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Badische Kunst: Jahrbuch d. Vereinigung Heimatliche Kunstpflege, Karlsruhe — 2.1904

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Krone-Wörner, Pauline: Unterlegen!
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https://doi.org/10.11588/diglit.52693#0102
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88 wie heute, allein zu treffen. Und wenn es geschah, was hatte es ihm geholfen! Ihr reines, gerades
Wesen bannte die Gespenster, die durch graue weltabgeschiedene Stunden zu schleichen pflegen.
— Immer höher kroch das Dunkel den Berg herauf. Die Rheinnebel kamen. Das Nichts war
nahe. Nur der Abendstern stand funkelnd und zitternd am Firmament. In einem geisterhaften
stillen Glanze schimmerte er auf die kleine Erde und ihre Leiden herunter. Die Nacht legte
sich übers Breisgau und das elsässische Grenzgebiet. In ihrem Grauen schien das ganze
Rundbild sich noch einmal zu vergrößern und ins Grenzenlose, Unermeßliche zu verschwimmen.
Wie traulich glühende kleine Punkte zuckten die Lichter der zeitverschlafenen Stadt Burkheim.
„Wir wollen gehen!“ sagte Veronika.
Die Worte weckten den Burschen. Er kehrte zur Wirklichkeit zurück, die stille Stunde der
Höhenschau war vorüber.
„Du tugendhafte gehorsame Tochter, gib mir einen Abschiedskuß. Daß Du’s weißt, ich wandere
aus, wenn Du mich nicht nimmst. Außer Dir hab ich hier nichts. Meine Eltern und
Geschwister sind tot. Ich bin, wie aus dem Stein gesprungen.“
„Komm Marti“, antwortete Veronika, „da oben küßt man nicht. Aber ich weiß einen Ort, der
ist für den Abschied. Zurückbleiben sollst meinetwegen nicht.“
Er warf den längst erkalteten Zigarrenstummel, den seine Finger mechanisch festgehalten, weg
und griff, während sie ihren zur Arbeit abgelegten Oberrock zunestelte und Schürze und
Kopftuch faltete, nach ihrer Hacke. Wie blitzblank — silbern die funkelte. „Ja“, mußte er
denken, „die Vren ist eine Fleißige, Starke. Bei Faulen, Zimperlichen glänzt kein Geschirr. Vom
Draufhauen wird es hell und mit einem Maitli, die das kann, ist der Mann, der sie kriegt,
besorgt.“ „Horch!“ sagte er in heißem Flüstern, „horch Vren, ist es denn menschenunmöglich,
daß Du mich heiratest?“
„Ja und nein, Marti. Nicht aus bloßer Folgsamkeit gegen den Vater sag ich Dir ab. Ich sehe
ein, daß Du genug für uns verdienen mußt. Wenn Du das nicht kannst, stehst nicht oben an
mir. Ich mag keinen Garnichts, der sich von uns verhalten läßt . .
Der Bursche fuhr auf. „Du sagst mir deutsch, für was Du mich haltest! Er wandte sich, um
von dem schmalen Fußpfad, den sie zusammen abwärts gingen, hinein zu schlüpfen in die
angrenzenden Reben.
Ohne Aufregung mit einer ganz selbstverständlichen Bewegung, hielt sie ihn zurück. „Ich
mein’ nicht, daß Du schon ein Schuhlumpen bist, nur damit Du keinen gibst, tu ich den Mund
auf. Du hast jetzt gar keinen Eifer mehr so oder so zu sein, bloß den einzigen Eifer, mich
zu heiraten. Drum schaffst hier und da, was es so gibt, anstatt daß Du den Charakter
pflanzest: ich bin Schlosser, Handwerksmann, ich kann mehr als Schollenpuffen.“
„Das sind von Dir lauter nachgeahmte Manieren und Faxen!“ murrte Martin, „aus Dir redet
der Schiffer-Doegg, der gilt von jeher für einen Besonderen. Es wohnen in Burkheim genug
Schlosser. Ich bekam schwerlich Kundschaft. Wenn ich aber fortgeh, kommst Du mit? Läßt
Dich der Vater?
 
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