ihr brüderliches
Zusammenhalten brachte es dahin, daß Sankt Georgen hier in
Villingen von Neuem aufblühte, und noch bis jetzo mit Ruhm und
Segen bestand. Wahrlich, jene Männer, unsere Väter, sind es wür-
dig, daß wir, ihre Söhne, in ähnliche Umstände versetzt, auch ihre
Standhaftigkeit und Bruderliebe zur Nachahmung wählen und feier-
licher als jemals ihr Andenken begehen." Hier hemmte der Drang
der Empfindung die Worte des Redners; er wischte sich eine Thräne
aus dem Auge, füllte dann aber seinen Becher, hob ihn gegen die
Versammlung und fnhr fort: „Auf, geliebte Mitbrüder, folgt meinem
Beispiele. Es leben in unserem Herzen die Stifter und Fortpflanzer
Sankt Georgens, unsere Vorfahrer und Väter!" Hier erhoben sich
Alle, stießen an und tranken mit doppelt bewegter Brnst. Der Redner
aber schloß: „Möchten diese verklärten Väter von deö Höhe ihrer
Vollendung gnädig herabsehen auf ihre bedrängten Söhne, und uns
 
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