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Baumeister: das Architektur-Magazin — 7.1909

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Rimmele, Fridol.: Die Markuskirche in Stuttgart: Architekt Oberbaurat Dolmetsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.52602#0372

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BEILAGE TAED RATIMPTQTPD MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
= ZU: u u DÄ U nlE 1 U 1 L 1A5 UND BAUPRAXIS .—. —
1909, SEPTEMBER VII. JAHRGANG, HEFT 12

hindurch

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Kandelaber für zwei Gaslampen und eine Glühlampe der Eisenhütten- und Emaillierwerke, Tangerhütte.

von der,
eigenen,
Baustoffe
tes, materialgerechtes Schaffen tritt vor
allem in den Holzarbeiten der Markuskirche,
sie mögen Träger noch so moderner For-
men sein, unverkennbar und vorteilhaft
hervor. — All die praktischen Erfahrungen,
die Dolmetsch ein langes Menschenalter
hindurch im Kirchenbau sammelte, hat er,
gleichsam wie ein geistiges Vermächtnis,
in der Stuttgarter Markuskirche niedergelegt.
Sie mag in künstlerischer Hinsicht von ande-
ren neuen Gotteshäusern übertroffen sein;
was aber ihre technischen Einrichtungen,
die künstlichen Grundlagen einer guten
Akustik, wie auch die vielen erprobten
praktischen Kleinigkeiten ihrer Ausstattung
anbelangt, so darf sie mit Recht als eine vor-
bildliche Musterkirche bezeichnet werden.
An der Kreuzung der Filderstrasse mit
der sanft ansteigenden Römerstrasse erhebt
sich die Markuskirche auf dreieckigem
Grundstück. In den hinter ihr steil auf-
steigenden bewaldeten Höhen besitzt sie,
von der Talseite gesehen, einen landschaft-
lichausserordentlich reizvollen Hintergrund,
der die Aufmerksamkeit des Beschauers von
der wenig glücklichen Architektur der be-
nachbarten neueren Häuser ablenkt. Um so
schöner ist die nächste Umgebung der
Kirche nach der andern Seite, wo die präch-
tigen Bäume des angrenzenden ausgedehn-
ten Fangelsbachfriedhofes einen überaus
günstigen Rahmen für die Erscheinung der

o os
Entworfen Prof. Emil Högg, Bremen.

Im April vorigen Jahres wurde in Stuttgart die neue Markus-
kirche vollendet, das letzte grosse Werk des bekannten, nun-
mehr verstorbenen württembergischen Kir-
chenbaumeisters Oberbaurat Dolmetsch.
Er gehörte noch zu den Meistern alter
Schute. In den strengen historischen Stilen
aufgewachsen, hat er dieselben jahrzehnte-
lang in überaus reicher Tätigkeit geübt. Im
Geiste ihrer Zeit geschaffen, jener für die
Baukunst so wenig fortschrittlichen Jahre,
vermögen nicht alle seine Werke unserem
heutigen Geschmacke zu entsprechen. Um
so erstaunlicher war die Frische, mit der
sich Dolmetsch bei seinen letzten Arbeiten,
zumal bei der Markuskirche, einer neuzeit-
lichen Kunstauffassung genähert hat. —
Wenn auch im allgemeinen dieser Bau
noch an alte romanische.Formen erinnert,
so ist doch die Einzelausbildung der Archi-
tektur
und vor allem die Aus-
gestaltung des Innen-
raumes von durch-
aus modernem
Geiste durchsetzt.
Und diese Architek-
turwandlung hat sich
bei Dolmetsch voll-
zogen, ohne dass er
unserer mittelalterlichen Kunst
zweckmässigen Behandlung der
abgewichen wäre. Sein gewohn-

Die Markuskirche in Stuttgart,
Architekt Oberbaurat Dolmetsch f. (Abb Hauptblatt Seite 144 und Suppl-Tafel 23)
Kirche bilden. Es bleibt nur zu bedauern, dass Kirche und
Pfarrhaus mit diesem alten Friedhof und seinen stillen Wegen
nicht in die innige Verbindung gebracht
wurden, die hier notwendig hätte geschaf-
fen werden müssen. Wenn eine Kirche
in solch unmittelbare Nähe eines Gottes-
ackers rückt, dann fordert schon die Tra-
dition deren Zusammengehörigkeit und
dies umsomehr, wenn Friedhof wie Kirche
durch eine solche nur gewinnen können.
Wohl führt ein kleines Törchen einer alten
Bretterwand von den Gräbern zur Kirche;
aber es muss gesucht werden und vermag
das durch den Zaun hervorgerufene Ge-
‘ fühl der Trennung nicht aufzuheben. Hier
sollte jede Grenze fallen! Es müsste eine
Schönheitsbereicherung des Friedhofs be-
deuten, wenn hier und dort zwischen den
alten Denkmälern und Bäumen
ein unmittelbar freier
Durchblick auf die
Kirche geschaffen
würde. Ein paar alte
wertvolle Grabsteine
an die Kirchenmauer,
gelehnt könnten ihr
malerischen Reiz ver-
leihen, während sich
gleichzeitig durch solche Einbeziehung der
Kirche in den Friedhof die Enge ihres dortigen
Ausganges zu einem freien Platze erweitern
liesse. Vor allem aber dürfte dann der pfarr-
herrliche Waschtrockenplatz, der sich jetzt im
Anschluss an den Bretterzaun zwischen Fried-
hof und Kirche drängt und in solch poesie-
voller Umgebung doppelt nüchtern wirkt, un-
möglich gemacht sein! Keinerlei Mahnung
an des Lebens Alltäglichkeit würde dann die
feierliche Friedhofstimmung stören, die den an-
dächtigen Kirchenbesucher gleich beim Aus-
tritt umfangen müsste. Statt nun aus solchen
Gründen den alten morschen Zaun fallen zu
lassen, wie es die ursprüngliche Absicht des
Architekten gewesen sein soll, plant man, den-
selben durch eine dauerhafte Mauer zu ersetzen.
Wohl mögen Gründe des Eigentumrechts oder
der Friedhofordnung solch sichtbare Güter-
trennung und gegenseitige Abgeschlossenheit
als zweckmässig und daher wünschenswert
erscheinen lassen; notwendig aber wären sie
nichtl Zwischen Nachbarn von solch ver-
wandtem, friedfertigen Charakter sollten sich
Grenzstreitigkeiten auch auf andere Weise ver-
meiden lassen! Es wäre sehr zu wünschen,
dass die Pläne der Mauer unausgeführt zu den
Akten gelegt würden, um dort für immer zu
verbleiben, selbst wenn später einmal die Be-
stattungen auf dem Fangelsbachfriedhof auf-
gehört und derselbe den Charakter eines öffent-
lichen Parks angenommen haben sollte.
Eins mag dabei auch hier nicht unausge-
sprochen bleiben: das Bedauern über die ge-
plante spätere Durchquerung des Friedhofs
durch eine Fahrstrasse! Es ist ja in unserer
 
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