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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 228-254 (1. Oktober 1919 - 31. Oktober 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3728#0286
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tigt. Jn Vcrsailles haben die Bcschlüsse der
Londoner Konferenz triumphiert, nicht die
Theorieen Wilsons.

Die Kapitel über Brest-Litowsk und
den Frieden von Bukarest sind literarisch
nicht auf der Höhe der iiörlgen. Besonders er-
stcres verliert durch dic tagebuchartige Darstel-
lung. Der frische, hinreistende Stil, der das
Buch sonst charakterisiert, wird hier vermißt.
Abcr aus beiden Kapireln geht eine klare Schil-
derung der Zwangslage hervor, in der sich
Oeflereich-Ungarn besand. Die Frieden mutz-
ten rasch gemacht werden, um an der Westfront
die Entscheidung zu erzwingen.

Und dann steNt Czernin seine Prognose
für die Zukunft:

.,Versailles ist kein Ende des Krieges, es ist
nllr eine Phase. Der Krieg geht weiter, wenn
auch in veränderter Form. Zch glaube, datz
kommende Generationen das große Drame, das
scit fünf Zahren dre SLelt beherrscht, gar nicht
den Weltkrieg ncnnen werden, sondern die
Weltrevolution und wisscn werden, daß
diese Weltrevolution nur mit dem Weltkrieg
begonnen hat.

Weder Vcrsailles noch Saint Germain wer-
den ein dauerndes Werk schaffen. Zn diesem
Frieden liegt der zersetzende Kcim des
Todes. Die Krämpfe, die Europa schütteln,
sind noch nicht im Abnehmcn. Wie bci einem
gewaltigen Eroöeben dauert das nnterirdiiche
GioUcn an. Zmmer wieder mird stch bald hier,
bald dort die Erde öffnen und Fcuer gegen den
Himmel fchleudern, immer wieder werden Er-
eignisse elementarer Gewalt verheerend über die
Uänder stürmen, bis alles hinweggefegt ist,
was an den Wahnsinn dicses K^eges und den
franzofischen Frieden elinnert.

Langsam, unLer unsaglichen Qualen, wird
eine ucue Welt geboren wccden. Die kommen-
dcn Eeneralionen nerden zu:ücküircken auf un-
sere Zeit, wie auf einen langcn bösen Traum,
aber der schwärzesten Nacht folgt cinmal der
Tag. Generationen stnd in das Grab gesunken,
ermordet, verhungert, der Krankhelt erlegen.
Millionen stnd gesiorben in dem. Bestreben zu
vcrnichten, zu zsrstören, Haß und Mord im Her-
zen. Aöer andere Genera'-ioneu erstehen und
mit ihnen ein neuer Eeist. Sie werden auf-
bauen, was Krieg und R..'wl::l'on zersiöct ha-
ben. Zedem Winter iolgt der Frühling. Auih
das ist ein ewiges Eesetz im Kreislauf des Lc-
bens, daß d^sen Tod die Auferstehung folgt.

Wohl denen, die berufen sein werden, al-
EoldatenderArbeit die neue Welt mit
aufzubauen."

Französtsche Rachgier

Das Pariser Kriegsgericht fällte segen dis Per-
sonen, die an !der Redaktion oder Derwaltung der
^Gazete des Ardennes" teilgenommen
haiben, wesen Einverständnisfes mit dem Feiiüre,
das Urtsil und oerurteilte die Leutnants Herwsgh
unid Henry Leverne zum Tode, Nasse und de la
Fontaine zu stebenjähril-er Zwangsarboit. Nablise,
Du Bois, Fovrillez und Lefers, svwte die Frauen
Nvonne Diez und Georgette Levers, zu o Zahren
Arvanssarbeit. Hienru de Eronckel rvurde in contu-
nvatinm zum Tade verurteilt. Louis Boucher und
Frau Bechtel rvurden froigeisprochsn.

* Köni- Alfon« von Sprnien ist in PariH
eingetroffen.

* Haases Zuftand. Nachdem sich der Abg. Hae',

oestern einer neuen Operation unterziehcn
mutzte, wird sein Zustand als bedenklich ang 4
sehen. !

Erste öffentliche Sitzung des
Untersuchungs-Ausfchusses

Der zmeite Unterauslichutz des parlamentarischen
Untersuchunvs-Ausschusses. der über die
Vorgänge var und während des Krieges Aufklä-
rung herheifiihren isoll, ist heuto vormittag i-m
Saal t des Reichstagsgebäudes zu setner ersten öf-
fentlichen Sitzung zuKinMengetvetqn.

Den Dorsitz d^s Zlusjchuffes sAhrt das Mitglieid
der Deutschnationalen Vblkspartei, Abg. War-
muth, von Beruf Landgerichtsdirektor. sein Stell-
verlveter ist der bemokvatrsck>e Abgcordnete und
frÄ-ere ReichSlchatjminister Gothein. Das
Schriftführeramt liegt in den Händen Ides Zen-
trumsabgeordneten Zoos. Mitglieder des Aus-
schuffes sind ferner: der mehrheitssozialistische Ab-
goordnete Sinzheimer und der unabhänsig-
sozialistische Abgeordnete Dr. Oskar Cohn, die
mchcheitssGialiftische Abgeovdnele Frau Pruelf
und idias Mitglied der dmnokraEischen Fraktion
Profeffor Dr. Walter Schücking. Bon politi-
schen Persönlichkeitcn stcht man dcn fruheren
Reichskan;ler Beth-.nann Hollweg, ferner
den früheren stellvertretenden Retchskanzler Dr.
Helfferich. Am Zeugentisch nrmmr der frühere
Botschafi-'r in Wafhington. Graf Bernstorfs,
Platz. Die Reichsämler hcrben mehrere Beamte
entzandt.

Vorsitzender Landgerichtsdircktor Warmulh
«röffnet die Sitzung mit einer Ansprache, in dirr
er zunächst die Aufgaben des Ausschuffes fornm-
liert und dann an die Preffe appelliert. mit ihrem
Urteil über die Vechandlungen zurückzuhalten. bis
di-e Dsu^isaufnahme über jeden Veweispunkt völ-
li« erschöpft wäre, dann erst laffe stch cin Urteil
sällen. DerUnterausjchutz hat Tatsachen fcstznstol-
len, aber cem Schlutznrteil abzugciben. Ein Urteil
zu fallen. insofern stch Materml vielleicht für eine
bestimntte Pevsönlichkeit ergibt. wird lediglich
Sachs ws Staatsgerichtshoses sein, sofcrn
ein solcher gebildet werden wird.

SodMn wurden d'ie Sachverständigen Prof.
Hoetzsch, Pros. Vonn und Profcssor Schäfer
vereidigt. Darauf fvlgte Dr. Sinzheimer mit
seinem Nefcrat über im wesentlichen bekannte
Dingr wührend de§ Krieges.

Es werden dann rveiter die Z nstr u L t i o n en
verlescn, bie dem dentschen Botichafter in WaHiNg-
ton am 18. August 1910 mitgeteill wurden, wonach
dio Leutsche Regierung etklärt. dast ste gern bereit
sei, die Vermittlnng des P r äs i d'o n 1 en
airzunrhmen und eine entsprechende Tätigkoit des
Präsident^n nachdrücklichist ermutigt werde-n soll,
dast wir uns aber nicht zu irgend welchen kon-
treten Dedingungen verpflichten können.

Graf Vernstorff: Nach diesen Znstruktionen, de-
ren Jnhalt ick, d?m Oberst House mitgetoilt habe,
stoht fest. dast die Vermittlung Wilsons jetzt un-
möglich und daher au.f4eschoben wäre. weil infolge
des Eintritts Rumäniens in den lvrieg die En-
tente völlig siegesgowist gsworden ware. und Wil-
son dahcr abhatten würde. Graf Vernstorff er-
klärte später noch: Wichtig schßsn ihm in diesem
Züsämmenhang auch ein Memorandüm zu sein,
das vom Kaiser selbst geschrleben und das
Gerard nach Amerika mitgegeben werden sollte. als
er auf Ilrlcrub dorthin fuhr. Nach seinen Erinne-
i-ungen habe gerade dieses Meinorandum in Ame-
rika den tiefsten Eiudruck gemacht Es ist datirrt
vam 9. Oktober und gcstützt aus die Unterredun«.
bi>? Gerard in Charleville mit dem Kaiser gshabt
hatte. Zn diesem an.Gerard gericksteten Memo-
randuin heitzt es: Ew Erzellenz habcn S. M. bei
Zhrer Ilnterredung^in Charlevillc lm Hauptquar-
tier gssagt, daß Präsident Wilson gegen Ende des
Sommers bsreit sein würde, seine guten
Di« nste anznbiete n,.nm den Frieden zu v?r-
mitteln . Die deutsche Regierung hat keinc Nach-
richt darüber, ob der Präfident an dieäer Zdee
noch festbält und hinsichtlich des Zeitpunktes, zu
dem er di!?Isen Schritt unternohmen will. Znzwi-
schen hat aber die FÄ>rung des Krieges eine salche
Fopin cmgenommen. dast die dc-utsche R-egierung
fetzt genötigt ist, Ew. Epzellenz mitzuteilen, datz
sie es für nötia halten würde. di,; boabsichtigte M-
tion des Präsidenten zu beschleunigen, damit sie
nicht zu spät eintreten wird.

Abg. Dr. Cohn: Nach ivelck>sr Nichtung hat die-
'Ǥ Dkemorandum so grotz-.n Eindruck in Amerika
gemacht?

Eraf Vernstorff: D.em amerikanischen Volk war
dieses Memorandum natürlich unbekannt, wohl

^ ^ 6rost.'n Lindruck auf die amerikani-
sche Regierung gemacht ur;d zwar insofern, als von
äb 'u Amerika die festo Uebsrzeugung ent-
Itano, dast die deutsche Regierung bereit sein
wurde. eine Vermittlung anzunehmen. M habp
bts-zul«tzt geglaubt. datz wir nicht wünschen, datz
Wilson stch M die Verhandlunaen über territoriale
Fragen einmiiche, datz wix vielmehr einer zweiten
^onfevonz zustimmten. d«e zwischcn sämtlich.-n
stattfinden solle uiid iu der über
Volkerbund. Jreryeit der »Meere. Schiedsgerichte
usw vekhändelt werden soll. während die terri-
toricrley Jragen unt-ix den KrieMhronden all-ein
aereselt werden sollen. Wilson hat nieincrls ver-
langt. <m der Friedenskonferenz teil.mnehmen. Er
hat aber geglauht, datz es nicht ohne ihn zu Frie-
denoverhandlungen kommen würdo

Ab, Katzenstein: Fst das deütsche Friedens-
Dezember von der amerikanischen
Rcmerung «ls eine^llnterstutzung oder als eine
G^älhrdung ihrer ^r-.e'üensaktion aufgefatzt wo,r-

Graf Vernstorff: Es wurde als Gefähr-
bat mir Ob:r,t House im
Auftrag dev Prasidenten gesagt. weil es als
^ uniererseits ausgelegt wurde.

B^eutsani fft dann folgende Erklärung
de s Gr«f e g D ern storff. Auch aus anderen
und Tel?grammei, von mir grht hervor,
dan Mitte November die Amr-ikaner immer auf
dom Standpunkt standm, eine Friedensverniittlung
aelmgen in einem Augenblick. wo
Leut.chland st^rk se,. Znfolg-dessen mutzte ich im-
mer wieder Einttutz üben darauf, dast bei uns we-
der :n der Presse noch von der R.-gierung irgend-
wie vom Frieden qejprochen ivurde. Denn sonst
wurdo immer eine WUsonsch- FNedensverinitjlung
ge>tört worden sein.

Abg. Dr. Sinzheimcr: llnfer Friedensangebot
vam 12. Dezemöer wrr alw als Durchtreu-
Zung der nmerikanischen Pläne anzuschen.

Eraf Bern'torff: „Durchkreuzung" möchte ich
nicht sagen, aber als Epchlwerung Zch hab: den
Ein-druck «ehabt. dast die crmerilcmische Regierung
ziemllch enttäuscht mar. weil ihr hadurch die Mög-
lichkeit, den ersten Schrit zu tun. genommen wurde

Prof. Bonn: Oberst Houc hat Zhncn g^agt.
ein deutschcs Fricdensanaebot werde als
Schwäche aufgofatzt werden?

Graf Bernstvrfs: Einmal hat er mir gesagt,
datz dile Friedensuktion Wilions dadurch gestört
würkde, diast bei dcr Entente die Ausfaffung be-
stnnde, dast wir das Friedensangvbot nichi g.imacht
haben würd-rn, wenn wir den Frleven nicht so nö-
tig brauMem^7Beweg,mctt.

Ab«. Dr. Smzhrimer: Zch stelle als Ergebnis
d'er heutigen Sitzung fcst: Haben Sie die Instruk-
tionen in de m.Sinne anfeesastt. dast Sie den Präsi-
denten Wilsvn oder den Ob:rsten House erniun -
terten oder beeinflnssen sollten. eine Frie-
densaktion zu uiis ren Gunsten zu unterneh-
men?

Craf Bernstorsf: Ia. (Vrwcgnnas.

2lbg. 'Dr. Sinzheimcr: War Wilson bereit, die-
sen Wi'mschen Ncchnung ?,u trasen?

Graf Bernslorfi: In.

Abg. Dr. Sincheimrr: W.ir inn.'rhalh diescs
Ra-Hmens, der Ihnen gcsieckt war, Wüsoii bereit.
auf eine FrwdcnSkonf'.renz mit internationaler
Grundkage einzugLheli, ccuch ohne konkrete Frie-
d-msvor'chläge unsererseits?

Eraf Bernstorff: Ia. (Bewegung).

Darcruf wird di.? Vcrnehmung abflebrochen.
Fort'etzung Mittwoch, den 22. Oktobcr, vörmittags
10 llhr. Schlust halb 1 Ahr.

niger als 240 000 Mark. der Direktor Laffen des.
plben Amtes bo.zl-cht 00 000 Mark. Diröktar
Bach 50 000 Äiart, der erste Direltor in Span^
60 000 Aiark Der Hauptverwaltcr der technffcb-n
Neichsbetriebe Dr. Katz 50 000 Akt. Als Begrün
duno für diesc utzscheuerttchen Ziffern wird meir!
kurzer Hand^angeaeben: Unter deni gcwührten Ee
halt war eist.- gcelgnctc Krajt nicht zu beschaff,»
Die hochstbezahtten Herren haiben es zu.meist no<b
verstanden, sich durch langsrWge Verträge »i
sichern." ^

Es erscheint dringend nötig, dast eine gründ-
liche Nachprüfung dcr Verhältniffe bei den
Kriogsgcsillschasten sowohl wvc bei dem Reichsver
wertungsamt eintcitt. '

* Der neue Wirderaufbauminister Dr. Eetzlcr
ist 44 Ihars alt. m Lindau gebov-m und katholj-
scher Konfession. Auf den Nürnberaer Oberbürg^-
meistcrposten wurde er 'm Iahre 1914 berufen. Er
ist einer der führenden Mänmer der !üddcuischel>
Dcmokratie.

* Ein deutsthnationaler Studentenbund. Auf ei-
nam deutzchnationalen Studententag in Derlin, auf
dem 14 Stubentengrupp-m mit runv 3000 Kttt-glie-
dern verlvtten waren, wurde nach längercr Erörtel
rung die Eründung eines Deutichn,ationalen Stu-
d?ntcnbundes unter enger Anlohnung an d,e
Dcittschnaticmale Bolkspartei befchlossen. In den
angenonlmenen Sntzilirzen h.'istt cs: Die studenti-
schen Gruppen der Deutschnatiomalen Volkspartei
schttesM sich zu einem Reichsoerband zufaminni
zur Förderung ihrer ideellen und organijatorischm
Arbeit und zur Vertretung ihrer ü.ffonderen Auf-
»aben bei der Partei, Als Namen wurde gewählt:
..Vcrband der stud-ntish.-n Ortsgruppen der
Deutschnationalen Bolkspartei."

* Schmnsgelware im Kurittgepäck. Schweize-
rische Blätter beschwcren sich darüber. hatz von
dentschsr Seite diplomatische Kurivrsen-
dungon zu S chm u g ae l se nd u n g e.n benutzt
werdcn. Vor w''nig.m Tagen habs ein „mfang-
icichcs deutsches Kuriergepäck an der Grenze A>s-
seihm erv.-igt. Es habe reichlich KOO Kg. gvwocen.
Sämtliche Kost'er, Säcks und Beutel seien mit Kas-
fce. Zisaretteii. SchÄkolade, Kcrkao und Neis crnge-
füll't gewesen. Die Sendungen seien in fertige Pa-
ftete verpackt gewest-n und unter dcm doppeltcn
Un'.schlane hätten sich die Adressen der deutschen
Empsängcr bofunden.

Deutschss Reich

Entcnte und Rcichsnotopfcr

Erzberger machte qcärnüber dem Neichs-
bürgcrrat Mitte lungcn iiber das angebliche Z u-
griffsrecht dcr Entente gegenüber dem Reichs-
notopfer. Er hält vei loyalcsr Erfüllung unserer
Verpslichtungen diesen Zugriff für ausgeschlos-
sen.

Erzüergcrs „Spdrsamkeit"

Die »Deutsch: Tagsszeitung" schreibt:

..DAe von der rsp'.Lb-ikani,chen Neaierung mit
dem Geld,.' der Steuerzahler iilng.-gangcn
wird, ergibt sich aus der setzt vorliegenden Nächl-
weisung der bei dcn NoichsbMrden auf Privat-
dienstvertrcrg Angestellten. Danach erhält der Eene-
raldiraktor dss Roichrwerwertungsamtes nicht we-

Vadischer Landtag

Erste öffentliche S.tzung
« Karlsruhe. 21. Ott.

Um 10 Uhr 40 wurde die Sitzung durch den bis-
herigen Präsidenten K o'p f eröffnet. Auf Antrag
des Abg. Dr. Schofcr lZtr.) wurden die Wahlen
dÄch Zuruf vorgenommen. Es wurdvn gewählt
als Präsident Abg. Kopf lZtr.) als Vize-
präsideiit Abg. Maier - Heidelberg tSoz.) und
als 2. Vizepräsident Abg. Muser tDemi), als
Schriftsührer die Abg«. Freiherr o. Gleichen-
stein lZtr.). Richter tSoz.), Kölblin lDem.)
und Mayer lDeutschnat.)

Minister Remmele legte den Entwurf eines Ce-
setzes über die Aenderung des Landwirtschastskam,
mcrgesotzes vor.

Bünister Dr. Wirth überre'chte eme Aufftvllung
der Beihi lfen. dtr b'sher sür die Bcamten ge-
teistet wurden.

Präsident Kopf verlas dann zahlreiche Ein-
gänge. daruntec auch die versch^edenen Gcsuch: von
Deamtenverbänden um eine Veschasfungsbsrhilfe.
Die Eesuche wurden drn vcrfchiedenen Nusschüffen
überwivsen.

Abq. Dr. Schofer fZtr) ha-t- um sofort'g,: Veant-
wortung seiner förmlichen Anfrage. in dcr die Ne-
gierung um Auskunft ersucht w-rd. aus welchen
Eründen die Ncgierung wieder di,e

Zwangsbewirtschastunq des Obstcs
eimgefiihrt habe-und darüber. was die Regierung
zu tun gedenke. damit die arme Beoölkerung mit
Obst versorgt werde. In decselben Sache hatten
auch die Soz'aldemokratische Partei und dtze De-
mokraten eine Anfrage eingereicht.

Vünister Nenimele legt dar. dast itzan in Ba-
den infolge dier Pre'stveibere! auf deni Obstmarkte
duch die Händler zur Zwangsbewirtschaft des Ob-
stes habe zurückkehren müffen. Drese werde besorgt
durch die Händ^sr zurZwM^^bewtttschaftunq dssOb-
einp Preissenkung zu emvirken. se-en Nichjpre fr

Fromm erflehet Segen euch von oben, aber
Z Hilfe schafft euch lätig wirkend selber.

, Goethe

Sonnenfinsternis

Roman von Else Stieler-Marshall
Lop^riLbt b^ Oretblein üiLo. O.m.b.tl. tteipriL 1916
(18. Fortsetzung)

Fhrem alten Pfarrer, der begann, ab und zu
in seiner Sonntagspreü»igt ettvas se-gen den AV-'r-
qlauben zu saaen... wie der ttvbe Gott allein
nach wie vor die Sonne könne scheinen laffen über
Eerechte und Unserechte und sich darin von keinem
sterblichen Menschen in das Handwerk pfuscken
Vst... hörtea sie gcduldig zu, in der gleichen
Weise wie er zu thnen redete. ruhig, freimdlich.
ohne Zoron und Eifer, mit einer Art guimütigeu
Spottes. Dann brsprachen sie untevelnander, datz
der geistliche Herr ein lieber Mtiger Herr ein lie-
ber gütiger Mensch und ein braver Seolsorger fei,
der jedoch von den wirklichen Dingen des irdischen
L:bens nicht so viel verstche. wie von seinen heili-
gen Ewigkeitsjachen.

Klin^art gh-r fast auf seinom Berge. wie ein
König sö srei und hoch, weit über den Tälern, fern
dcn Menschen... und doch von rhnen gcehrt und
gelrebt.

Dirnn di,r ihni näherkamen, geivannen ihn söhr
lieb. Das waren olle, die auf dc>i Matten an,
Hang satzen, höhcr oder tiesvr, die vom Mordhofe
der lcichlstnnige lust-ge Atte vom Windbruch drau-
tzen, das iunge Paar om Lachquell mit ^einen klei-
nen Zwillingsbubekl. Nur zu den alten Grasicr
Lr mer kamn <-inmal, sir begegneten ihnr ohne
FreundliHkeit in ihrer müden. immer schreckl;aft
glcichgültigen Weise. Und ihr vinLugiger Echn
ging ihni lwohl Ecktlich ans dem Wege, ihn hatte
er noch niemals aesöhen.

Am ver'trauiMen rvar iilim der Mordhof. der
,ihm anch räumlich am nachften lag. D-ie Menschm,
h,e darin hausten, waren ihui bald wert gomovden:

Wie die Vevkörperung altrr sckmuerlicher Sage
fchicn jhm der Bauer in sciner düstercn wortkargen

Art. Zn all seiner Finsternis lag nichts llnfreund-
liches oder Abstvtzendes. Als ein Gezeichneter
wartete er in trauriser dunkker Ergebenheit auf
ein umihwendbares unerbittLtches Gchchick.

Dex unelückliche Tor... wenn ihm zu helfen
wäre... wenn er fre: werden könnte von seinem
Wcchn, der ihn an das schauecliche Erbteil glauben
lieh. Aber ihm war nicht nahe zu kv'nmen, an die
Eefchichte seiner Ahnen, an di-s Fluchage durste
!hn niemand nrahnen... oder der schlasende Drache
in thm hub an, fick. zu rogM und Fener zu speien
... der Fluckzorn wurde lebendig.

Die sanfte Bäuerin teiltz> seinen Glauben und
wartete mit ihin, sckweigend, klaglos und in tiefem
Gram. Auch mil ihr war nicht in Vernunft dar-
über zu reden. Wenn Klingh-irt es versuchte, wurde
sie blckch wie dcr Ted und koiinte. die sonst -alle
Zeit Tapfere und Niihige, sick taum der Tränen
erwehvön.

Und ste bat ihn, Schluin.merndcs nicht auszu-
wecken vor der Zeit. In ihr eicktes junges Frauen-
glück war die letzte Erfüllung des alten Fluches
vernichtzend und zerstöreiid. wie der Würg,er Tod
sotzbst, eiilgoftillen. ANe lieben Vlumen der Jugend
dre damals noch in ihrcm Ehogarten blühten, wur-
den in einer eiiizigen fürchterttchoil Stunde -ausge-
rottet mit Stilibpf und Stiel, nio wieder konnte
Freude leimen auf dsm zerwühlten Boden.

M.'r das miterlebt hat, wie etn herzenssuter
in Ehren ergrautzer lieber Mensch, der keinem Tiere
cin Härlein hat krümmen können. in Fröhlichkokt
mit oem Schivager zu,m Walde zieht, u,m den Bock
zu beschleichen . . . und heimkehrt und ist ein Mör-
der gen'-oriden; . . . hat den Vruder der eigenen
Frau nieberg<choffen als stzi er ein Schädling im
Tänn gewesen . . . und er redet kejn Mort, wie das
Schreckilche hat gsschehen können . . . und lätzt fich
fortnihrcn -aus seiner hohen fteien Vrrghcimat hin-
ter finstcre Aiaucrn . . . nnd tut den Mund nickt
auf zur Dcrteidigung . . . und tut den Mund nicht
n'iHr auf bis zum letzten Atemzug . . . und erst mit
diescun sogt er s-uszend- Schmd hatt ich nit . . .
s mar hatt >d«r a'lte Fluch . . .

Wer solches miterlebt hat, der hört des Schick-
sals Schritt. Er hört ihn näher schleichsn unauf-
hattsam. Er weitz, man kann ihm nicht enlsttshen.

llnd es erbarmte dem Manne vom HochlchorU
der lieben traurigen Frau noch mehr ctzls des oüste-
ren Minnes. Jn ihr war viek helles lieblich-s

Licht ausgelöscht worden, man spürte noch heute.
wie es hälte lachen und ceuckten und wärmeii
müffen in ihr und um sie, hätte es nur brennen
bleiben dürfen.

Seit ichm die eigeue Muter genommsn war,
hatte Klinghart nie wisder im Lebon soviel linde
Mütterlichleit empfindea dürfen. als 'die Soller-
bäuerin in ihrer schlichtsn Art ihm schnikte. Unü
er gab fich sern und willig unter dle siillivaltende
Güte der ungebildetzen nnd doch voi^röhmen Frau;
heimatlich wurde ihm zlimute i-m Vauernhäui.e.

Wie ein mürrischer altzer Rabe auf kahl-em win-
terlichen Ast satz der Kuccht Anton im düsteren
Hofe. Wo ötzwa »och ein Sonnenstrcrhl durch schmu-
!en Spalt in das Haus irren wollte. mutzte er ihm
den Weg zu mrsperrcn. Wenn irgendwo ein kl-tt-
nes Lachen ourch dis Näume geistern wollte, dann
hob «r seine kräckzende Stimme, nm es einzuschüch-
tern mit drohenben Prophezeihimgen. I,i seltsa-
nven Sprüchen und uratten Nedensarten kündete
er Unheil, fand er schauerliche Dorzeichen, in allem
was auch ge-,chshen mochte.

Verwittert und morsch und verrunzekt war er
erncni alten Baunistrunk ähnlich. d>er nicht mchr
treiben dann und doch nicht süllt. den die Axt ver-
schont, weil er zu Vrcnnksiilz nicht mehr taugt. . .
mag er faulen und oerfallen wie die Natur cs will.
Tüchtig zur Arbeit niochts der alte Anton sämn
inrhr sein, dieser verdorcte Mensch. Aber der Vuuer
selbst besatz Fleitz und Tatkraft für zwitt und konnte
Dam miüoen Knecht dcs Vaters, dcr durch mMches
gra-i'.enoolle Miterlebcn, mit starken Vändern an
chn und seine Familie angebunden war, wohl das
Gnadenbröt gebM.

i^n diesem sinsteren Hain bliihte und gkühte die
kindiunae Eva, dcr hi,.-r ihr schönes frisck-es Lachen
verdorben wurde, datz ss eine Schärfe bekMi, die
wchtat. K'linghart begriff diess Klage, wie cr ihr
M<en begrerfen lsrnts, das ein wunderliches Ge-
misch ibar. Si- war wio ein,wundervoller blauer
Sommerhiminel, an desscn Rändern ferne Wetter
stkben, durch desssn hcitsre Nube manchmal ein
scchles Leuchten zuckt von B.itzen in der Weite.

In soineni steundttch.'n Herzen wuchs biis Teil-
nahme ftir das Lebensleid dieses Dauernkindes
Dcr Wunsch wurds stark rn ikmi und quälte ihn sa.st
init setner lebendigen Dringlick>keit. der Eva ihr
Lachen zu retlen . . . ihr das helle frohe herzwär-
niLude Licht zu erhalten, das schlimrfie Geschick der

Muttzcr alttu bald sür immer verdunktel hatte.

Er-wutzte sich einen auten Helfer zum Werk:
d<rs Sonnenkind Peter, den -armen nanwnlosen Hü-
tebuben, der ein vor vielen Begnadeter war.

Döm lachte Welt und Leben! Der wutzte nichts
oon Finsterniffen. Der meinte, das Dasein im
Mockdhvfe sei ein Fest. wie es herrlicher an kcinem
Orte der M.'lt gefeiert werden könnel

Wo gab es solche BeMe, stcllz, ftoh und frei
wio die den Hof überwackten . . . wo ariinten di«
Mlder und Gründs lieblicher, wv glänzten die
Quellwaffer silüsrner als um den Mordhof? Und
eine bessere Bäusrin kon'nte kein Hirtbub haben ..
wie eine liebliche Muttsr war sie... der Bauer
wenn ihn die Wutkrankheit in Frteden lietz, war
kein harter ungerechter Mann . . , der Altkmcht
was -auch dem dunkelsten Dasein zirgemessen rvird.
stand. was in Wald uird Verg die Eeister flüstern.
Und erst die Eva . . . Eva, die ivilde svottende, die
doch so iveich und gut wac . . . und s§. ticblich w!>'
Berg, Wald, Wicse und Silberauell miteinander
kauin. . . .

. Ia, dsr Petcr war ein Hans im Elück «nd hatte
im Leben das grotze Los gc.zoaen. Darum war die-
ses Strahlen in den blanken Augen und das IEi^
°>zen in der hellen Knabenstimme. Und am
sten mar er, wonn di-r Eva feiiven Bergnnärck^n
lauschte und das Lachen ihr über die rotcn Lipppen
sprang wie Starengezwitscher.

Peter war im Mordhofe das Teilchcn Sctzue
was auch ide mdunko'.sten Dasein zugLineffsn wirs

Der voreinsa>mte Mann vom Hochschorn Ws
sein H.'rz an diese bsiden nmgen Mcn'ckrnkinv.r
die reiche eingeborene stolzc Dochter und den armen
Wgelaiffencn Knaben dort unten im NächbarM-
Er zog sie in seine Nähe. Er gewöhnte sie M
Sonntagsfeier auf seinen' Verg. Wrnn immer ov
Hofarbrit es zulietz, kmnen sie zur Vesperzeit yeo
angestii.gen, solanse die Tage weit den Näcksten cm
gegenwnchsen. Als später im Hcrbsten ein dM
mernder Ab.nd sich immer z-itiücr in die'e llmm»,
mung eindrängte, wurden die junsen Eäste IM'»
zum Ätttlagess-.n dos Sonntaas cnft den Gipst-'l «^
laden. Um ihretwillen lietz Klinghart dic Wolle
Li,' er niit seiner Fedsr auf das Papier baiuv-'
wollle, flugs entschweben, den Regen
den nreheirden Wind auf raschom Notz übsr die
ge daoonreiten Ec arisf statt dessen zu Geige uw'
 
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