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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Kalkschmidt, Eugen: Der Baumeister und seine Zeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0167

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DER BAUMEISTER » 1908, MÄRZ

69

ihre Bedeutung so-
zusagen neu. Ein
neues Geschlecht ist
im Begriff, diePlätze
der Väter einzuneh-
men. Ein Ge-
schlecht, das sich
reizsamerer Ner-
ven erfreut als das
sinkende, und dem
es in der gepriese-
nen technischen
Kulturverlassen-
schaft der robus-
teren Väter angst
und übel wird, weil
es ihr an harmoni-
scher Bildung ge-
bricht. Ein bisschen
mehr Sonne des
Lebens möchten
wir, und dieWärme
soll aus allen Dingen
zurückstrahlen, die
das innere und äus-
sere Bild unseres
Lebens sind. Sehn-


Arch. J. Schmeissner, Nürnberg.

Landhaus in Eschenbach.

DieserRuf ergeht
von Jahr zu Jahr
deutlicher, dringen-
der, gebieterischer
auch an unsere
Baumeister. Wir
sehen ihrer viele,
die nicht auf dem
Posten waren, als
das neue Deutsch-
land die Kinder-
schuhe austrat und
hinter einem bil-
ligen Zeitgeiste her-
lief. Welch ein un-
geheures Arbeits-
feld der Architek-
tur war dieses halbe
Jahrhundert! Als
ein Schlachtfeld,
ein Trümmerfeld
des guten Ge-
schmackes liegt es
hinter uns da. All-
enthalben die grös-
sten Aufgaben, die
eine lebendig und

süchtig ruft es auf allen Gassen: Kultur, Kultur! Ein fast
beängstigend lautes Geschrei. Aber doch, trotz der modischen
Mitschreier, ein Rufen aus tiefer innerer Not der Zeit.


bunt bewegte Zeit ihren Baumeistern 'zu bieten hat. Und
erst um die Jahrhundertwende herum da und dort das
dämmernde Erwachen eines höheren künstlerischen Verant-
wortlichkeitsbewusstseins diesen Aufgaben, der Mit- und
Nachwelt gegenüber. Das Bedürfnis nach dem Monumen-




Erdgeschoss.

taten, stets ein Zeichen einer beginnenden Kulturepoche,
setzt da ein.

Gesamtbild.

Die Baumeister können freilich mit besserem Recht als
andere Künstler einwenden: hättet ihr Zeitgenossen vordem


Landhaus in Eschenbach. Diele.

Besseres gewollt, so hätten wirs auch
gekonnt. Zogt ihr den Baumeistern
die Rechenmeister vor, so wundert
euch gefälligst nicht, dass ihr anstatt
von baulichen Kunstwerken von
Rechenexempeln und baupolizeilichen
Missetaten in dauerhaftem Material
umgeben seid. Wir Künstler standen
derweil im Hintergründe und hunger-
ten. Mit anderen Worten: wir zehrten
von der berückenden Aussicht auf die
tausend reichvergoldeten Konkurren-
zen, die man uns Tantaliden vor die
Nase hielt. Diese Schuldfrage zu er-
örtern , ist ein müssiges Vergnügen.
Die Zeitgenossen könnten wiederum
sagen: eure Entwürfe haben uns nicht
überzeugt. Auch ihr, die ihr Bau-
meister seid, seid Genossen der Zeit
und wie alle andern Künstler und
bedeutenderen Menschen in die Zeit
gestellt, sie zu bezwingen. Bezwangt
ihr sie nicht mit dem, was euch am
Herzen lag, so fehlte euch die rechte
 
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