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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Beilage zu: 1908, September
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Moderne Schaufensterauslagen
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Schur, Ernst: Josef Olbrich
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Die Beständigkeit von Zement- und Betonbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0375

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5“: DER BAUMEISTER,
1908, SEPTEMBER. VI. JAHRGANG, HEFT 12.

Moderne Schaufensterauslagen.
Im Anschluss an die in Heft 7 und 8, Jahrgang 1906 des
„Baumeister“, gebrachten Betrachtungen über moderne Schau-
fensteranlagen veröffentlichen wir auf Tafeln 95 bis 96
Konstruktions-Details eines zum E'quitable—Palast, Berlin,
Leipzigerstrasse 101/102 gehörigen, eingebauten Ladengangs
mit zwei schmalen seitlichen Schaufenstern nebst Oberlicht.
Er ist wie die in Heft 6, IV. Jhrg. gebrachte Wertheimsche
Anlage oben und seitlich abgeschrägt, mit geschlichteter
Aluminiumbronze belegt und kann durch eine 1,80 m hohe
eiserne Versenkwand von der Strasse abgeschlossen werden.
Im Gegensatz zu den Konstruktionsbeispielen in Heft 6
bei denen nur eine eiserne Subkonstruktion vorgesehen
war, ist bei unserm vorliegenden Beispiel für die
Säulen und Fensterrahmen Eichenholz zur Verwendung ge-
kommen, verstärkt bei den Säulen durch eine Quadratstahl-
einlage, bei den wagerechten Fensterrahmen durch Flacheisen-
einlagen, die dem Ganzen ein durchaus festes Gefüge geben,
und doch, im Verein mit dem Holz nicht grössere Quer-
schnitte bedingen, als eine eiserne Subkonstruktion.
Ventiliert wird die Anlage durch im Deckenanschluss und
im Blechsockel befindliche Löcher. Dieser Eingang, sowie
jedes der dazu gehörigen, ebenso konstruierten und am selben
Hause angebrachten Schaufenster ohne Tür hat eine Markise
mit aussen auf die Rahmen geschraubtem Bronzegestänge
und Regenschutzdach.
Hergestellt ist diese sehr praktisch und leicht konstruierte
Schaufensteranlage in der Konstruktions- und Kunstschmiede-
werkstatt von Hillerscheidt und Kasbaum, Hofingenieur
S. M. des Kaisers, zu Berlin, welcher sich durch seine mo-
dernen Theater- und Bühnenkonstruktionen in den weitesten
Kreisen einen guten Namen gemacht hat.

Josef Olbrich
Sein Lebenswerk war nicht abgeschlossen. Bei ihm galt
das, was man bei Leistikow nicht sagen konnte: er hatte noch
reiche Möglichkeiten in sich. Ueberall sind bei ihm Ansätze,
die erst noch zur Reife, zur Ausgeglichenheit kommen wollten.
Bedeutungsvoll strebt er in seinen letzten grossen Schöpfungen
zu einer architektonischen Monumentalität.
So hat sein frühes Ende eine schmerzliche Tragik. Es war
ebenso unvermittelt, wie sein Aufstieg meteorhaft war.
In dieser verhältnismässig kurzen Zeit, die seinem Schaffen
vergönnt war, leuchtete sein Werk verführerisch und schillernd
und war voller Verheissungen.
Das Problematische unserer Zeit kam in ihm, der aus einer
alten Kulturgegend stammte, der wienerische Grazie mit-
brachte, und sein Können ebenfalls in den von alter Kultur
gesättigten Bezirken Westdeutschlands entfalten durfte, typisch
zum Ausdruck.
Sein Name ist entscheidend mit Darmstadt verknüpft. Und
in der Entwicklung Darmstadts spiegelt gleichsam sich sein
Werden. Darmstadt war von einer frühen Erscheinung,
überraschend und verblüffend, schillernd und voller Ver-
heissung. Manches Spielerische, manches Unbrauchbare,
manches Unpraktische lief mit unter. Doch wurde durch
diese Proben und Versuche der Weg geebnet, ein Anfang
gesetzt. Es wurden Anregungen gegeben, die weiter wirkten.
Wie ein Traum erschien die Möglichkeit einer neuen Kultur.
So war auch Olbrich eine Verheissung. Und wie Darmstadt
sich entwickelte, in geregelte Bahn kam und festem Grund
suchte im naheliegenden Problem, so schien sich auch
Olbrichs Schaffen reinigen und festigen zu wollen, um zu
reifen monumentalen Aufgaben anzusteigen.
Doch war gerade das das Bezeichnende, dass Olbrichs
Schaffen zum Kleinkunstgewerbe strebte.
Man durfte bei Olbrich nicht die Lyrik der Formen aus-
schliesslich betonen. Die Einheit in Olbrich war die künst-
lerische Laune, die einer bizarren Phantastik zuneigte. Das
Gefühl des Organischen betätigte sich bei ihm nicht in der
Lyrik der Form, sondern in der sinnmässigen Verwendung

der Materialien, mit deren Veriabilität er geistvoll die Mög-
lichkeiten des Schmuckes bereicherte. Er liess sich von
diesem Material anregen.
Entscheidend war bei ihm der farbige Eindruck. Er gab
nicht nur einen Nutzgegenstand. Dieses Praktische war für
ihn nur die Klaviatur, auf der er seine Melodien spielte. Er
hatte in dieser Beziehung Verbindung mit den alten Schmuck-
künstlern, die darüber oft das Praktische, den Zweck vergassen.
Ohne Zweifel kam er damit an eine Grenze. Der Geist des
alten Kunstgewerbes taucht auf, der überwunden werden sollte.
Die Befreiung begann jenseits dieser Grenze. Doch ver-
gewaltigte Olbrich nicht das Zielstreben des Dinges zum Zweck.
Aus dem Praktischen schuf Olbrich ein Kunstwerk, ein Ding,
das Gebrauchsgegenstand und Kunstwerk war. Sind oben
die Gefahren angedeutet worden, so muss hier gesagt werden,
dass Olbrichs Schaffen mit dieser künstlerischen Note in die
Zukunft wies, die dann Gegenwart werden würde, wenn die
Kräfte der Künstler so reif sind, dass Notwendigkeit, Sachlich-
keit, Zweckmässigkeit selbstverständliche Eigenschaften und
nicht schwer zu erfüllende Bedingungen sind.
Der Reichtum seiner Phantasie liess aus einem Nutzgegen-
stand Schönheit hervorblühen. In der Art, wie er die Materialien
mit feinster Delikatesse erspürte und verwandte, merkte man
die Erziehung durch den Orient. Die asiatische Kunst hat
ihn beeinflusst. Er denkt wie sie im Material und kommt,
wie sie, darüber hinaus zur Schönheit. Die Art, Farbe und
Form aus dem Material von bizarr und apart zusammen-
gefügten Stoffen zu gewinnen, diese minutiöse Delikatesse der
Arbeit und Berechnung ist die gleiche. Speziell die graziöse
Weise, durch Einfügen eines kleinen Steins, einer feinen Linie
in apartem, farbigen Holz, die vielleicht viel zu fein ist, um
für unser Auge entscheidend zu wirken, die aber doch mit-
spricht, eine leichte und lichte Schönheit zu suggerieren, die
frei von aller Erdenschwere ist, dabei doch trotz aller Grazie
fest und solid zu bleiben, ist kennzeichnend für sein Schaffen.
Es erinnert an die Arbeit der japanischen Putzkünstler, in
der eine besondere Kultur liegt und das ist das Markante des
Olbrichschen Werks, dass es Kultur dokumentiert.
Bedeutungsvoll lag in Olbrichs Schaffen mit dieser Eigen-
schaft eine Zukunft und es ist schmerzlich, dass diese Zeit
für ihn erst kommt. Er musste so eine Uebergangserscheinung
bleiben, deren festen Wert man formuliert, wenn man sagt,
dass sie entscheidende und bedeutsame Anregungen gab, die
weiter fortwirken werden. Er war reicher als andere, aber
vielleicht nicht so stark. Seine Kunst war von schneller Blüte,
vielleicht ein Treibhauscharakter; so war auch sein plötzliches
Ende nicht fremd. Was von ihm bleiben wird, sind vielleicht
die ganz kleinen Dinge, Schmuckgegenstände, in denen er
ein eigenes Kulturempfinden offenbarte, die in ihrer graziösen
Erscheinung, in der kostbare Materialien Form wurden, eine
Vollendung erreichten, dass man sie mit Fug und Recht neben
die besten Arbeiten der Alten stellen kann, die die Differenz
zwischen Zweck und Schönheit noch nicht kannten, denen
beides eins war, die der Tradition die Richtung, der Persönlich-
keit die Prägung gab und Kunst und Handwerk noch
vereint war. Ernst Schur.
Die Beständigkeit von Zement- und
Betonbauten.
Da in neuerer Zeit die Verwendung von Zement und Beton
unter Benützung von Stahlgerippen zur Herstellung von
Bauwerken im Auslande beständig zugenommen hat, dürften
auch einige Betrachtungen über die Beständigkeit derartiger
Bauwerke angebracht erscheinen. Bisher hatte sich in unserer
deutschen Bautechnik noch stets eine gewisse Animosität
gegen derartige Bauwerke behauptet, welche wohl besonders
darauf zurückzuführen war, dass über die Beständigkeit dieser
Gebäude eingehende Erfahrungen und günstige Beispiele
fehlten. Die grossen Erfolge, welche in Amerika mit dieser
modernen Bauart erzielt worden waren, konnten nicht dazu
beitragen, die einmal eingewurzelten Bedenken zu zerstreuen.
 
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