DER BAUMEISTER . 1909, SEPTEMBER.
143
Aus Neuenstein.
und beschränkte sich auf
einen mattweissen Ton für
die Flächen und eine matte
Vergoldung der Eisenkon-
struktion. Die Beheizung
erfolgt für den Hallenraum
und den Empfangspavillon
durch Dampfluftheizung, die
durch zahlreiche Nieder-
druckdampfheizkörper un-
terstützt wird, Garderobe
und Toiletten erhalten
Niederdruckdampfheizung.
Zur Aufnahme der beiden
Kessel mit 406 qm Heiz-
fläche ist in 35 m Entfernung
von der Halle ein besonde-
res Gebäude errichtet. Um
Zugerscheinungen zu ver-
meiden, wurde für die Halle
das System der Pulsions-
Lüftung gewählt. Die Heiz-
kammern befinden sich un-
ter den Gürtelbauten, die
Frischluft wird aus besonde-
ren Lufthäuschen entnom-
Aufg. Rud. Minderer, Elberfeld.
Aus Tauberbischofsheim.
men, angesaugt und durch einen an der Kellerdecke hängenden
Rabitzkanal nach den aufsteigenden Luftkanälen geleitet. Die
Luft tritt in den Fensternischen des 2. Ranges aus. Durch ent-
sprechende Umschaltung kann während des Anheizens die
Anlage als Umluftheizung betrieben werden. Die Heizungs-
anlage wurde von der Firma Rud. Otto Meyer-Hamburg aus-
geführt. Die Beleuchtung erfolgt durch eine Anzahl von Bogen-
lampen in sämtlichen Knotenpunkten der Eisenkonstruktion,
und durch 50kerzige Metallfadenlampen, die in 30 cm Ab-
stand an den Galerie-Vorsprüngen entlang geführt sind; als
Festbeleuchtung, die s. Z. auf sämtliche Besucher überwäl-
tigend wirkte, treten hiezu noch eine dichte Reihe von ca. 19000
Miniatur-Lampen, die den Architekturlinien folgen, und an den
Unterkanten der Eisenkonstruktion in 12 cm Abstand an-
einandergereiht sind. Zu dieser letzteren Anlage gab die Be- |
leuchtung des Grand Palais
zu Paris bei der Automobil-
ausstellung 1908 Anregung.
Die Bauausführung ging
dankdem gutenZusammen-
wirken des Architekten, des
Werkes Gustavsburg und
der Firma Phil. Holzmann
mit staunenswerter Schnel-
ligkeit von statten. Nach der
im Herbst 1907 erfolgten
Entscheidung des Preisge-
richts begann sofort die
Projektbearbeitung, im Mai
1909 konnte die Halle mit
ihren Gürtelbauten anläss-
lich des dritten deutschen
Gesangwettstreites über-
geben werden, nachdem sie
beim deutschen Turnfest im
Herbst 1908 bereits vorüber-
gehend ausgestattet und be-
nutzt worden war.
Der Raum verbietet es,
aus der grossen Schar der
Mitarbeiter und beteiligten
Firmen auch nur einige her-
vorzuheben. Auch hier sei
auf die klar abgefasste und
überaus lesenswerte Denk-
schrift verwiesen, die auch
über die nicht leichte Finan-
zierung des gewaltigen
Unternehmens Aufschluss
gibt. _
Haus Roesner
in Dresden.
Der stetig sich vergrös-
sernde Verkehr unserer
Grossstädte, die damit ver-
bundenen neuen und anders
wie früher gestalteten Be-
dürfnisse bringen Verhält-
nisse mit sich, die manches
Zeit in seinem Bestände nicht nur gefährden, sondern es dem
Untergange weihen. Der Denkmalpfleger hat da einen schweren
Stand. Das Haus in seiner ganzen Art des Aufbaues, der inneren
Einrichtung usw. kann neuzeitlichen Ansprüchen nicht mehr
genügen. In seinem alten Zustande kann sich das Haus bei
den hohen Grundstückspreisen, insbesondere in Hauptverkehrs-
und Geschäftsstrassen nicht mehr rentieren. Moderne Schaufen-
ster sollen eingebrochen, die Treppe umgelegt werden, vielleicht
zeigt es sich auch bei der Untersuchung, dass das Dach oder
sonstige Teile einer gründlichen kostspieligen Renovation be-
dürftig sind. Kurz, das Haus muss fallen und es tritt dabei die
Frage auf, wie soll der Neubau gestaltet werden? Die Zeit ist
noch nicht allzufern, in der man diese Frage überzeugungstreu
und auch in der Meinung, das allein Richtige damit zu treffen,
kurz dahin beantwortete: Man baut das Haus von neuem auf,
bringt den neuzeitlichen Be-
dürfnissen dienende Schau-
fenster, Wohnungsfenstcr
etc. an, und bildet im übri-
gen die Fassade, so weit es
nur irgend möglich ist, der
alten getreu nach, auch in
den ornamentalen Einzel-
heiten. Und gerade auf diese
letzteren hatte man häufig
das Hauptgewicht gelegt
und damit das Vorzüglichste
zu erreichen geglaubt. Un-
sere Neuzeit denkt heute
anders darüber und auch
diemoderneDenkmalpflege
nimmt heute einen anderen
Standpunkt solchen Fragen
gegenüber ein. Der histori-
sche Wert eines Baudenk-
mals ist mit dessen Ab-
bruche dahin, ebenso wie
grössere Um- oder Anbau-
ten daran den Stimmungs-
wert unwiederbringlich
schwinden machen. Bei
einem späteren Wiederauf-
bau ist es nun völlig gleich-
giltig, ob der Neubau in
modernen Formen gehalten
ist oder in solchen irgend
einer alten früheren Stilart.
Bei dem Neubau des Roes-
nerschen Hauses, der uns
hier interessiert, waren
sehr viele und höchst
wichtige Momente zu be-
rücksichtigen. Dieser Teil
der Dresdner Schlossstrasse
ist eine der interessantesten
Häuserreihen der Stadt. Die
Ecke ist das einzige erhal-
tene, wenn auch teilweise
veränderte, gotische Haus
Dresdens mit prachtvollem
Erker und sehr schönen
alte Bauwerk unserer Väter
Arch. William Lossow und Max Hans Kühne, Dresden.
Haus Roesner, Dresden.
gotischen Statuen daran.
143
Aus Neuenstein.
und beschränkte sich auf
einen mattweissen Ton für
die Flächen und eine matte
Vergoldung der Eisenkon-
struktion. Die Beheizung
erfolgt für den Hallenraum
und den Empfangspavillon
durch Dampfluftheizung, die
durch zahlreiche Nieder-
druckdampfheizkörper un-
terstützt wird, Garderobe
und Toiletten erhalten
Niederdruckdampfheizung.
Zur Aufnahme der beiden
Kessel mit 406 qm Heiz-
fläche ist in 35 m Entfernung
von der Halle ein besonde-
res Gebäude errichtet. Um
Zugerscheinungen zu ver-
meiden, wurde für die Halle
das System der Pulsions-
Lüftung gewählt. Die Heiz-
kammern befinden sich un-
ter den Gürtelbauten, die
Frischluft wird aus besonde-
ren Lufthäuschen entnom-
Aufg. Rud. Minderer, Elberfeld.
Aus Tauberbischofsheim.
men, angesaugt und durch einen an der Kellerdecke hängenden
Rabitzkanal nach den aufsteigenden Luftkanälen geleitet. Die
Luft tritt in den Fensternischen des 2. Ranges aus. Durch ent-
sprechende Umschaltung kann während des Anheizens die
Anlage als Umluftheizung betrieben werden. Die Heizungs-
anlage wurde von der Firma Rud. Otto Meyer-Hamburg aus-
geführt. Die Beleuchtung erfolgt durch eine Anzahl von Bogen-
lampen in sämtlichen Knotenpunkten der Eisenkonstruktion,
und durch 50kerzige Metallfadenlampen, die in 30 cm Ab-
stand an den Galerie-Vorsprüngen entlang geführt sind; als
Festbeleuchtung, die s. Z. auf sämtliche Besucher überwäl-
tigend wirkte, treten hiezu noch eine dichte Reihe von ca. 19000
Miniatur-Lampen, die den Architekturlinien folgen, und an den
Unterkanten der Eisenkonstruktion in 12 cm Abstand an-
einandergereiht sind. Zu dieser letzteren Anlage gab die Be- |
leuchtung des Grand Palais
zu Paris bei der Automobil-
ausstellung 1908 Anregung.
Die Bauausführung ging
dankdem gutenZusammen-
wirken des Architekten, des
Werkes Gustavsburg und
der Firma Phil. Holzmann
mit staunenswerter Schnel-
ligkeit von statten. Nach der
im Herbst 1907 erfolgten
Entscheidung des Preisge-
richts begann sofort die
Projektbearbeitung, im Mai
1909 konnte die Halle mit
ihren Gürtelbauten anläss-
lich des dritten deutschen
Gesangwettstreites über-
geben werden, nachdem sie
beim deutschen Turnfest im
Herbst 1908 bereits vorüber-
gehend ausgestattet und be-
nutzt worden war.
Der Raum verbietet es,
aus der grossen Schar der
Mitarbeiter und beteiligten
Firmen auch nur einige her-
vorzuheben. Auch hier sei
auf die klar abgefasste und
überaus lesenswerte Denk-
schrift verwiesen, die auch
über die nicht leichte Finan-
zierung des gewaltigen
Unternehmens Aufschluss
gibt. _
Haus Roesner
in Dresden.
Der stetig sich vergrös-
sernde Verkehr unserer
Grossstädte, die damit ver-
bundenen neuen und anders
wie früher gestalteten Be-
dürfnisse bringen Verhält-
nisse mit sich, die manches
Zeit in seinem Bestände nicht nur gefährden, sondern es dem
Untergange weihen. Der Denkmalpfleger hat da einen schweren
Stand. Das Haus in seiner ganzen Art des Aufbaues, der inneren
Einrichtung usw. kann neuzeitlichen Ansprüchen nicht mehr
genügen. In seinem alten Zustande kann sich das Haus bei
den hohen Grundstückspreisen, insbesondere in Hauptverkehrs-
und Geschäftsstrassen nicht mehr rentieren. Moderne Schaufen-
ster sollen eingebrochen, die Treppe umgelegt werden, vielleicht
zeigt es sich auch bei der Untersuchung, dass das Dach oder
sonstige Teile einer gründlichen kostspieligen Renovation be-
dürftig sind. Kurz, das Haus muss fallen und es tritt dabei die
Frage auf, wie soll der Neubau gestaltet werden? Die Zeit ist
noch nicht allzufern, in der man diese Frage überzeugungstreu
und auch in der Meinung, das allein Richtige damit zu treffen,
kurz dahin beantwortete: Man baut das Haus von neuem auf,
bringt den neuzeitlichen Be-
dürfnissen dienende Schau-
fenster, Wohnungsfenstcr
etc. an, und bildet im übri-
gen die Fassade, so weit es
nur irgend möglich ist, der
alten getreu nach, auch in
den ornamentalen Einzel-
heiten. Und gerade auf diese
letzteren hatte man häufig
das Hauptgewicht gelegt
und damit das Vorzüglichste
zu erreichen geglaubt. Un-
sere Neuzeit denkt heute
anders darüber und auch
diemoderneDenkmalpflege
nimmt heute einen anderen
Standpunkt solchen Fragen
gegenüber ein. Der histori-
sche Wert eines Baudenk-
mals ist mit dessen Ab-
bruche dahin, ebenso wie
grössere Um- oder Anbau-
ten daran den Stimmungs-
wert unwiederbringlich
schwinden machen. Bei
einem späteren Wiederauf-
bau ist es nun völlig gleich-
giltig, ob der Neubau in
modernen Formen gehalten
ist oder in solchen irgend
einer alten früheren Stilart.
Bei dem Neubau des Roes-
nerschen Hauses, der uns
hier interessiert, waren
sehr viele und höchst
wichtige Momente zu be-
rücksichtigen. Dieser Teil
der Dresdner Schlossstrasse
ist eine der interessantesten
Häuserreihen der Stadt. Die
Ecke ist das einzige erhal-
tene, wenn auch teilweise
veränderte, gotische Haus
Dresdens mit prachtvollem
Erker und sehr schönen
alte Bauwerk unserer Väter
Arch. William Lossow und Max Hans Kühne, Dresden.
Haus Roesner, Dresden.
gotischen Statuen daran.