Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Baer, Leopold Alfred
Die illustrierten Historienbücher des 15. Jahrhunderts: ein Beitrag zur Geschichte des Formschnittes — Straßburg i. Elsaß: J.H.Ed Heitz (Heitz & Mündel), 1903

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68407#0088

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
82 4«

Schritt zu thun und eine technisch gut durchgeführte, wirklich zuverlässige, Stadt-
ansicht auszubilden. Anders verhält es sich mit der formalen Ausgestaltung dieser
Formschnittgattung. In diesem Punkte, können wir behaupten, ist in der Schönheit
und Mannigfaltigkeit der Formenbildung, in der Auswahl pittoresker Motive bei der
Genfer Januarausgabe alles erreicht, was mit den beschränkten Mitteln des Formschnitts
überhaupt möglich war. — Neben diesem, wenn wir es so bezeichnen wollen, topo-
graphischen Interesse ist in der Illustration des Rolevinck, dem Inhalte der Mönchs-
historie entsprechend, noch das theologische am stärksten vertreten. Die «Arche
Noah», der «Regenbogen», der «Turm von Babel», der «Tempel Salomos» und der
«Salvator» finden sich schon in den ersten Ausgaben. Später kommen noch einzelne
Darstellungen aus der Schöpfungsgeschichte, die «Anbetung der Könige» der Quentel’-
schen Editionen, und in der Genfer Januarausgabe auch andere Schilderungen des
alten und neuen Testamentes hinzu. Veldener bringt im Jahr 1480 Abbildungen ein-
zelner Gegenstände des Tempelschmuckes und jenes interessante Bild mit dem «jüngsten
Gerichte», ein Thema, das auch in späteren Chroniken bei der Beschreibung des
letzten Zeitalters wiederholt illustriert worden ist. — Ausserdem fanden wir die Ge-
stalten berühmter «Ordensstifter» schon vor dem eigentlichen Porträt eingeführt,
das selbst nur in der Genfer Januarausgabe eine vollendetere Ausbildung erfahren
hat. Wir sahen, wie diese Darstellungen, die anfangs nur einen monumentalen-
repräsentiven Charakter hatten, in späteren Editionen immer lebendiger ausgestaltet
wurden, ein Fortschritt der notwendiger Weise auch andererseits die figürliche
Belebung der Landschafts-Veduten durch Staffage zur Folge haben musste. —
Die eigentliche historische Handlung kommt in den Fasciculus-Illustrationen nur
selten vor, sie ist eigentlich bloss durch die wenigen Vignetten in der letzten
Strassburger Ausgabe, durch einige Darstellungen des Städtebaus und der Belagerung
einer Festung in Veldeners Utrechter «Fasciculus» vertreten. Im Anhänge dieses
letztgenannten finden auch zum ersten Male «Wappen» als Illustrationsmaterial Ver-
wendung. Endlich erscheinen in der Gruppe von Ausgaben, die von der in Rougemont
erschienenen abhängig ist, jene eigentümlichen Missgeburten und Symbole ausserge-
wöhnlicher Himmelserscheinungen, die eine so bedeutende Rolle in dem Ideenkreise
des mittelalterlichen Menschen gespielt haben müssen. Stammbäume durchziehen
in allen Editionen das Buch, ohne ihre Form wesentlich zu verändern : ihr Gepräge
ist schon für den flüchtigen Beschauer ein zuverlässiges Kriterium für das Erkennen
einer Fasciculus-Ausgabe. Endlich entspricht die zunehmende Verwendung von
Randleisten, Zierinitialen und Dedikationsblättern der wachsenden technischen Vol-
lendung in der Ausführung der übrigen Formschnitte; ein gesteigertes Schönheits-
gefühl musste auch immer mehr in das Gebiet des rein wesenlosen ornamental-
dekorativen hinübergreifen.

VII. DIE AELTESTEN ENGLISCHEN BILDERCHRONIKEN.
In England spielt die Formschnittillustration im i5. Jahrhundert noch keine
grosse Rolle. Dort fehlte besonders die technische Tradition, es gab wohl kaum
Werkstätten, in denen der Formschnitt schon lange vor Erfindung der Buchdrucker-
kunst geübt wurde, wie in Deutschland.149 Daraus lässt sich die Roheit der frühen
englischen Formschnitte leicht erklären, die Seltenheit ihrer Anwendung zeugt von

149 Vergl Pollard, A. W., Early Illustrated Books. London 1893. 8«. S. 223.
 
Annotationen