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DER BAUMEISTER » 1909, MAI.
Die neue Handelshochschule
in Köln a. Rh.
Arch. Ernst Vetterlein, Darmstadt.
Die im Mittelpunkt des südlichen neuen Stadt-
teiles von Köln in unmittelbarer Nähe des
Römerparks am Rhein gelegene Handelshoch-
schule wurde im Oktober 1907 ihrer Be-
stimmung übergeben. Ihr Schöpfer ist der an
der Darmstädter Hochschule wirkende Prof.
Dr. ing. Vetterlein, welcher in der voraus-
gegangenen Konkurrenz Sieger geworden war
und sich mit diesem seinem ersten grossen
Werk zugleich auch den Anspruch auf einen
hervorragenden Platz unter den jüngern Archi-
tekten Deutschlands erworben hat. Aus den
Grundrissen wird die mannigfaltige Bestim-
mung des aus dem weissen Sandstein der Bam-
berger Gegend errichteten Baues mit seinen
Hörsälen, Seminaren, Verwaltungszimmern,
zwei vollständigen Laboratorien, Bibliotheken
etc. ersichtlich; dazu noch Turnhalle und Er-
frischungsraum! Fürwahr, keine leichte Auf-
gabe, den rhythmischen Zusammenschluss so
vielgestaltiger Räume zu ermöglichen, ist hier
auf das Trefflichste gelöst: Die Anordnung ist
streng axial, aber keiner Raumgruppe ist da-
bei ein Zwang angetan. Vielmehr entwickelt
sich alles sinngemäss, praktisch und dabei den
ästhetischen Regeln einer guten Bildwirkung
getreu. In den Verkehrsräumen, Vestibülen,
Korridoren und Treppenanlagen sind ohne
Aufwand der üblichen Dekorationsmittel, wie
Säulen und Kartuschen geradezu monumentale
Wirkungen von grosser Kraft, verständiger
Klarheit und dabei neuer eigenartiger Gestal-
tung erzielt. Durch das kluge, wohlberechnete
Masshalten im Dekorativen ist überall ein ge-
messen vornehmer, dem Bestimmungscharak-
ter des Hauses entsprechender Eindruck
hervorgerufen, ohne dass hierbei die durch
Kunstentwickelung, dass der Meister
diesen Weg nicht selbst weitergehen
konnte, eben jetzt nicht, wo eines der
allerwichtigsten Werke für Berlins Bau-
entwicklung in seine Hand gelegt war.
Man hört zwar, dass die Pläne zu den Er-
weiterungsbauten für die königlichen
Museen in der Hauptsache noch von
Messel festgelegt seien. Aber in wessen
Hände werden sie übergehen? Wer weiss
auch nur, wie weit das Gezeichnete
schliesslich von Messel selbst festgehalten
worden wäre? War doch gerade das
immer neue Ringen um die beste Lösung
noch während der Ausführung womög-
lich, ihm ein verhängnisvolles Bedürfnis;
verhängnisvoll, insofern er dabei seine
Kräfte aufrieb. Lag hierin die Traktik
seines Lebens, insofern er bei wachsen-
den Erfolgen, wachsendem Ruhm, un-
absehbar sich mehrenden Aufträgen,
immer mühsamer um die Nervenkraft
zuschöpferischerTätigkeit ringen musste,
so steht gerade dadurch doch sein Cha-
rakter als etwas rührend und erhaben
Vorbildliches vor uns. Er hat dem Erfolg
nie Zugeständnisse gemacht, nie seinen
Namen statt seiner Leistung ausgespielt.
Sein Schaffen war ihm Kampf, und bei
keinem Siege hielt er’s für genug des
Strebens. Unter unseren „berühmten“
Künstlern: wer nahm seine Aufgabe
ernster? War nicht vielleicht seine Kunst
nur so reif und echt, weil ein so edler,
so ernster Mensch hinter ihr stand? Ein
Mann, den lieben musste, wer ihn näher
gekannt hat.
Hans Schliepmann.
*Arch. Heinrich Schweitzer, Berlin.
Arbeiterinnenheim Moabit-Berlin. Eingang.
(Siehe Tafel 57/58.)
*
DER BAUMEISTER » 1909, MAI.
Die neue Handelshochschule
in Köln a. Rh.
Arch. Ernst Vetterlein, Darmstadt.
Die im Mittelpunkt des südlichen neuen Stadt-
teiles von Köln in unmittelbarer Nähe des
Römerparks am Rhein gelegene Handelshoch-
schule wurde im Oktober 1907 ihrer Be-
stimmung übergeben. Ihr Schöpfer ist der an
der Darmstädter Hochschule wirkende Prof.
Dr. ing. Vetterlein, welcher in der voraus-
gegangenen Konkurrenz Sieger geworden war
und sich mit diesem seinem ersten grossen
Werk zugleich auch den Anspruch auf einen
hervorragenden Platz unter den jüngern Archi-
tekten Deutschlands erworben hat. Aus den
Grundrissen wird die mannigfaltige Bestim-
mung des aus dem weissen Sandstein der Bam-
berger Gegend errichteten Baues mit seinen
Hörsälen, Seminaren, Verwaltungszimmern,
zwei vollständigen Laboratorien, Bibliotheken
etc. ersichtlich; dazu noch Turnhalle und Er-
frischungsraum! Fürwahr, keine leichte Auf-
gabe, den rhythmischen Zusammenschluss so
vielgestaltiger Räume zu ermöglichen, ist hier
auf das Trefflichste gelöst: Die Anordnung ist
streng axial, aber keiner Raumgruppe ist da-
bei ein Zwang angetan. Vielmehr entwickelt
sich alles sinngemäss, praktisch und dabei den
ästhetischen Regeln einer guten Bildwirkung
getreu. In den Verkehrsräumen, Vestibülen,
Korridoren und Treppenanlagen sind ohne
Aufwand der üblichen Dekorationsmittel, wie
Säulen und Kartuschen geradezu monumentale
Wirkungen von grosser Kraft, verständiger
Klarheit und dabei neuer eigenartiger Gestal-
tung erzielt. Durch das kluge, wohlberechnete
Masshalten im Dekorativen ist überall ein ge-
messen vornehmer, dem Bestimmungscharak-
ter des Hauses entsprechender Eindruck
hervorgerufen, ohne dass hierbei die durch
Kunstentwickelung, dass der Meister
diesen Weg nicht selbst weitergehen
konnte, eben jetzt nicht, wo eines der
allerwichtigsten Werke für Berlins Bau-
entwicklung in seine Hand gelegt war.
Man hört zwar, dass die Pläne zu den Er-
weiterungsbauten für die königlichen
Museen in der Hauptsache noch von
Messel festgelegt seien. Aber in wessen
Hände werden sie übergehen? Wer weiss
auch nur, wie weit das Gezeichnete
schliesslich von Messel selbst festgehalten
worden wäre? War doch gerade das
immer neue Ringen um die beste Lösung
noch während der Ausführung womög-
lich, ihm ein verhängnisvolles Bedürfnis;
verhängnisvoll, insofern er dabei seine
Kräfte aufrieb. Lag hierin die Traktik
seines Lebens, insofern er bei wachsen-
den Erfolgen, wachsendem Ruhm, un-
absehbar sich mehrenden Aufträgen,
immer mühsamer um die Nervenkraft
zuschöpferischerTätigkeit ringen musste,
so steht gerade dadurch doch sein Cha-
rakter als etwas rührend und erhaben
Vorbildliches vor uns. Er hat dem Erfolg
nie Zugeständnisse gemacht, nie seinen
Namen statt seiner Leistung ausgespielt.
Sein Schaffen war ihm Kampf, und bei
keinem Siege hielt er’s für genug des
Strebens. Unter unseren „berühmten“
Künstlern: wer nahm seine Aufgabe
ernster? War nicht vielleicht seine Kunst
nur so reif und echt, weil ein so edler,
so ernster Mensch hinter ihr stand? Ein
Mann, den lieben musste, wer ihn näher
gekannt hat.
Hans Schliepmann.
*Arch. Heinrich Schweitzer, Berlin.
Arbeiterinnenheim Moabit-Berlin. Eingang.
(Siehe Tafel 57/58.)
*