DER BAUMEISTER . 1910, SEPTEMBER.
143
Arch. Wilhelm Holch, Ulm a. D.
Neue Brücke in Ulm unter Schonung des historischen Stadtbildes.
darin, diesem Heim des, Volkes in Waffen4, dieser Stätte des kriegs-
mässigen Ausbildung der Blüte der Nation ein würdiger Aeusse-
res zu geben? Ebenso wie wir unsbemühen, für die lernende
Jugend, ob reich ob arm, ein Geist und Gemüt anregendes, wür-
diges Haus zu schaffen, ebenso hat die heran wachsen de Jugend
ein Recht hierauf, ebenso die Stadt, in deren Weichbild jenes
Gebäude gestellt wird. Gross ist die Zahl befriedigender Lösun-
gen wirklich nicht. Es war nur möglich, zwei vorbildliche, ästhe-
tisch befriedigende Lösungen vorzuführen. Es sind die Kaserne
der Königsdragoner in Stuttgart-Cannstatt, erbaut von der Württ.
Militärverwaltung durch den kgl. Garnisonsbauinspektor Robert
Lang-Stuttgart und die der Feldartillerieregimenter 15 und 51
in Strassburg, erbaut nach den Plänen des Architekten Schimpf
ebendort. Die Art, wie hier die ausgedehnten Gebäude das sonst
so sehr ersehnte Mittel wurden, in grossen Zügen zu disponieren,
kann nicht laut genug begrüsst werden und die Einfügung und
Angliederung der zahlreichen Nebengebäude zeigt von reifem,
künstlerischen Empfinden. Das gewählte Baumaterial unterstützt
diese Absichten aufs beste. (Vergl. Seite 133/39 und Tfl. 89/94.)
Wie die „Kasernierung44 der Bürgerlichen Tausende und
Abertausende in hygienischer und architektonischer Hinsicht
endlich auf ein menschenwürdiges Niveau gehoben werden kann,
dafür setzt erfreulicherweise eine immer grössere Zahl von
Architekten ihr bestes Können ein. Als ideales System ruhiger
Wohnviertel war vom Bauamt Augsburg die dortige Fuggerei
aus dem Jahre 1519 vorgeführt (vergleiche Taf. 85). Zu nennen
ist die reizvolle, das Gemüt in hohem Masse ansprechende
Aufteilung der Hiltensbergerstrasse in München durch Archi-
tekt Otto Lasne (siehe Seite 124 und Tafel 86/88); das höchste
Ziel, Behaglichkeit und Wohlbefinden der Einwohner scheint
dieser Anlage durchaus sicher. In Berlin stehen auf gleicher
Höhe die Wohnstrassen des Beamten-Wohnungsvereins, dessen
Architekt P. Mebes ist. Lehwess und der bekannte Statistiker der
Stadt Schöneberg Dr. Kuczynski arbeiteten in sehr verdienst-
licher Weise das von Th. Goecke seinerzeit im Städtebau vor-
geschlagene System der Randbebauung mit 5stöckigen Häusern
um einen Kern mit niedrig gehaltenen Häusern weiter aus. An
Kleinsiedelungen sind besonders zu erwähnen die bekannten
Kolonien der Firma Krupp (Baurat Schmohl), auf die wir noch
eingehend zurückkommen, die der Margarethe-Kruppstiftung
von Georg Metzendorf, ferner Gmindersdorf von Th. Fischer,
Henricis Plan für Knurow, die Kolonien zu Grambke von H.
Wagner-Bremen und vor allem die Gartenstadt Hellerau von
Riemerschmid und die Ansiedlungen um Ulm von Stadtbau-
inspektor W. Holch. Ferner die Schöpfungen Englands, die
grösstenteils von der rührigen Leitung der Deutschen Garten-
stadtgesellschaft ausgestellt waren und unsere Rückständigkeit
deutlich darlegten. Gute Bebauungspläne schufen Geheimer
Oberbaurat Hofmann Darmstadt für Eschwege, Schlettstadt und
Salzburg, in letzterer Stadt zusammen mit dem trefflichen
Wiener Städtebauer Mayreder, der auch einen Plan von Karls-
bad-W. ausstellte. Siegfried Sitte zeigt schöne Entwürfe für
Marienberg, Budweis und Teplitz; von seinem Vater Camillo
Sitte, dessen Bild als einziges äusser dem von Lueger die Aus-
stellung schmückte, finden wir den prächtigen Plan für eine
Seeanlage in Marienthal in Nieder-Oesterreich, ferner den für
Teplitz und Olmütz, von Th. Goecke einen grossangelegten Plan
für die südöstlichen Vorortgemeinden von Berlin. Pützers Plan
für die Stadterweiterung von Mainz dürfte einer der besten
Entwürfe der Ausstellung gewesen sein, neben ihm bestanden
noch Pläne für Salzhausen und Chemnitz-Schönau. Ferner
fielen auf die interessanten Pläne von Henrici für Kempen, von
*Wettbewerbse ntwurf Gross-Berlin von Herrn. Jansen, Berlin.
Erschliessung des neuen Rathauses (Phot.) nach Durchbruch der neuen Uferstrasse zur Stralauerstrasse.
Aus dem Erläuterungsbericht von Herrn. Jansen. Verlag von Georg D. W. Callwey, München. Mit 14 Abbildungen und 4 Plänen. Preis 5 Mk.
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Arch. Wilhelm Holch, Ulm a. D.
Neue Brücke in Ulm unter Schonung des historischen Stadtbildes.
darin, diesem Heim des, Volkes in Waffen4, dieser Stätte des kriegs-
mässigen Ausbildung der Blüte der Nation ein würdiger Aeusse-
res zu geben? Ebenso wie wir unsbemühen, für die lernende
Jugend, ob reich ob arm, ein Geist und Gemüt anregendes, wür-
diges Haus zu schaffen, ebenso hat die heran wachsen de Jugend
ein Recht hierauf, ebenso die Stadt, in deren Weichbild jenes
Gebäude gestellt wird. Gross ist die Zahl befriedigender Lösun-
gen wirklich nicht. Es war nur möglich, zwei vorbildliche, ästhe-
tisch befriedigende Lösungen vorzuführen. Es sind die Kaserne
der Königsdragoner in Stuttgart-Cannstatt, erbaut von der Württ.
Militärverwaltung durch den kgl. Garnisonsbauinspektor Robert
Lang-Stuttgart und die der Feldartillerieregimenter 15 und 51
in Strassburg, erbaut nach den Plänen des Architekten Schimpf
ebendort. Die Art, wie hier die ausgedehnten Gebäude das sonst
so sehr ersehnte Mittel wurden, in grossen Zügen zu disponieren,
kann nicht laut genug begrüsst werden und die Einfügung und
Angliederung der zahlreichen Nebengebäude zeigt von reifem,
künstlerischen Empfinden. Das gewählte Baumaterial unterstützt
diese Absichten aufs beste. (Vergl. Seite 133/39 und Tfl. 89/94.)
Wie die „Kasernierung44 der Bürgerlichen Tausende und
Abertausende in hygienischer und architektonischer Hinsicht
endlich auf ein menschenwürdiges Niveau gehoben werden kann,
dafür setzt erfreulicherweise eine immer grössere Zahl von
Architekten ihr bestes Können ein. Als ideales System ruhiger
Wohnviertel war vom Bauamt Augsburg die dortige Fuggerei
aus dem Jahre 1519 vorgeführt (vergleiche Taf. 85). Zu nennen
ist die reizvolle, das Gemüt in hohem Masse ansprechende
Aufteilung der Hiltensbergerstrasse in München durch Archi-
tekt Otto Lasne (siehe Seite 124 und Tafel 86/88); das höchste
Ziel, Behaglichkeit und Wohlbefinden der Einwohner scheint
dieser Anlage durchaus sicher. In Berlin stehen auf gleicher
Höhe die Wohnstrassen des Beamten-Wohnungsvereins, dessen
Architekt P. Mebes ist. Lehwess und der bekannte Statistiker der
Stadt Schöneberg Dr. Kuczynski arbeiteten in sehr verdienst-
licher Weise das von Th. Goecke seinerzeit im Städtebau vor-
geschlagene System der Randbebauung mit 5stöckigen Häusern
um einen Kern mit niedrig gehaltenen Häusern weiter aus. An
Kleinsiedelungen sind besonders zu erwähnen die bekannten
Kolonien der Firma Krupp (Baurat Schmohl), auf die wir noch
eingehend zurückkommen, die der Margarethe-Kruppstiftung
von Georg Metzendorf, ferner Gmindersdorf von Th. Fischer,
Henricis Plan für Knurow, die Kolonien zu Grambke von H.
Wagner-Bremen und vor allem die Gartenstadt Hellerau von
Riemerschmid und die Ansiedlungen um Ulm von Stadtbau-
inspektor W. Holch. Ferner die Schöpfungen Englands, die
grösstenteils von der rührigen Leitung der Deutschen Garten-
stadtgesellschaft ausgestellt waren und unsere Rückständigkeit
deutlich darlegten. Gute Bebauungspläne schufen Geheimer
Oberbaurat Hofmann Darmstadt für Eschwege, Schlettstadt und
Salzburg, in letzterer Stadt zusammen mit dem trefflichen
Wiener Städtebauer Mayreder, der auch einen Plan von Karls-
bad-W. ausstellte. Siegfried Sitte zeigt schöne Entwürfe für
Marienberg, Budweis und Teplitz; von seinem Vater Camillo
Sitte, dessen Bild als einziges äusser dem von Lueger die Aus-
stellung schmückte, finden wir den prächtigen Plan für eine
Seeanlage in Marienthal in Nieder-Oesterreich, ferner den für
Teplitz und Olmütz, von Th. Goecke einen grossangelegten Plan
für die südöstlichen Vorortgemeinden von Berlin. Pützers Plan
für die Stadterweiterung von Mainz dürfte einer der besten
Entwürfe der Ausstellung gewesen sein, neben ihm bestanden
noch Pläne für Salzhausen und Chemnitz-Schönau. Ferner
fielen auf die interessanten Pläne von Henrici für Kempen, von
*Wettbewerbse ntwurf Gross-Berlin von Herrn. Jansen, Berlin.
Erschliessung des neuen Rathauses (Phot.) nach Durchbruch der neuen Uferstrasse zur Stralauerstrasse.
Aus dem Erläuterungsbericht von Herrn. Jansen. Verlag von Georg D. W. Callwey, München. Mit 14 Abbildungen und 4 Plänen. Preis 5 Mk.