^±AzGü* DER BAUMEISTER,
1909, JULI
MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS .
VII. JAHRGANG, HEFT 10
Arch. Alfred Messel f.
Landhaus Dr. Ostermann, Darmstadt. Diele.
Antike Denkmalsäulen in Konstantinopel.*)
Von Cornelius Gurlitt.
(Schluss aus Heft 9.)
Der Bau ist von Würfelgestalt, die vier seitlichen Flächen sind mit
(je?) vier Arkaden verziert. Ueber ihm liegt eine andere Basis aus
weissem Marmor, und über dieser wieder eine andere und darüber
eine dritte und auf dieser ein vierter Gürtel von Marmor, sodass die
drei von der ursprünglichen Breite verschmälert aufsteigen, der Gürtel
aber über ihnen einen Kreis bildet und dem Schaft die entsprechende
Unterlage gewährt. Hierauf ist die Säule aufgerichtet, die vor
Alters, wie wir hören mit kostbarem Erz bekleidet war. Jetzt aber
erscheint sie nackt, so dass man die Steine zählen kann, wie viel
es sind, und zu erkennen vermag, dass sie gebrannt waren und
wie sie vermauert wurden. Sie hat Reifen von demselben weissen
Stein, deren bis zu zehn in gleichen Abständen am Schaft ange-
bracht sind.
Dann folgen andere Reifen (also runde Schichten!) von weissem j
Marmor, die aber aneinander stossen, der zweite an den ersten, der
dritte an den zweiten und so fort bis zum neunten. Diese haben
aber nicht alle denselben Bau, sondern sie erweitern sich in die
Breite, so dass sie der Deckplatte eine breite Grundlage geben.
Diese Platte aber bildet zu den neun Reifen den zehnten, damit
auch dieser Teil nicht der Vollkommenheit entbehre. Die Gestalt
dieses Steines aber ist viereckig, jedoch nach der Mitte einge-
zogen , so dass die Linie gebrochen ist und durch Steine die
Brüche bezeichnet werden. Und allein mit Ausnahme von diesen
wird der ganze Stein rings von Erz verhüllt. Hierauf legte der
Künstler, indem er den Bau wieder enger einzog, einen dicken
Stein auf und auf diesen einen anderen, der gegen jenen noch
kleiner war, aber dem Pferde einen passenden Aufstand gewährte.
Denn nicht nur die Breite der Säule war wegen der Sicherheit des
Aufstandes nötig, sondern andererseits auch die Schmalheit, damit
das darauf gestellte Kunstwerk allseitig sichtbar werde.“
Nikephoros Gregoras, der um 1350 schrieb, einer Re-
staurierung der Statue mit zusah und die Säule bestieg,
fügt hinzu:
Die Säule hatte von oben bis zur Basis eine durchlöcherte Ober-
fläche infolge des Ausziehens der Nägel, die die Lateiner jedoch
mit der ehemaligen Erzbekleidung geraubt hatten. Man überzog sie
mit einer glatten und festen Masse und verband und umhüllte alle
Spalten.“
Gyllius endlich erzählt zu Anfang des 16. Jahrhunderts:
„Vor 30 Jahren wurde die Säule ganz zerstört bis auf den Sockel,
den ich im vorigen Jahr habe bis auf den Grund abtragen gesehen.
*) Dieser Aufsatz mit 5 Abbildungen und 1 Doppeltafel ist auch als Sonderabdruck
Aus dem Unterbau sprudelte Wasser in ein grosses Becken. Jetzt
hat man an Stelle des Sockels einen Wasserschloss errichtet und die
Rohre vermehrt.“
Weiter sind die Abbildungen heranzuziehen: Die Säule
erscheint deutlich in der Darstellung des Hippodroms, an-
geblich von 1350, die Banduri beibrachte, hier ohne Unter-
bau, mit toskanischem Kapital, also schematisch gezeichnet.
Ich würde auf die dort angegebene Spirallinie auf dem Säulen-
schaft kein Gewicht legen, wenn sie nicht auf den Darstellungen
Konstantinopels, die auf Gentile Bellini zurückgehen, wieder
erschiene. Sie fehlt auf der Darstellung bei Hartmann
Schedel. Die Sache liesse sich so erklären, dass die Ban-
durische Darstellung, obgleich ihr die 1350 noch vorhandene
Reiterstatue fehlt, den Zustand vor dem von Nikephoros
geschilderten Verputz und die Bellinische nach Abbröckelung
dieses darstellt, d. h. dass man an der Säule die Spuren
der spiralförmig angebrachten Krampen für die Bronzever-
täfelung deutlich sah.
Die Masse der Säule sind ganz unklar. Kodinos, der um
1450 febte, erzählt eine romantische Geschichte: Man habe
den Schöpfer der Säule, Ignatios, auf dieser zurückgelassen
und die Leitern fortgenommen. Dieser habe an einem Bind-
faden ein Seil heraufgezogen, mit dessen Hilfe er sich vom
Tode rettete. Dieser Faden war 55 Ellen lang. Er musste
aber noch Mantel, Unterkleid, Schweisstuch und Gürtel an-
binden, um den Boden zu erreichen. Das ergibt folgende
Höhe:
55 Ellen ä 0,68 m (?) rund . . 37 m
4 Kleidungsstücke ä 1,50 m . . 6 m
43 m
Dabei nehme ich an, dass der Faden nur bis auf den
breiten Sockel herabgereicht habe. Bondelmonti, der um
1422 lebte, sagt die Säule sei 6Ö Ellen hoch gewesen, also
etwa 41 m.
Ueber die Gestaltung des Kapitals gibt Hartmann Schedels
Abbildung eine Andeutung — nicht genug, um das freie
Schalten der Phantasie in der Rekonstruktion zu beschränken.
Als Anhaltspunkte für diese seien noch erwähnt: die
Stufen wurden ziemlich hoch gezeichnet, da sie wiederholt
im Kommissions-Verlage von Georg D. W. Callwey, München, erschienen. (Preis 3 Mk /
1909, JULI
MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS .
VII. JAHRGANG, HEFT 10
Arch. Alfred Messel f.
Landhaus Dr. Ostermann, Darmstadt. Diele.
Antike Denkmalsäulen in Konstantinopel.*)
Von Cornelius Gurlitt.
(Schluss aus Heft 9.)
Der Bau ist von Würfelgestalt, die vier seitlichen Flächen sind mit
(je?) vier Arkaden verziert. Ueber ihm liegt eine andere Basis aus
weissem Marmor, und über dieser wieder eine andere und darüber
eine dritte und auf dieser ein vierter Gürtel von Marmor, sodass die
drei von der ursprünglichen Breite verschmälert aufsteigen, der Gürtel
aber über ihnen einen Kreis bildet und dem Schaft die entsprechende
Unterlage gewährt. Hierauf ist die Säule aufgerichtet, die vor
Alters, wie wir hören mit kostbarem Erz bekleidet war. Jetzt aber
erscheint sie nackt, so dass man die Steine zählen kann, wie viel
es sind, und zu erkennen vermag, dass sie gebrannt waren und
wie sie vermauert wurden. Sie hat Reifen von demselben weissen
Stein, deren bis zu zehn in gleichen Abständen am Schaft ange-
bracht sind.
Dann folgen andere Reifen (also runde Schichten!) von weissem j
Marmor, die aber aneinander stossen, der zweite an den ersten, der
dritte an den zweiten und so fort bis zum neunten. Diese haben
aber nicht alle denselben Bau, sondern sie erweitern sich in die
Breite, so dass sie der Deckplatte eine breite Grundlage geben.
Diese Platte aber bildet zu den neun Reifen den zehnten, damit
auch dieser Teil nicht der Vollkommenheit entbehre. Die Gestalt
dieses Steines aber ist viereckig, jedoch nach der Mitte einge-
zogen , so dass die Linie gebrochen ist und durch Steine die
Brüche bezeichnet werden. Und allein mit Ausnahme von diesen
wird der ganze Stein rings von Erz verhüllt. Hierauf legte der
Künstler, indem er den Bau wieder enger einzog, einen dicken
Stein auf und auf diesen einen anderen, der gegen jenen noch
kleiner war, aber dem Pferde einen passenden Aufstand gewährte.
Denn nicht nur die Breite der Säule war wegen der Sicherheit des
Aufstandes nötig, sondern andererseits auch die Schmalheit, damit
das darauf gestellte Kunstwerk allseitig sichtbar werde.“
Nikephoros Gregoras, der um 1350 schrieb, einer Re-
staurierung der Statue mit zusah und die Säule bestieg,
fügt hinzu:
Die Säule hatte von oben bis zur Basis eine durchlöcherte Ober-
fläche infolge des Ausziehens der Nägel, die die Lateiner jedoch
mit der ehemaligen Erzbekleidung geraubt hatten. Man überzog sie
mit einer glatten und festen Masse und verband und umhüllte alle
Spalten.“
Gyllius endlich erzählt zu Anfang des 16. Jahrhunderts:
„Vor 30 Jahren wurde die Säule ganz zerstört bis auf den Sockel,
den ich im vorigen Jahr habe bis auf den Grund abtragen gesehen.
*) Dieser Aufsatz mit 5 Abbildungen und 1 Doppeltafel ist auch als Sonderabdruck
Aus dem Unterbau sprudelte Wasser in ein grosses Becken. Jetzt
hat man an Stelle des Sockels einen Wasserschloss errichtet und die
Rohre vermehrt.“
Weiter sind die Abbildungen heranzuziehen: Die Säule
erscheint deutlich in der Darstellung des Hippodroms, an-
geblich von 1350, die Banduri beibrachte, hier ohne Unter-
bau, mit toskanischem Kapital, also schematisch gezeichnet.
Ich würde auf die dort angegebene Spirallinie auf dem Säulen-
schaft kein Gewicht legen, wenn sie nicht auf den Darstellungen
Konstantinopels, die auf Gentile Bellini zurückgehen, wieder
erschiene. Sie fehlt auf der Darstellung bei Hartmann
Schedel. Die Sache liesse sich so erklären, dass die Ban-
durische Darstellung, obgleich ihr die 1350 noch vorhandene
Reiterstatue fehlt, den Zustand vor dem von Nikephoros
geschilderten Verputz und die Bellinische nach Abbröckelung
dieses darstellt, d. h. dass man an der Säule die Spuren
der spiralförmig angebrachten Krampen für die Bronzever-
täfelung deutlich sah.
Die Masse der Säule sind ganz unklar. Kodinos, der um
1450 febte, erzählt eine romantische Geschichte: Man habe
den Schöpfer der Säule, Ignatios, auf dieser zurückgelassen
und die Leitern fortgenommen. Dieser habe an einem Bind-
faden ein Seil heraufgezogen, mit dessen Hilfe er sich vom
Tode rettete. Dieser Faden war 55 Ellen lang. Er musste
aber noch Mantel, Unterkleid, Schweisstuch und Gürtel an-
binden, um den Boden zu erreichen. Das ergibt folgende
Höhe:
55 Ellen ä 0,68 m (?) rund . . 37 m
4 Kleidungsstücke ä 1,50 m . . 6 m
43 m
Dabei nehme ich an, dass der Faden nur bis auf den
breiten Sockel herabgereicht habe. Bondelmonti, der um
1422 lebte, sagt die Säule sei 6Ö Ellen hoch gewesen, also
etwa 41 m.
Ueber die Gestaltung des Kapitals gibt Hartmann Schedels
Abbildung eine Andeutung — nicht genug, um das freie
Schalten der Phantasie in der Rekonstruktion zu beschränken.
Als Anhaltspunkte für diese seien noch erwähnt: die
Stufen wurden ziemlich hoch gezeichnet, da sie wiederholt
im Kommissions-Verlage von Georg D. W. Callwey, München, erschienen. (Preis 3 Mk /