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Becker, A. Wolfgang
Kunst und Künstler des 16., 17. und 18. Jahrhunderts: Biographien und Charakteristiken (Band 1): Kunst und Künstler des sechszehnten Jahrhunderts. Biographien und Charakteristiken — Leipzig: Seemann, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.71993#0023
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Giorgione.

11

Verstand konnte wohl nicht die Ursache sein, — oder ob wirklich der In-
halt jener Malereien ein wirres, phantastisches Durcheinander von Figuren
und Gegenständen war, muß dahingestellt bleiben. Im letzteren Fall aber
wird der Unverstand der Darstellung schwerlich so sehr auf Rechnung des
Künstlers als vielmehr auf die der Besteller zu schreiben sein. Denn,
wenn auch unserm Meister jener Zug zum Phantastischen, selbst Bizarren
eigen ist, den wir als eine Eigenthümlichkeit der gleichzeitigen Künstler
Deutschlands kennen lernen werden, so dürfen wir nicht vergessen, daß der,
freie Schöpfungsdrang des Künstlers nur selten zur That gelangen konnte,
so lange ks galt, um des Erwerbes willen die Wünsche, Neigungen und
Ideen der reichen Kaufherren zu berücksichtigen, welche schwerlich zu einer
hohen Auffassung des Kunstwerks berufen waren. Gleich anderen Meistern
hielt Giorgione eine offene Malerbude, wo auch Bestellungen der gewöhn-
lichsten Art angenommen und ausgesührt wurden. Da gab es Schilder
für Handwerker und Kaufleute, Schränke, Kisten und Möbel aller Art
mit Malereien herauszuputzen, da der damalige Lupus auf solche bunte Be-
malung besonderen Werth legte. Jndeß erregte die feine Ausführung dieser
Arbeiten, für welche der Meister meist mythologische Gegenstände nach
Ovids Metamorphosen wählte, allmälig eine immer größere Aufmerk-
samkeit selbst in den Kreisen der hohen Aristokratie, welche bisher dem
niedriggeborenen, von einem Landstädtchen eingewanderten Künstler wenig
Beachtung geschenkt haben mochte. Der- Reiz der Farbe, mit welchem
er seine landschaftlichen Hintergründe auszustatten wußte, die Naturwahr-
heit seiner Portraits, über welche er durch bräunliche Tinten eine über-
raschende Lebenswärme auszugießen verstand, mußte auch dem Auge des
ungebildeten Laien sagen, daß hier kein gewöhnlicher Pinsel mit angelernter
Virtuosität geführt war. Hier war es erreicht, was sein ehemaliger Lehrer
nnd seine Mitschüler in der Werkstatt Bellini's zu ergründen -suchten.
Hier offenbarte sich die Poesie des Daseins nnabhängig von aller kirchlichen
Tradition, frei von schulgemäßer Darstellungsweise als ureigenthümliches
Erzeugniß des schaffenden Genius.
Giorgione wurde von nun an hoffähig. Der Doge Leonardo Loredano
vertraute ihm die Fertigung seines Brustbildes an, und die cyprische Königin,
die berühmte Catarina Cornaro, aus einem der edelsten Geschlechter Venedigs
entsprossen, berief ebenfalls, als sie, um ihre Herrschaft an die Republik
abzutreten, in die Heimat znrückgekehrt war, den Giorgione, nm sich von
ihm malen zu lassen. Auch ein Fugger aus Augsburg, der Crösus seiner
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