80
Die Neapolitanische Schule.
in Anschlag zn bringendes Aeqnivalent in der Beförderung der klassischen
Studien, künstlerischen und literarischen Bestrebungen, mit welcher die freigebi-
gen Herren von Mailand, von Ferrara, von Urbino die eigne Schuld oder
die Schuld der Väter an der beleidigten Menschheit zu sühueu trachteten, —
der Gonzagen, der Mediceer, der mediceisch gesinnten Päpste zn geschweigen,
die nnr zur Herrschaft berufen schienen, um mit wahrhaft königlicher Groß-
herzigkeit den Boden für die Btüthe des italienischen Geisteslebens auf-
zulockern.
Lag es den Aragonesen fern, ihre Dynastie mit dem Lorbeer geistiger
Großthaten zn schmücken, so konnte doch auch ihr trübseliges Ende keine
Wandlung zum Bessern herbeisühren. Die spanischen Vicekönige standen
dem Lande fremd gegenüber und wechselten .in rascher Folge. An ein glän-
zendes, sich in ruhigem Behageu eutwickelndes Hofleben, welches dem geistigen
Fortschritt einen Halt geboten hätte, war daher nicht zu deukeu. Für edlere, zn
friedlichen Beschäftigungen neigende Geister schien überhaupt das Amt eines
spanischen Satrapen nicht geschaffen, der, stets die Hand am Schwert, bald
einem Ueberfall verbündeter Barone, bald dem wilden Anfruhr des dar-
bendeu Volks zu begeguen, bald sich gegen französische Invasionen oder gegen
die Angriffe französisch gesinnter Päpste zu rüsten hatte.
Wenn indeß die weltliche Macht den Künsten keine freundliche Stätte
in Neapel bereitete, so konnte man ihrer doch nicht ganz entbehren, am
wenigsten der Malerei; denn an reichen Kirchen nnd Klöstern, die in Bezug
aus Glanz und Pracht nicht nachstehen wollten, war so wenig Mangel wie
an Märtyrern und Heiligen, die der Verherrlichung durch die Kunst der
Farbeu harrten. Was ^die spanischen Machthaber versäumten, wußte der
Klerus einigermaßen nachznholen. Wollte die Kirche ihre unbedingte Herr-
schaft über eine zu geistiger uud physischer Trägheit erzogene Volksmasse
behaupten, so war es nur ein Gebot der Klugheit, wenn sie vor Allem
darauf Bedacht nahm, durch einen den änßeren Sinn reizenden Pomp die
Schanlust zu befriedigen und mit gemalten Wundern die Wirkung des
frommen Betrugs zu verstärken, mit welchem man der Wnndersucht einer-
abergläubischen Menge entgegenkam und gewissermaßen entgegenkommen
mußte.
Die ältere italienische Kunstweise, namentlich die des benachbarten Um-
briens, welche zunächst und ziemlich gleichzeitig mit der flamändischen ^)
U Herzog Rene von Anjou, Titularkönig von Neapel, der selbst die Malerei mit
glücklichem Erfolge ausübte und in der v. Eyck'schen Schule seiue Ausbildung gefunden,
Die Neapolitanische Schule.
in Anschlag zn bringendes Aeqnivalent in der Beförderung der klassischen
Studien, künstlerischen und literarischen Bestrebungen, mit welcher die freigebi-
gen Herren von Mailand, von Ferrara, von Urbino die eigne Schuld oder
die Schuld der Väter an der beleidigten Menschheit zu sühueu trachteten, —
der Gonzagen, der Mediceer, der mediceisch gesinnten Päpste zn geschweigen,
die nnr zur Herrschaft berufen schienen, um mit wahrhaft königlicher Groß-
herzigkeit den Boden für die Btüthe des italienischen Geisteslebens auf-
zulockern.
Lag es den Aragonesen fern, ihre Dynastie mit dem Lorbeer geistiger
Großthaten zn schmücken, so konnte doch auch ihr trübseliges Ende keine
Wandlung zum Bessern herbeisühren. Die spanischen Vicekönige standen
dem Lande fremd gegenüber und wechselten .in rascher Folge. An ein glän-
zendes, sich in ruhigem Behageu eutwickelndes Hofleben, welches dem geistigen
Fortschritt einen Halt geboten hätte, war daher nicht zu deukeu. Für edlere, zn
friedlichen Beschäftigungen neigende Geister schien überhaupt das Amt eines
spanischen Satrapen nicht geschaffen, der, stets die Hand am Schwert, bald
einem Ueberfall verbündeter Barone, bald dem wilden Anfruhr des dar-
bendeu Volks zu begeguen, bald sich gegen französische Invasionen oder gegen
die Angriffe französisch gesinnter Päpste zu rüsten hatte.
Wenn indeß die weltliche Macht den Künsten keine freundliche Stätte
in Neapel bereitete, so konnte man ihrer doch nicht ganz entbehren, am
wenigsten der Malerei; denn an reichen Kirchen nnd Klöstern, die in Bezug
aus Glanz und Pracht nicht nachstehen wollten, war so wenig Mangel wie
an Märtyrern und Heiligen, die der Verherrlichung durch die Kunst der
Farbeu harrten. Was ^die spanischen Machthaber versäumten, wußte der
Klerus einigermaßen nachznholen. Wollte die Kirche ihre unbedingte Herr-
schaft über eine zu geistiger uud physischer Trägheit erzogene Volksmasse
behaupten, so war es nur ein Gebot der Klugheit, wenn sie vor Allem
darauf Bedacht nahm, durch einen den änßeren Sinn reizenden Pomp die
Schanlust zu befriedigen und mit gemalten Wundern die Wirkung des
frommen Betrugs zu verstärken, mit welchem man der Wnndersucht einer-
abergläubischen Menge entgegenkam und gewissermaßen entgegenkommen
mußte.
Die ältere italienische Kunstweise, namentlich die des benachbarten Um-
briens, welche zunächst und ziemlich gleichzeitig mit der flamändischen ^)
U Herzog Rene von Anjou, Titularkönig von Neapel, der selbst die Malerei mit
glücklichem Erfolge ausübte und in der v. Eyck'schen Schule seiue Ausbildung gefunden,