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Bastine, Reiner [Editor]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0105
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8.2. Definitionen, Ziele und Typen der Prävention

"Primäre Prävention muß drei strukturellen Anforderungen entsprechen:

1. Sie muß mehr an Gruppen oder Populationen orientiert sein als am
Individuum (obwohl einige Vorgehensweisen individuelle Maßnahmen
miteinschließen).

2. Sie muß eine "Bevor-Fakten-Geschaffen-Sind"-Qualität aufweisen,
d.h. Prävention ist auf Zielgruppen zugeschnitten, die noch kein be-
deutsam abweichendes Verhalten gezeigt haben (obwohl dies auf-
grund der Lebensumstände dieser Gruppe möglich wäre).

3. Sie muß zielorientiert sein, d.h. sie muß auf einer soliden Wissens-
grundlage beruhen und helfen, die psychische Gesundheit zu verbes-
sern oder Fehlanpassungen vorzubeugen" (Cowen, 1982, S. 132).

In Hinsicht auf unterschiedliche Vorgehensweisen werden spezifische versus unspezi-
fische Formen der Prävention psychischer Störungen unterschieden. Richten sich
Maßnahmen gegen bekannte Ursachen oder gegen definierte Formen von psychischen
Störungen (z.B. auf Stoffwechselstörungen bei der Phenylketonurie), so gelten sie als
spezifisch. Unspezifische Formen der Prävention haben mehr allgemeine Risiken und
Stärken von Populationen im Auge. Werden z.B. soziale Kompetenzen trainiert, so ist
diese Prävention insofern unspezifisch, als damit allgemein zur psychischen Gesund-
heit beigetragen und gleichzeitig vor ganz unterschiedlichen psychischen Störungen
geschützt werden soll.

Eine weitere Unterscheidung von Zielen und Ansatzpunkten der Prävention ist in
verschiedenen Graden der Transparenz der Maßnahmen zu sehen. Präventive Inter-
ventionen können vom Empfänger mehr oder weniger wahrgenommen und empfun-
den werden. Das Training kommunikativer Kompetenzen von Schlüsselpersonen (z.B.
Hausmeister) braucht z.B. vom Endabnehmer eines Präventionsprogrammes gar nicht
konstatiert zu werden und kann dennoch, für ihn merklich, die soziale Atmosphäre
z.B. in einer Nachbarschaft verbessern helfen.

Präventive Maßnahmen können auch mehr oder weniger komplex angelegt sein,
d.h. sehr viele oder sehr wenige interdependente Faktoren berücksichtigen (Brand-
städter, 1982b). Spezifische Kompetenztrainings gelten z.B. als eher wenig komplex
angelegt. Programme, die sich im Rahmen von Maßnahmen zur Entwicklungsförde-
rung bewegen, können zusätzlich die Veränderung verschiedener Kontexte im Auge
haben (z.B. familiäre Atmosphären, Organisationsstrukturen des Bildungssystems).

In Abhängigkeit vom Problembewußtsein der Empfänger von präventiven Maß-
nahmen wird zwischen Aufklärung und Beratung unterschieden. Von Aufklärung
wird gesprochen, wenn die Ansprechpartner z.B. wenig über mögliche Risikofaktoren
wissen und ihnen eine entsprechende Motivation zu einer gesunden Lebensweise fehlt.
Vielfach finden solche Maßnahmen nicht im Kontext direkter Kontakte und zweiseiti-
ger Kommunikation statt, sondern werden über entsprechende Medien vermittelt
(Comstock, 1983; McAlister, 1982). Man spricht von Beratung, wenn im direkten
(kurzfristigen) Kontakt zu Klienten und seltener im indirekten Kontakt über Media-
toren (z.B. Eltern) etwas zur Lösung antizipierbarer oder vorhandener Probleme bei-

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