FERDINAND GEORG WALDMÜLLER
bewegten Gruppen aus dein klaren Dunkel heraus, die buntfarbigen Figurenketten, die
gegen das Ende der fünfziger Jahre in die freie Landschaft treten, in das volle Sonnen-
licht. In der flimmernden Helligkeit steigert sich die Bewegtheit der Szenen bis zur
Grenze des Momentanen: die Wahrheit, die Unmittelbarkeit des Lebens, die Wald-
müller suchte, war bis zur äußersten Grenze erreicht. Bis zur Grenze, an der Wald-
müllers Sachlichkeit der plastischen Existenzschilderung sich nicht mehr zur absoluten
Deckung mit der Momentaneität fließender Bewegung in Licht und Gebärde bringen
ließ. Aber nicht das entscheidet, daß die Forderungen dieser sachlichen, auf die objek-
tive Erscheinung gerichteten Porträtsorgfalt mit den gegensätzlich wirkenden Anliegen
der Freilicht- und Bewegungsmalerei im Sinne des späteren Impressionismus zu einem
unlösbaren Konflikt führen mußten, sondern daß dies eine Malerleben die ganze Weite
der künstlerischen Probleme, welche das 19. Jahrhundert erfüllten, in einsamer Ahnung
durchlief. Und daß Waldmüller, gegensätzlich zu Menzel, der seine rein malerischen
Anfänge verleugnete, in organischer Entwicklung und Wandlung den historischen Ablauf
der malerischen Probleme wie in einer persönlichen Reduktion umfaßte und aufzeigte:
von der Konstituierung einer neuen künstlerischen Welt bis zu ihrer Auflösung durch
den technischen Materialismus der zweiten Jahrhunderthälfte. Daß Waldmüller seine
zeichnerisch gebundene Farbe, daß er die objektive farbige Plastik seiner Existenzschil-
derung nicht zum farbigen Fleck, zum subjektiven optischen Eindruck des Impressionismus
aufzulösen vermochte, das umschreibt die zeitgeschichtliche Bindung seiner schöpferischen
Begabung. Waldmüllers Kunst gehört der ersten Jahrhunderthälfte an, aber ihre Uni-
versalität und das Ausmaß ihrer Entwicklung weisen weit über diese Grenzen. Wald-
müllers Kunst ist in den Stilversuchen des 19. Jahrhunderts auf deutschem Boden eine
eigene, in höchstem Sinne persönliche und erfüllt — so selten in deutscher Kunst diese
absolute Identität — zugleich die tiefsten Anliegen einer den allgemeinen künstlerischen
Zeitwillen umfassenden Bewegung. Auch darin erscheint Waldmüller in tieferem Sinne
Zeitrepräsentant, daß seine Malerei den heroischen Kampl' gegen den Einbruch des
Technischen in das geistige Leben des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Auch seine
naturalistische Wirklichkeitskunst geriet an die Grenzen gegenständlicher Veräußer-
lichung, wie sie in letzter Mechanisierung die Photographie erreicht. Sosehr gerade
Waldmüllers Malerei durch die großartige Einseitigkeit ihrer Einstellung auf die objek-
tivste, unpersönlichste Wiedergabe der Erscheinung nach der Richtung einer Mechani-
sierung Gefahr lief, sosehr hob Waldmüllers überragende künstlerische Formanschau-
ung die malerische Schöpfung auf die Ebene ihrer eigenen, von aller außerkünstlerischen
Belastung befreiten Gesetze.
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bewegten Gruppen aus dein klaren Dunkel heraus, die buntfarbigen Figurenketten, die
gegen das Ende der fünfziger Jahre in die freie Landschaft treten, in das volle Sonnen-
licht. In der flimmernden Helligkeit steigert sich die Bewegtheit der Szenen bis zur
Grenze des Momentanen: die Wahrheit, die Unmittelbarkeit des Lebens, die Wald-
müller suchte, war bis zur äußersten Grenze erreicht. Bis zur Grenze, an der Wald-
müllers Sachlichkeit der plastischen Existenzschilderung sich nicht mehr zur absoluten
Deckung mit der Momentaneität fließender Bewegung in Licht und Gebärde bringen
ließ. Aber nicht das entscheidet, daß die Forderungen dieser sachlichen, auf die objek-
tive Erscheinung gerichteten Porträtsorgfalt mit den gegensätzlich wirkenden Anliegen
der Freilicht- und Bewegungsmalerei im Sinne des späteren Impressionismus zu einem
unlösbaren Konflikt führen mußten, sondern daß dies eine Malerleben die ganze Weite
der künstlerischen Probleme, welche das 19. Jahrhundert erfüllten, in einsamer Ahnung
durchlief. Und daß Waldmüller, gegensätzlich zu Menzel, der seine rein malerischen
Anfänge verleugnete, in organischer Entwicklung und Wandlung den historischen Ablauf
der malerischen Probleme wie in einer persönlichen Reduktion umfaßte und aufzeigte:
von der Konstituierung einer neuen künstlerischen Welt bis zu ihrer Auflösung durch
den technischen Materialismus der zweiten Jahrhunderthälfte. Daß Waldmüller seine
zeichnerisch gebundene Farbe, daß er die objektive farbige Plastik seiner Existenzschil-
derung nicht zum farbigen Fleck, zum subjektiven optischen Eindruck des Impressionismus
aufzulösen vermochte, das umschreibt die zeitgeschichtliche Bindung seiner schöpferischen
Begabung. Waldmüllers Kunst gehört der ersten Jahrhunderthälfte an, aber ihre Uni-
versalität und das Ausmaß ihrer Entwicklung weisen weit über diese Grenzen. Wald-
müllers Kunst ist in den Stilversuchen des 19. Jahrhunderts auf deutschem Boden eine
eigene, in höchstem Sinne persönliche und erfüllt — so selten in deutscher Kunst diese
absolute Identität — zugleich die tiefsten Anliegen einer den allgemeinen künstlerischen
Zeitwillen umfassenden Bewegung. Auch darin erscheint Waldmüller in tieferem Sinne
Zeitrepräsentant, daß seine Malerei den heroischen Kampl' gegen den Einbruch des
Technischen in das geistige Leben des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Auch seine
naturalistische Wirklichkeitskunst geriet an die Grenzen gegenständlicher Veräußer-
lichung, wie sie in letzter Mechanisierung die Photographie erreicht. Sosehr gerade
Waldmüllers Malerei durch die großartige Einseitigkeit ihrer Einstellung auf die objek-
tivste, unpersönlichste Wiedergabe der Erscheinung nach der Richtung einer Mechani-
sierung Gefahr lief, sosehr hob Waldmüllers überragende künstlerische Formanschau-
ung die malerische Schöpfung auf die Ebene ihrer eigenen, von aller außerkünstlerischen
Belastung befreiten Gesetze.
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