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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Kalkschmidt, Eugen: Der Baumeister und seine Zeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0168
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70

DER BAUMEISTER » 1908, MÄRZ.

Kraft. Und so fort. Wie
gesagt, ein müssiges Er-
götzen mit Spruch und
Widerspruch.
Aber die Wettbewerbe
verdienen doch einen Sei-
tenblick. Es mag sein, dass
sie nötig sind; im Über-
mass genossen schaden sie
mehr als sie nützen. Sie
stehen auch „im Zeichen
des Verkehrs“ wie so man-
ches Ungute der 'Neuzeit.
Sie geben dem Bewerber
in Aachen wie dem inKönigs-
berg die gleichen Aussich-
ten für ein Rathaus in
Köpenick etwa. Aber sie
machen seine baukünstle-
rische Phantasie wurzel-
locker und verführen zu
papierenen anstatt zu leben-
digen Lösungen. Um jeden
Quark die deutsche Archi-
tektenschaft aufzurufen, be-
deutet einen unhaltbaren
Anspruch auf eine unsin-
nige Verschwendung von
nationaler Arbeitskraft. Im-
mer einmal wird statistisch
ausgerechnet, wie hoch
diese Verschwendung dem


Arch. J. Schmeissner, Nürnberg.

Beamtenvilla für Frl. Helene von Schmitt in Böhmisch-Aicha.


Volke und den Bau-
meistern im besonde-
ren zu stehen kommt.
Was hilft das viel!
Wo früher der Rats-
zimmermeister, der
Stadtbaumeister, kurz
der heimische Bau-
künstler, auf dem ver-
trauten Boden nach

guter Überlieferung
mit dem natürlich ge-
gebenen Material ihres
Amtes walteten, da
bestellt sich der Geist
der Neuzeit eines
Konkurrenzentwürfe
„von weit her“ und
staunt danach sein
Wunder an. Wettbe-

Erd^eschoss



werbe, die nicht um wirklich allge-
meine und weithin öffentlich be-
deutsame Bauaufgaben ausgeschrie-
ben werden, sind kein Segen für
die Kunst. Sie sind ein Notbehelf,
zeugen von einem Tasten des Ge-
schmacks der Bauenden und sollten
bald überwunden werden.
Wie machten es frühere Zeiten ?
Sie beriefen fähige Leute, die sich
durch ihre Kunst hervorgetan hatten,
an die Stätten neuer Wirksamkeit.
Sie verpflanzten die Talente sozu-
sagen mit Haut und Haaren, und
gaben ihnen dann auch was zu
tun. Was haben die italienischen
Meister des Barocks in Wien, Prag,
Salzburg, Innsbruck, München,
Dresden für prächtige Bauten hin-
gestellt! Einen barocken Kirchen-
bau vom zierlichen Schlage der
Dresdener Hofkirche gibt es viel-
leicht in Italien nicht. Ein unbe-
schreiblicher Erdsegen macht diese
Bauten zum Eigentum und typi-
schen Ausdruck ihrer Landschaft.
Die Erde, die Luft des Landes hat
den Baumeistern ihre Entwürfe ein-
gegeben oder gestalten helfen, eben
weil sie selber an Ort und Stelle

Beamtenvilla für Frl. Helene von Schmitt in Böhmisch-Aicha
 
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