EERDINAN D GE() RG WALD MÜLLE R
VON BRUNO GRIMSCHITZ
ImJahre 1847 halle Waldmüller in seiner Schrift: »Das Bedürfnis eines zweckmäßigen
Unterrichtes in der Malerei und plastischen Kunst« geschrieben: »Nur die Manier ist
beschränkt, die Natur unbegränzt«. Zehn Jahre später faßt Waldmüller diesen Satz in
seinen Andeutungen zur Belebung der vaterländischen bildenden Kunst noch lapidarer:
»Ohne Wahrheit keine Kunst!« Dieser Satz formuliert das Wesentliche der Malerei Wald-
müllers. Er formuliert auch das Wesentliche seines Menschentumes: die einzigartige
Selbständigkeit seines künstlerischen Weges, die leidenschaftliche Hingabe an seine neu
entdeckte Natur und die ungeheure Sachlichkeit und Universalität seiner künstlerischen
Ausdrucksform.
Waldmüllers Stil, so persönlich er sich von der österreichischen und deutschen Malerei
seiner Zeit abhebt, steht nicht ohne Voraussetzungen. Gerade das Wesentliche seiner
malerischen Tat: die neue Sachlichkeit der künstlerischen Formanschauung lag in der
Zeit. Sie war das große Bemühen der neuen bürgerlichen Welt. Sie war die große Gegen-
bewegungau fdie aristokratische Kunst des Barocks, aufdie absolute Bindungjeder Schöpfung
in die Unendlichkeit ihres Weltbildes, auf ihre Universalität,aufdas vergeistigte Raffinement
ihrer malerischen Sensationen. Nur durch eine neue Sachlichkeit konnte das Weltbild
künstlerisch wieder erobert und neu gestaltet werden. Die Frage der künstlerischen Selb-
ständigkeit war eine Frage der Einstellung zum Weltbilde. Und die Veränderung des
Standpunktes vollzog sich auf dem Boden einer neuen voraussetzungslosen künstlerischen
Anschauung, einer neuen sachlichen Auseinandersetzung mit dem Sichtbaren. Die An-
gelegenheit war eine europäische. Aber so sehr ihr Charakter der einer allgemeinen über-
nationalen Wandlung war, weil sie die Angelegenheit einer neuen Menschheit bedeutete,
sosehr führte sie vom Europäischen in das Nationale und darüber hinaus in lokale Be-
grenzung. Sachlichkeit hieß Ursprünglichkeit, Absage an die konventionelle Stilformel
internationalen Gepräges. Damit war die Rückkehr zum Individuum und seiner lokalen
Bedingtheit proklamiert, damit die Zersplitterung der großen künstlerischen Kultur-
konvention des 18. Jahrhunderts gegeben. Sie wurde bewußt negiert. Sie wurde, wie
immer in Tagen allgemeiner Neuorientierung, mit einem Verlust von künstlerischen
Werten erkauft. Die große Tradition zerbrach. Uber den idealen Umweg der Antike
nahm ihr der Klassizismus den Umfang und das Raffinement der farbigen Kultur, die
Primitivität der nazarenisch-romantischen Bewegung erhob den zeichnerischen Puri-
tanismus des Gefühls der Altdeutschen zu einem Stilversuch. Es waren letzten Endes
künstlerische Möglichkeiten einer neuen Statik des Gefühls, einer neuen Statik derDinge.
Es waren Umwege zu einem sachlichen Stil einer neuen bürgerlichen Welt. Waldmüller
VON BRUNO GRIMSCHITZ
ImJahre 1847 halle Waldmüller in seiner Schrift: »Das Bedürfnis eines zweckmäßigen
Unterrichtes in der Malerei und plastischen Kunst« geschrieben: »Nur die Manier ist
beschränkt, die Natur unbegränzt«. Zehn Jahre später faßt Waldmüller diesen Satz in
seinen Andeutungen zur Belebung der vaterländischen bildenden Kunst noch lapidarer:
»Ohne Wahrheit keine Kunst!« Dieser Satz formuliert das Wesentliche der Malerei Wald-
müllers. Er formuliert auch das Wesentliche seines Menschentumes: die einzigartige
Selbständigkeit seines künstlerischen Weges, die leidenschaftliche Hingabe an seine neu
entdeckte Natur und die ungeheure Sachlichkeit und Universalität seiner künstlerischen
Ausdrucksform.
Waldmüllers Stil, so persönlich er sich von der österreichischen und deutschen Malerei
seiner Zeit abhebt, steht nicht ohne Voraussetzungen. Gerade das Wesentliche seiner
malerischen Tat: die neue Sachlichkeit der künstlerischen Formanschauung lag in der
Zeit. Sie war das große Bemühen der neuen bürgerlichen Welt. Sie war die große Gegen-
bewegungau fdie aristokratische Kunst des Barocks, aufdie absolute Bindungjeder Schöpfung
in die Unendlichkeit ihres Weltbildes, auf ihre Universalität,aufdas vergeistigte Raffinement
ihrer malerischen Sensationen. Nur durch eine neue Sachlichkeit konnte das Weltbild
künstlerisch wieder erobert und neu gestaltet werden. Die Frage der künstlerischen Selb-
ständigkeit war eine Frage der Einstellung zum Weltbilde. Und die Veränderung des
Standpunktes vollzog sich auf dem Boden einer neuen voraussetzungslosen künstlerischen
Anschauung, einer neuen sachlichen Auseinandersetzung mit dem Sichtbaren. Die An-
gelegenheit war eine europäische. Aber so sehr ihr Charakter der einer allgemeinen über-
nationalen Wandlung war, weil sie die Angelegenheit einer neuen Menschheit bedeutete,
sosehr führte sie vom Europäischen in das Nationale und darüber hinaus in lokale Be-
grenzung. Sachlichkeit hieß Ursprünglichkeit, Absage an die konventionelle Stilformel
internationalen Gepräges. Damit war die Rückkehr zum Individuum und seiner lokalen
Bedingtheit proklamiert, damit die Zersplitterung der großen künstlerischen Kultur-
konvention des 18. Jahrhunderts gegeben. Sie wurde bewußt negiert. Sie wurde, wie
immer in Tagen allgemeiner Neuorientierung, mit einem Verlust von künstlerischen
Werten erkauft. Die große Tradition zerbrach. Uber den idealen Umweg der Antike
nahm ihr der Klassizismus den Umfang und das Raffinement der farbigen Kultur, die
Primitivität der nazarenisch-romantischen Bewegung erhob den zeichnerischen Puri-
tanismus des Gefühls der Altdeutschen zu einem Stilversuch. Es waren letzten Endes
künstlerische Möglichkeiten einer neuen Statik des Gefühls, einer neuen Statik derDinge.
Es waren Umwege zu einem sachlichen Stil einer neuen bürgerlichen Welt. Waldmüller