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Baumeister: das Architektur-Magazin — 7.1909

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Rapsilber, Maximilian: Messels System
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52602#0119

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Dffi BAUMEISTER

HERAUSGEBER: oooooooo
HERMANN JANSEN,
WILLIAM MÜLLER,
ARCHITEKTEN, BERLIN
ALLE ZUSENDUNGEN AN DIE SCHRIFT-
LEITUNG: BERLIN W 35., STEGLITZERSTR. 53
VII. Jahrgang

»< MONATSHEFTE
55 FÜR ARCHITEKTUR fSj
UND BAUPRAXIS, jft

Juli 1909

VERLAG UND EXPEDITION:.
GEORG D. W. CALLWEY
MÜNCHEN, FINKENSTR. 2
BERLIN W. 57. KURFÜRSTEN-
STRASSE 8
Heft 10

INHALT: Hauptblatt: Messels System. Von M. Rapsilber, Gharlottenburg. (14 Abb. Tfln. 73/79.) — Das Schulhaus am Lerchenhain in
Heslach-Stuttgart. Arch. Prof. Paul Bonatz und F. E. Schöler, Stuttgart. Von Regierungsbaumeister Fridolin Rimmele, Stuttgart.
(7 Abb., Tfl. 80, Suppl.-Taf. 19/20.)
Beilage: Antike Denkmalsäulen in Konstantinopel. Von Geh. Hofrat Prof. Dr. Oornelius Gurlitt, Dresden. (Schluss aus Heft 9.) •— Zur
Berechnung flusseiserner Stützen. Von Ing. Heinrich Lieb, M.-Gladbach. (Schluss aus Heft 9.) — Bücherbesprechungen. — Bücher-
schau. — Chronik. — Verschiedenes.
Tafeln: 73/75: Haus Sr. Exc. Schöne, Grünewald. 76/79: Landhaus Dr. Ostermann, Darmstadt. Arch. Geh, Reg.-Rat Professor Dr.
Alfred Messel — 80 mit Suppl.-Taf. 19/20: Schule in Heslach-Stuttgart. Arch. Prof. Paul Bonatz u. F. E. Schöler, Stuttgart.

Messels
Alfred Messels Lebenswerk bildet ein wundervolles Para-
digma für die nationale Eigenart des Volkes der Denker und
Dichter. Der deutsche Charakter hat entfernt nicht die klare
und scharfe Umrisslinie wie etwa der französische und eng-
lische und er steht auch weit ab von der klassischen Glätte
Italiens. Jene Grundverschiedenheit, die einstmals Dürer von
Raphael schied, ist immer noch unseres Geistes bester Teil
geblieben. Und so hat auch heute noch die Ergründung eines
deutschen Künstleringeniums seine ganz besondere Schwierig-
keit. Worauf es ankommt, das ist ein heimlicher minniglich
webender Zauber in der Tiefe des Gemütes und in diesen
dunklen Tiefen ruht der Inbegriff des echt deutschen Kunstwerks.
Es wurzelt im Dunkel der Empfindung und reift an der Sonne
des Denkens. Das sind zwei konträre Kräfte, die seit jeher
in Krieg miteinander gelegen, auf deutscher Erde aber doch
zuweilen Waffenstillstand geschlossen, um ausserordentliche
Gebilde ins Dasein zu rufen. Denker und Dichter in einer
Person ist zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts Schinkel
gewesen und zu Ende desselbigen Säkulums verkörpert sich
dieses Phänomen in Messel. Es kam beide Male nicht zu
letzter Vollendung, weil Schinkel sowohl wie Messel vorzeitig
unter ihrer Bürde niederbrachen. Rein äusserlich scheint es,
als ob die Entwicklung Messels im ehernen Schritt der Gesetz-

System.
mässigkeit ihren vorgezeichneten Weg durch drei Jahrzehnte
vollendet habe. Bei näherer Betrachtung aber enthüllt sich
hinter dem Werke des Denkers die Psyche des Dichters und
Bildners, die doch wohl den eigentlichen Zauber in Messels
Persönlichkeit mit sich führte. Um den gewaltigen Aufmarsch
der Axen, um das lapidare Gerüst seines Systems rankte
sich ein empfindsames Arabeskenwerk, das an der starren
Linie rüttelte, die ernste Masse zu modellieren und zu beseelen
und Anmut mit Würde zu kopulieren trachtete. In der feinsten
Differenzierung des Ausdrucks auf Grundlage der einfach
strengen Linie suchte Messel sein letztes Ziel, in einem ner-
vösen Suchen und Grübeln, in beständigem Verwerfen und
Schwenken immer dieser Fata morgana nachtrachtend. Als er
während des Wertheimbaues die grosse Schwenkung machte,
erfasste er sein Ideal zum erstenmal, ohne vorerst den letzten
Ausdruck zu finden. Als er aber von dem Alb des Waren-
hauses erlöst war, sammelte er seine chaotisch erregten Kräfte
zu einem neuen Anlauf in dem Hause Viktoriastrasse 7, das
eine wahre Sisyphusarbeit mit sich brachte und zugleich die
Kulmination seiner mittleren Epoche darstellt. Nun aber streifte
er den Entwicklungsballast von sich und meisterte endlich
das letzte Ziel aller Kunst. Er gab der Architektur ihre ur-
sprüngliche Würde zurück und mit einer Empfindsamkeit


Arch. Alfred Messel f

Haus Sr. Exc. Schöne, Grünewald, Wangenheinistrasse 15. (Siehe Tafeln 73/75.)
 
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