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weder mehr noch war er weniger Künstler als irgend-
einer vor ihm oder nach ihm. Aber da seine Stellung
znm Menschen nicht mehr die unsere ist, so ist auch
seine Kunst nicht mehr die unsere, und wo sie den
Schaffensprozeß unserer Zeit hemmt — und wie sehr
das noch immer der Fall ist, haben wir ja gezeigt -,
bekämpfen wir sie. Den Ritter analysieren wir —
kritisieren tun wir seinen Nachahmer. Dort, wo die
Kunst des Ritters als zeitlose Form, als zeitlose
Schönheit rein ästhetisch aufgefaßt und gar als
Muster für uns hingestellt wird, ist sie eine Hem-
mung.
Wir müssen stets jede Form zusammensehen mit
dem Menschen, den sie repräsentiert. Dann erst haben
wir ein Urteil über ihren Wert, d. h. darüber, was sie
uns bedeutet.

Vielleicht machen einige Bilder das deutlicher als
viele Worte.
Die mittelalterliche Kathedrale spiegelt in ihrem
Aufbau den hierarchischen Aufbau ihrer Menschheit
wider. Sie ist nicht ohne diesen denkbar, und ihre
Form, ihre Schönheit, ist unabtrennbar von diesem
Menschheitsaufbau. Daher ist es sinnlos, daß der
protestantische Kirchenban diese Form übernimmt -
und eben daher wieder die künstlerische Bedeutungs-
losigkeit dieses protestantischen Kirchenbaues.
Im gotischen Stadttor von so hübscher serien-
mäßiger Romantik steckt dieselbe Brutalität wie in

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