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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 7.1925

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Schmarsow, August: Neue Beiträge zu Masolino und Masaccio
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0244

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NEUE BEITRÄGE ZU MASOLINO UND MASACCIO
VON AUGUST SCHMARSOW
Ein Professor der Kunstgeschichte an italienischen Universitäten und hochgeschätzter
Kenner, Pietro Toesca in Florenz, hat im Juliheft des Bollettino d'Arte del Ministero della
Pubblica Istruzione 1923, also an amtlicher und deshalb maßgebender Stelle, zwei Tafeln
eines verschollenen Altarwerkes veröffentlicht und seinen kurzen Aufsatz schlankweg
mit dem Namen des Künstlers »Frammento d'un trittico di Masolino« überschrieben.
Dem langbewährten Kollegen an einer deutschen Universität, der ein Jahrzehnt im
eigenen Vaterlande eingesperrt gewesen, wird diese Errungenschaft nun erst als Neuig-
keit bekannt, so daß er sich in unserem Kunsthistorischen Institut in der Lage sieht, zu
dem letzten Zuwachs der Spezialforschung, an der er einst so stark beteiligt war, die
Stellung zu nehmen, die ihm jetzt noch möglich scheint.
Schon eine Weile vorher war, durch die eifrigen Nachforschungen Richard Öffners im
Umkreis von Florenz, bei Settimo die Einzelfigur eines heiligen Julian (Abb. 2, 4) entdeckt
und in die Uffizien gerettet worden. Hier wartet sie nur bei der Direktion, um unter
der allgemein angenommenen Bezeichnung Masolino neben der heiligen Anna selbdritt
von Masaccio in der Gemäldegalerie ausgestellt zu werden. Nun ist von Pietro Toesca
in der Canonica von Santa Maria zu Novoli, an der auch ich vor vielen Jahren so olt
zum Studium eines Freskotabernakels von Antonio Veneziano beim sogenannten Turm
der Agli vorbeigegangen war, bis ich es endlich 1902 durch mustergültige Aufnahmen
in der Kunsthistorischen Gesellschaft für photographische Publikationen für die For-
schung zu retten vermochte, dicht daneben, im Pfarrhaus verborgen, das offenbar zum
Julian hinzugehörige Mittelstück, die thronende Madonna mit dem Kinde (Abb. 1, 3),
die noch bei Guido Carocci (I dintorni di Firenze) 1907 als »Giotto-Schule« auf-
geführt ward, als ein Quattrocentowerk erkannt und alsbald leidlich photographiert
worden — glücklicherweise! müssen wir hinzufügen, wenn diese öffentliche Prozedur
am hellen Tageslicht auch nicht wenig zu dem unverantwortlichen Schicksal des
Kunstwerkes selber beigetragen hat. Nur ein paar Monate später ward es möglich,
den soeben entdeckten Schatz bei Nachtzeit herauszuholen, während der durch den
Einbruch erwachte Pfarrer nicht den Mut fand, sich solcher Schandtat zu widersetzen.
Bis es gelingen mag, des bis heute verschwunden gebliebenen Originals wieder habhaft
zu werden, muß sich nun die Erörterung über den Künstler an die Tafel mit Sankt
Julian halten und sich an der Photographie der Madonna genügen lassen, soweit
es gehen mag. Zu dem ritterlichen Vatermörder, den die Kirche zum Heiligen erhob,
gehörte jedoch wahrscheinlich eine Predella, die ich 1899 in meinem Masaccio-VVerk
aus der Sammlung des Malers J. A. Dom. Ingres in seiner Vaterstadt Montauban

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