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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Grimschitz, Bruno: Ferdinand Georg Waldmüller
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0073

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FERDINAND GEORG WALDMÜLLER
Zeit. Und die Unabhängigkeit dieser lebendigen Reaktion ist unvergleichlich; sie erhebt
sich zu prophetischer Erkenntnis des verlorenen Schicksals der österreichischen Kunst
im weiteren Jahrhundertverlaufund gelangt praktisch zu kunstpädagogischen Vorschlägen,
deren Modernität erst die Gegenwart verwirklicht, wie die Reorganisation des sterilen
und kunstfeindlichen Akademieunterrichtes durch seine Rückführung auf den organisch
entwickelten Werkstättenbetrieb früherer Kunstepochen. Ohne Pose, auf das Tatsäch-
liche eingestellt, diszipliniert liegen die Sätze der magistralen Prosa Waldmüllers. Überall
zwingt sich die starke Subjektivität zur Objektivierung, auch wo Entscheidungen d es eigenen
Lebens aufgerollt werden. Im Jahre 1855 richtet der mit geringem Gehalt an der Akademie
angestellte Kustos ein Gesuch an die Steueradministration um Erlassung der Steuer-
abgabe. Seine Notlage ist so groß, daß sie ihn zur Schilderung seiner Bedrängnis zwingt:
»... So habe ich in meiner Wohnung von drei Zimmern mich und meine Gattin auf ein
einziges Zimmer beschränkt, und vermiethe die beyden andern. So habe ich in allen
Zweigen meines Hauswesens die äußerste mit dem Anstand vereinbare Beschränkung
eintreten lassen, um mit Ehren zu bestehen«. Disziplinierte Sachlichkeit — kein Wort
rührt an die persönlichen Empfindungen des Schreibers — auch wo es um das eigene
erschütternde Geschick geht. Sogar der Eindruck der Gefühllosigkeit unter dem Zwange
der profanen Notwendigkeiten in dem Stolz dieses unbeugsam gerichteten Willens. Die
Härte, die Konsequenz, die Klarheit dieses Willens ist es, die, durch die Gefühlsseligkeit
der Romantiker um so stärker herausgehoben, das Wesen der Individualität Waldmüllers
organisiert. Wille und Sachlichkeit blenden nicht. Ihnen fehlt das Hinreißende der über-
legen-freien Geste und alle Gewalt der subjektiven Werbung des Gefühls; ihnen fehlt
auf dem Felde des Künstlerischen die leuchtende Wärme der Phantasie. Aber auch die
Sachlichkeit kann phantasievoll sein: indem sie mit phrasenloser Demut und leidenschaft-
licher Aufrichtigkeit sich den Wundern des Sichtbaren unterwirft, steigen ihr, durch die
Intensität ihrer Vertiefung in das Licht gehoben, die Wirklichkeiten des Lebens zu einer
neuen verklärten Welt empor. Waldmüller hat diese phantasievolle Verklärung, diese
leuchtende Sachlichkeit der Existenz. Er hat die Natur in ihrer Fülle. Er hat die Sonne.
— Die Konsequenz seines künstlerischen Willens kennt nicht das Problematische nocli
das Sprunghafte. Auch durch die organische Rundung, durch die Konsequenz seiner
Entwicklung steht Waldmüllers Leistung in den tastenden Stilversuchen der Zeit isoliert.
Sein Werk ist eine Totalität — in ihrem organisch von Stufe zu Stufe gewachsenen,
nicht nur in die Breite, sondern auch in die Höhe entwickelten Ausmaß — , von der in
der Problematik fragmentarischer Künstlerschicksale zerrissenen Zeit doppelt tatsächlich
sich abhebend. Auf den ganzen Umkreis des Sichtbaren dehnt sich die Forderung der
Darstellungssachlichkeit aus — auch diese Universalität einzigartig in der Zeit — und
verwischt die Grenzen der Gebiete: das Bildnis bindet sich in den landschaftlichen

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