144
DER BAUMEISTER » 1909, SEPTEMBER.
Inneres mit Orgel.*
Dann folgt eine lange
Reihe reizvoller Ba-
rockhäuser mit ihren
schönen bezeichnen-
den Erkern und Dach-
ausbauten. In diese
Reihe und zwar zwi-
schen das gotische
Hausund seinenNach-
barn sollte nun der
Neubau des Roesner-
schen Hauses treten.
Die Erbauer des neuen
Hauses, die Architek-
ten William Lossow
und Max Hans Kühne
in Dresden, haben
meines Erachtens ihre
Aufgabe ganz muster-
giltig gelöst. Sie waren
sich von vornherein
bewusst, dass mit dem
Falle der alten Fassade
der historische Wert
des Bauwerks für alle
Zeit dahin war und sie
waren bemüht, den
Neubau so zu errich-
ten, dass der ästhe-
tische Stimmungswert
erhalten bliebe. Die-
ser Neubau zeigt von
grosser künstlerischer
Vorsicht und Einsicht
insofern das Bauwerk
Kanzel.*
auch in seinen neuen
Formen innig mit
seiner Umgebung
zusammengehört.
Das Strassenbild ist
nicht zerstört, die
malerische Erschei-
nung der Häuser in
ihren gegenseitigen
Verhältnissen ist
nicht vernichtet, der
Neubau kommt für
sich ebenso zur Wir-
kung, wie im Zu-
sammenhänge mit
seinen Nachbarbau-
ten. Das alles ist
erreicht mit durch-
aus modernen For-
men,bei denen nicht
ein einziges Detail
an eine alte vergan-
gene Stilart anklingt.
Nur in grossen Zü-
gen sind die Kon-
turen der alten Fas-
sade mit dem schö-
nen, zu einer reizen-
den kleinen Woh-
nung mit Balkon
ausgebauten Dache
eingehalten. Was
uns bei dem Be-
trachten der Fassade
unbewusst so wohl-
tuend berührt, sind
die vorzüglichen
Proportionen. Es ist
interessant, das Ver-
hältnis der Dach-
höhe zu der der
Fassade, Höhe und
Breite der einzelnen
Fenster, der Erker,
des Zwischenge-
schosses, derSchau-
fenster und derglei-
chen in ihren Ver-
hältnissen zu ein-
ander und zum gan-
zen Baue sich aus-
zumessen und zu
berechnen. Schon
im Detail ist das
Goldschmiede-
handwerk des Be-
sitzers angedeutet
worden. Die Erker
bestehen aus Kupfer
mit vergoldeten Or-
namenten und senk-
rechten Stäben,
auch das Balkon-
gitter des Dachge-
schosses ist vergol-
det. Die unteren
zwei Geschosse
sind in schwarzem
Material, die obe-
ren Geschosse in
rotem Mainsand-
stein ausgeführt.
Wenn ein Altes
fällt, wirkt es gleich-
sam wie ein stiller
Trost, wenn an die
Stelle des schönen
Alten ein gleich-
wertig schönes
Neue tritt. Aller-
dings gehört dazu
eine tiefe Einsicht
in das Wesen der
künstlerischen Wir-
kung und das ist
bei dem Roesner-
schen Neubau von
Lossow und Kühne
bis in die Einzel-
heiten der Fall.
Dr. Robert Bruck.
*Arch. Dolmetsch f, Th. Dolmetsch u. Schuster, Stuttgart.
Markuskirche in Stuttgart. (Siehe Suppl.-Tfl. 23.)
Verlag: Georg D. W. Callwey in München. Verantwortlich: Hermann Jansen in Berlin W. 35. Druck: Kastner & Callwey in München.
DER BAUMEISTER » 1909, SEPTEMBER.
Inneres mit Orgel.*
Dann folgt eine lange
Reihe reizvoller Ba-
rockhäuser mit ihren
schönen bezeichnen-
den Erkern und Dach-
ausbauten. In diese
Reihe und zwar zwi-
schen das gotische
Hausund seinenNach-
barn sollte nun der
Neubau des Roesner-
schen Hauses treten.
Die Erbauer des neuen
Hauses, die Architek-
ten William Lossow
und Max Hans Kühne
in Dresden, haben
meines Erachtens ihre
Aufgabe ganz muster-
giltig gelöst. Sie waren
sich von vornherein
bewusst, dass mit dem
Falle der alten Fassade
der historische Wert
des Bauwerks für alle
Zeit dahin war und sie
waren bemüht, den
Neubau so zu errich-
ten, dass der ästhe-
tische Stimmungswert
erhalten bliebe. Die-
ser Neubau zeigt von
grosser künstlerischer
Vorsicht und Einsicht
insofern das Bauwerk
Kanzel.*
auch in seinen neuen
Formen innig mit
seiner Umgebung
zusammengehört.
Das Strassenbild ist
nicht zerstört, die
malerische Erschei-
nung der Häuser in
ihren gegenseitigen
Verhältnissen ist
nicht vernichtet, der
Neubau kommt für
sich ebenso zur Wir-
kung, wie im Zu-
sammenhänge mit
seinen Nachbarbau-
ten. Das alles ist
erreicht mit durch-
aus modernen For-
men,bei denen nicht
ein einziges Detail
an eine alte vergan-
gene Stilart anklingt.
Nur in grossen Zü-
gen sind die Kon-
turen der alten Fas-
sade mit dem schö-
nen, zu einer reizen-
den kleinen Woh-
nung mit Balkon
ausgebauten Dache
eingehalten. Was
uns bei dem Be-
trachten der Fassade
unbewusst so wohl-
tuend berührt, sind
die vorzüglichen
Proportionen. Es ist
interessant, das Ver-
hältnis der Dach-
höhe zu der der
Fassade, Höhe und
Breite der einzelnen
Fenster, der Erker,
des Zwischenge-
schosses, derSchau-
fenster und derglei-
chen in ihren Ver-
hältnissen zu ein-
ander und zum gan-
zen Baue sich aus-
zumessen und zu
berechnen. Schon
im Detail ist das
Goldschmiede-
handwerk des Be-
sitzers angedeutet
worden. Die Erker
bestehen aus Kupfer
mit vergoldeten Or-
namenten und senk-
rechten Stäben,
auch das Balkon-
gitter des Dachge-
schosses ist vergol-
det. Die unteren
zwei Geschosse
sind in schwarzem
Material, die obe-
ren Geschosse in
rotem Mainsand-
stein ausgeführt.
Wenn ein Altes
fällt, wirkt es gleich-
sam wie ein stiller
Trost, wenn an die
Stelle des schönen
Alten ein gleich-
wertig schönes
Neue tritt. Aller-
dings gehört dazu
eine tiefe Einsicht
in das Wesen der
künstlerischen Wir-
kung und das ist
bei dem Roesner-
schen Neubau von
Lossow und Kühne
bis in die Einzel-
heiten der Fall.
Dr. Robert Bruck.
*Arch. Dolmetsch f, Th. Dolmetsch u. Schuster, Stuttgart.
Markuskirche in Stuttgart. (Siehe Suppl.-Tfl. 23.)
Verlag: Georg D. W. Callwey in München. Verantwortlich: Hermann Jansen in Berlin W. 35. Druck: Kastner & Callwey in München.