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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Riegl, Alois: Kunstgeschichte und Universalgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0015

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KUNSTGESCHICHTE UND UNIVERSALGESCHICHTE

Kenntnisnahme. Ferner hatten sie auch sofort den Wert der geschriebenen und
gedruckten Quellen erfaßt und dieselben eifrig studiert; aber sie nahmen das Über-
lieferte meist kritiklos hin, weil es ihnen eben an Zeit und Gelegenheit und wohl auch
an methodischer Schulung für die Kritik mangelte. Zwei Dinge taten also not: erstlich
spezielle Vertiefung in die Einzeldenkmäler oder doch in einzelne Gruppen unter sich
nächstverwandter Denkmäler, und zweitens kritische Quellenforschung. Indem sich für
diese neuen Aufgaben die Männer fanden (von Kugler und Schnaase angefangen bis
herab auf Thausing und Bode), vollzog sich die erste Wandlung in der kunstgeschicht-
lichen Forschung. An Stelle der früheren universalen Darstellung trat die Spezialunter-
suchung, an Stelle der Dilettanten traten die Berufshistoriker. Der größte Triumph der
Kunstgeschichte war es seither, wenn es ihr gelang, für ein Bild den Meister festzu-
stellen oder für ein Denkmal das richtige Entstehungsdatum zu eruieren, und die Freude
wurde wesentlich erhöht, wenn dabei einem der alten Biographen eine Unrichtigkeit
nachgewiesen werden konnte. Als die würdigste und von vornherein erfolgversprechendste
Form der Untersuchung galt die Monographie; zusammenfassende Darstellungen von
mehr universalem Charakter überließ man den Verfassern der Handbücher, auf die
man gerne mit einiger Geringschätzung herabsah, auch wenn sie nicht bloß ihre spezial-
forschenden Kollegen ausschrieben. Daher lag es in der Natur der Sache, daß die
philologisch-historische Methode immer mehr an Geltung gewann. Wenn im Anfänge
dieser zweiten Periode bloß solche Jünger sich der kunstgeschichtlichen Forschung
zuwandten, die von Haus aus ein bestimmtes Herzensverhältnis zur bildenden Kunst
unterhielten, so brachte die steigende Bedeutung der Quellenforschung allmählich Elemente
in diese Kreise, denen jede Denkmälerkenntnis zeitlebens so gut wie fremd geblieben
ist. Man braucht deshalb die Verdienste dieser Forscher um die Kunstgeschichte nicht
zu unterschätzen, und am wenigsten hatten auf die Erhebung solchen Tadels die bilden-
den Künstler des jüngst verflossenen Jahrzehnts ein Anrecht, die sich mit Vorliebe über
den »buchgelehrten Kunsthistoriker« lustig zu machen pflegten, obgleich sie selbst über
die Ohren in der historischen Tarnkappe steckten und öfter froh waren, wenn ihnen
ein Kunsthistoriker mit irgendeiner nachahmenswerten Nachricht über alte Manieren
und Praktiken und dergleichen an die Hand ging. Aber es verriet sich ein innerer
Widerspruch in solchen Kunsthistorikern ohne Kunstkennerschaft und damit waren
auch schon die untrüglichen Anzeichen gegeben, daß eine neuerliche Wandlung bevor-
stand, einfach weil sie wiederum notwendig geworden war.
Heute sehen wir diese zweite Wandlung in raschem Vollzüge begriffen. Sie tendiert
wiederum nach jener Seite, auf welcher sich die Kunstgeschichte in ihren ersten An-
fängen bewegt hat. Die spezialgeschichtliche Tendenz der letztverflossenen dreißig bis
vierzig Jahre erscheint neuerdings durch eine universalgeschichtliche abgelöst. Die
 
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