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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 19.1951

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Nesselhauf, Herbert: Die Besiedlung der Oberrheinlande in römischer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.43771#0077
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Die Besiedlung der Oberrheinlande in römischer Zeit

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Die Besiedlung der Oberrheinlande in römischer Zeit*
Das Thema, mit dem sich die folgenden Seiten befassen, erfreut sich seit langem
eines sehr regen Interesses, das seinen Niederschlag in einer immensen Literatur nicht
nur wissenschaftlichen Charakters gefunden hat. Es ist viel Scharfsinn und viel Phantasie
aufgewandt worden, und doch läßt sich nicht sagen, daß die Nebel sich allmählich ge-
lichtet hätten. Man hat im Gegenteil den Eindruck, daß die Hypothesenschwaden immer
dichter und undurchdringlicher werden. Das liegt nicht oder nicht nur an denen, die sich
um die Erhellung bemühen, sondern auch daran, wie sich der Gegenstand selbst uns dar-
bietet. Einmal sind uns nur wenig sichere Anhaltspunkte gegeben für die Rekonstruktion
der Zustände und Vorgänge, nach denen wir fragen. Umso größer ist die Zahl der mög-
lichen Kombinationen und Deutungen. Sodann besteht keineswegs Einmütigkeit darüber,
was als sicherer Anhaltspunkt zu gelten hat. In dem begreiflichen Bestreben, zu Resul-
taten zu gelangen, nimmt man, was sich bietet, ohne sich durch die unbequeme Frage
nach dem Grad der Sicherheit allzu sehr beunruhigen zu lassen. Die Tragfähigkeit des
Fundaments steht dann freilich nicht immer im richtigen Verhältnis zu der Größe der
über ihm errichteten Konstruktion, aber darüber kann man sich und andere täuschen,
weil bei dem Material, mit dem wir bauen, solche Konstruktionen nicht von selbst ein-
zustürzen pflegen. Schließlich kommt erschwerend hinzu die ungleichartige Beschaffen-
heit dessen, was uns an Quellen zur Verfügung steht: Bodenfunde, Orts-, Personen- und
Völkernamen, Inschriften und literarische Überlieferung. Jede dieser Dokumenten-
gattungen legt auf ihre Weise Zeugnis ab, keine kann für sich allein volle und restlose
Aufklärung bringen. Dies verbietet der fragmentarische Erhaltungszustand und für die
sprachlich nicht dokumentierte Überlieferung im besonderen die Art des Materials, das
nicht differenziert und bezeichnend genug ist. Man sieht sich also auf die Kombination
der verschiedenartigen Zeugnisse angewiesen, und dies führt normalerweise zu vor-
schnellen und vagen Synthesen, weil bei der Spezialisierung innerhalb der Wissenschaft
ein einzelner kaum in der Lage ist, alle hier einschlägigen Diszplinen so zu beherrschen
und methodisch so behutsam zu handhaben, wie es erforderlich ist, damit eine allseitig
fundierte Gesamtanschauung entsteht.
Um aus dem nachgerade unerträglichen Wirrwarr herauszukommen, empfiehlt sich,
wie mir scheint, das folgende Verfahren: von den einzelnen Disziplinen her den jewei-
ligen Quellenbefund klar zu legen, seinen Aussagewert kritisch zu prüfen und, soweit
dies möglich ist, ein Gesamtbild zu entwerfen. Erst wenn dies in jedem dieser Bereiche
für sich und unabhängig geschehen ist, dann sollte die Synthese versucht werden im
Zusammenwirken der verschiedenen Disziplinen und in der gemeinsamen Erörterung

* Der Aufsatz gibt in erweiterter Form Gedanken wieder, die der Verfasser anläßlich der
Jahrestagung des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumskunde am 1. Juni 1950 in
Freiburg vorgetragen hat. Geplant ist ein ergänzender Beitrag, in dem die epigraphische Über-
lieferung im Hinblick auf die Besiedlung der Oberrheinlande geprüft werden soll.
 
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