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Bammer, Anton [Oth.]; Muss, Ulrike <Univ.-Doz. Dr. phil> [Oth.]
Das Artemision von Ephesos: das Weltwunder Ioniens in archaischer und klassischer Zeit — Mainz am Rhein, 1996

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.30985#0035
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28

Mykene im Artemision

Funde wurden bislang nicht gemacht.
Allerdings lagen einige bereits erwähnte
mykenische Funde unweit westlich davon.
Außerdem wurde der Terrakottakopf
(Abb. 23), der dem <Lord of Asine> ver-
gleichbar ist, in dem Geröll gefunden,
das wohl ursprünglich zum Aufbau der
Mauer aus Rundlingen gehörte, deren
Krone aber offenbar in archaischer Zeit
abgebrochen wurde und deren Steine
dann als Unterlage für die Tempelfunda-
mente verwendet wurden. Knapp östlich
vor dieser Mauer entstand im 8. oder 7. Jh.
v. Chr. ein Kultplatz in Form einer Op-
fergrube, in der sich Eisen- und Gold-
weihungen (Abb. 86, 99, 100) fanden.
Später wurden diese mit einer dicken
Schicht aus Dachziegeln abgedeckt, die
von dem erhöhten Peripteros des 7. Jhs.
v. Chr. stammen dürften.

Damit haben wir wahrscheinlich einen
Befund vor uns, der im ägäischen Raum
häufig vorkommt: Ältere Anlagen dieses
heroischen Zeitalters, der mykenischen
Epoche, werden im 8. Jh. v. Chr. wieder
aktiviert, dann allerdings in anderer
Funktion mit neuen Strukturen überbaut.
Dies ist etwa auch beim Athenatempel
von Milet der Fall, der nahe der mykeni-
schen Stadtmauer liegt. Die griechische
Renaissance im 8. Jh. v. Chr. benutzt
längst aufgegebene ältere Denkmäler,
um ihrer Kultur damit über die Jahrhun-
derte hinweg einen Impuls und Anhalts-
punkt zu geben. Ob es sich im Artemision
um eine jahrhundertelange Unterbre-
chung des Geschehens handelt oder ein
Kontinuum vorhanden ist, ist derzeit
noch nicht auszumachen, da das kera-
misch nachzuweisende Kontinuum vom
Submykenischen zum Protogeometrischen
unter dem Peripteros nicht ausreicht, um
hier eine deutlichere Aussage zu treffen.

Über dem bereits erwähnten Kultplatz
des 7. Jhs. v. Chr. wurde aus lagerhaften
Kalkmergelplatten eine quadratische
Kultbasis errichtet (Abb. 30). Diese
wurde spätestens um 560 v. Chr., dem
Regierungsantritt des Kroisos, unter den
Fundamenten des archaischen Tempels
regelrecht bestattet und damit unsichtbar
gemacht. Kroisos hatte kein Interesse an
älteren und mit seinem Heiligtum kon-
kurrierenden Kultstätten. Welche Bedeu-
tung der Lyderkönig dieser traditonsrei-
chen Kultbasis zumaß, sieht man daran,
daß diese noch innerhalb der Sekosmau-
ern des Kroisostempels zu liegen kam
und sie damit neutralisiert wurde (Abb.
30).

Die Grabung um diesen Kultplatz am
Ostende des Sekos hat aber auch eine sehr
genaue und schöne Stratigraphie in bezug
auf die nacheiszeitliche Geologie erge-
ben. Die Tiefgrabung zeigt eindeutig,
daß nur fluviale Sedimente vorhanden
sind, also nicht das Meer, sondern der
Fluß gestaltendes Element der Land-
schaft war, die sich von der heutigen be-
trächtlich unterschied. Es handelt sich
um eine gradierte Schichtung, d. h., von
unten nach oben nimmt der Feinheitsgrad
der Sedimente zu. In der Frühzeit lag also
dieser Bereich des Artemisions in der
Nähe des Stromstriches, das heißt etwa in
der Flußmitte. Später verlagerte sich der
Flußlauf, so daß sich die oben beschrie-
bene Opfergrube im randlagigen Über-
schwemmungsbereich befand. An der
Kreuzschichtung des Sandes ist die Dy-
namik des Baches am Prall- und Gleit-
hang ablesbar. Durch die Bohrungen Hel-
mut Brückners konnte nachgewiesen
werden, daß der gewachsene Fels im Be-
reich der Kultbasis und westlich davon
etwa 1,30 m unter dem tiefsten, wahr-

Abb. 25 Außenbild einer Schale mit der
Darstellung von sieben sich zum Kampf
riistenden Amazonen. In der Mitte eine
Amazone, die sich die Beinschienen anlegt;
sie ist gerahmt von zwei bereits mit Helm,
Speer und Schild bewaffneten. Auf jeder
Seite schließen zwei mit orientalischen
gemusterten Hosen und einer hohen Haube
bekleidete, mit Pfeil und Bogen bewaffnete
Amazonen an. Nach der Sage wurde den
Amazonen die rechte Brust ausgebrannt, um
den Bogen sicher ansetzen zu können. Der
Name Amazonen soll demnach die Brust-

scheinlich mykenischen Boden liegt,
weiter westlich, im Bereich des Peripte-
ros, aber mindestens 4 m darunter liegt.

Für die Vorgeschichte des Artemisions
eröffnen diese Befunde völlig neue Per-
spektiven. Am Hang des Ayasolukhügels,
auf dem die Johannesbasilika (Abb. 16)
liegt, in Flußnähe, bestand wahrschein-
lich ein mykenischer Kultplatz, der durch
die aufgefundene «mykenische» Mauer
gegen die Überschwemmungen des Flus-
ses geschützt wurde.

Dämme sind seit mykenischer Zeit in
Böotien, in der Argolis und auf der Pelo-
ponnes bekannt. Ihre Erbauer waren die
Lehrlinge der afro-asiatischen Ingenieure
in Ägypten (Sadd el-Kafara) und Vorder-
asien (Jawa). Die «mykenische» Mauer
im Artemision muß bis in das 7. Jh.
v. Chr. sichtbar gewesen sein, bis man
nämlich den Graben östlich von ihr als
Opfergrube benutzte und später an diese
Stelle die quadratische Kultbasis baute (in
Abb. 30). Die offenbar in mykenischer
Zeit rein profane Mauer wurde im 8.
oder 7. Jh. v. Chr. sakralisiert.

Diese Erkenntnisse schaffen neue Vor-
aussetzungen für weitere Forschungen
im Artemision, wenn man bedenkt, daß
sich der heilige Bezirk am Fuße des Aya-
solukhügels ausbreitet, auf dem ein my-
kenisches Grab und bronzezeitliche und
mykenische Mauern sowie die zugehö-
rige Keramik gefunden wurden. Der
Ayasolukhügel ist als eine Art Halbinsel
dem ansteigenden Festland vorgelagert,
wo auf dem sog. Bademliktepe am östli-
chen Ortsrand von Selguk eine wahr-
scheinlich frühbronzezeitliche Burg zu
lokalisieren ist. Diese Siedlungsreste
sind für die Frühgeschichte von Ephesos
von grundlegender Bedeutung.

losen bedeuten. Um 490 v. Chr., London
Britisches Museum.

Ganz anders ist die Amazone des 4. Jhs.
v. Chr. auf dem Sockelstein des ephesischen
Altares wiedergegeben (vgl. Abb. 81). Hier
wird sie nach einem Kampf als Verwundete
gezeigt, aus deren Ausdruck alles Kämpferi-
sche gewichen ist. Ermattet legt sie ihre
Hand auf den Kopf und stützjt sich mit der
anderen auf einen Pfeiler. Mit ihr ist nicht
das Bild einer männermordenden Kämpferin
gemeint, sondem allein das Bild einer schö-
nen Frau.
 
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