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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 4.1923

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Pfister, Kurt: Unbekannte Bilder des Hieronymus Bosch
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https://doi.org/10.11588/diglit.55193#0147

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UNBEKANNTE BILDER DES
HIERONYMUS BOSCH
KURT PFISTER
Seit der Drucklegung meiner Monographie des Hieronymus Bosch (Berlin
1922) sind einige Tafeln aufgetaucht, die im engsten Zusammenhang
mit seinem Werk stehen und deren erste ich als mutmaßlich eigen-
händig bezeichnen möchte. (Über die beiden anderen vermag ich im Augen-
blick, da mir nur die Photographien zugänglich sind — die Bilder befinden
sich im Ausland —, kein bestimmtes Urteil abzugeben.) Die drei Stücke sind,
soviel ich sehe, weder publiziert noch in der Literatur erwähnt. (Ein viertes
inzwischen bekannt gewordenes Bild, eine frühe Kreuztragung, die zurzeit
als Leihgabe im Wiener Kunsthistorischen Museum hängt, wird demnächst
von anderer Seite publiziert werden.) Die geringe Zahl der erhaltenen Werke
des Bosch läßt jedes neu auftauchende Werk als wertvollste Bereicherung
erscheinen und möchte diese Veröffentlichung, die zur Grundlage einer Dis-
kussion dienen soll, rechtfertigen.
Christus vor dem Hohenpriester. (München, Sammlung Nemes. Um
1910 aus dem Pariser Kunsthandel erworben. Format 0*49:0‘37.) Offenbar
gibt die Darstellung den Vorgang der Vernehmung durch Kaiphas (Math. 26,
59 ff.) wieder. Christus hat sein Bekenntnis der Gottessohnschaft abgelegt.
Kaiphas erhebt beschwörend und ab wehrend die Rechte: „Er hat Gott ge-
lästert.“ Im Kreis die spottenden und höhnenden Grimassen des Volkes und
der Kriegsknechte. Außerordentlich die infernalische Physiognomik der
Henker und (im Kontrast dazu) die stillen, duldenden Gesichtszüge Christi.
Das Bild ist ausgezeichnet erhalten und zeigt eine dunkle, schwere Farbig-
keit — ein tiefes Rot und Blau dominiert. Es steht der Verspottung im Es-
corial (Tafel 30 meines Buches) nahe, nur ist die farbige Struktur noch
schwerer und gesättigter und bringt eine in Bosch’ Werk bisher unbekannte
Dichtigkeit und schwere Tonigkeit, die einige Bedenken an der vollkommen
eigenhändigen Durchführung erwecken könnte.
Die Hochzeit zu Kana. (Amsterdamer Privatbesitz.) Dies, und nicht ein
beliebiges Hochzeitsbild scheint das Thema zu sein. Die sechs Krüge im
Vordergrund — „es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge zu den
bei den Juden üblichen Reinigungen“, Johannes 2, 6 —, in die der Diener
das Wasser, das in Wein verwandelt wird, einfüllt, das Gespräch des
„Speisemeisters“ mit dem rechts von der Braut sitzenden Bräutigam weisen
nachdrücklich auf diese Szene. Das räumliche Gefüge des Bildes erinnert an
Bouts, die Physiognomik aber, besonders der kleine Dudelsackbläser oben
links, ist Bosch’ Handschrift. Verbindungslinien gehen von hier zu Breugels

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