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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 4.1923

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Winkler, Erich: Die Buchmalerei in Niederösterreich von 1150-1250, 3. Fortsetzung
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https://doi.org/10.11588/diglit.55193#0067

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DIE BUCHMALEREI IN NIEDER-
ÖSTERREICH VON 1150-1250
ERICH WINKLER 3. Fortsetzung
IV. HANDSCHRIFTEN AUS DEM ZWEITEN VIERTEL DES 13. JAHR-
HUNDERTS.
Diesmal sind es die Handschriftenbestände der Stiftsbibliothek von Melk,
welche uns für die Zeit von 1225 bis um 1240 Material liefern. Im Kommentar
des Hieronymus zu den Schriften der sogenannten Kleinen Propheten und
zum Buche Daniel erblicken wir vor Maria den Priester Hermann, welcher
wahrscheinlich diese Abschrift bei Purchardus bestellte, der sich „scriba et
monachus“ nennt. Es ist dies ein Anzeichen für das gesteigerte Selbst-
bewußtsein der Persönlichkeit, welche aus dem Dunkel der Anonymität
hervortritt. Noch zweimal läßt sich Hermann in Kommentaren des Hieronymus
als Besteller von Handschriften darstellen (Hs. 500 und 513). Sowohl Hermann
wie Burchard sind in Melk um 1230 nachweisbar1. In der Melker Handschrift
526 finden wir eine Darstellung des dortigen Abtes Walter und des eine
Handschrift darbringenden Priors Otto. Beide hatten ihre Würden um 1240
inne, Otto wurde nach Walters Tod im Jahre 1247 Vorstand dieses Stiftes2.
Die für Hermann angefertigten drei Handschriften (499, 500, 513) unter-
scheiden sich stilistisch von der Handschrift 526 sehr stark, obzwar sie nur
durch ein Jahrzehnt voneinander getrennt sind (Abb. 46, 47). Dort ungeheure
Mengen von Stoff mit scharf gebrochenen, knittrigen Falten, welche den Bau
des Körpers unberücksichtigt lassen, der Umriß der Gestalten von einer un-
ruhig geführten, bewegten Linie gebildet, hier das Gegenteil: der Umriß ruhig
und geschlossen, geringe Gewandmengen mit ein paar schematischen Falten-
zügen, flächenhafte Wirkung. Charakteristisch für beide Gruppen ist die
Frisur der jugendlichen Kleriker mit den sonderbaren Haarkränzen, wie sie
der Kopf des Hermann zeigt, und das merkwürdige Standmotiv, ein Mittel-
ding zwischen Knien und Stehen. Die Formen der Initialen, der Blätter
und des Hintergrundes sind uns schon vom Beginn dieses Jahrhunderts be-
kannt.
Der in den Melker Hieronymus-Handschriften auftauchende Stil ist jedoch
keine lokale Erscheinung, die von Haseloff veröffentlichte große Gruppe
sächsisch-thüringischer Buchmalereien aus dem ersten Drittel des 13. Jahr-
hunderts3 weist die gleichen Merkmale auf, ebenso bayrische Handschriften
1 Kropff, „Bibliotheca Mellicensis“, pag. 119, 120.
’ „Monumenta palaeographica“, Serie II, Lieferung XIII, Tafel 9. — Katschthaler, „Melk“, Seite 33 ff., 362.
’ Haseloff, „Eine sächsisch-thüringische Malerschule“.

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