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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Baldass, Ludwig: Romantische Landschaften in der Wiener Galerie des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0082
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ROMANTISCHE LANDSCHAFTEN
IN DER WIENER GALERIE DES 19. JAHRHUNDERTS
VON LUDWIG BALDASS
hs ist heutigen Tages noch nicht möglich, sämtliche Entwicklungsphasen der deutschen
romantischen Landschaftsmalerei in der Wiener Galerie des 19. Jahrhunderts wirklich zu
studieren. Immerhin sind einige sehr charakteristische Beispiele vorhanden, an denen wir
wichtige Seiten dieser Kunst beobachten können.
Die eigentliche Wiege der romantischen Landschaftsmalerei deutscher Nation stand in
Rom. Der Tiroler Josef Anton Koch, der mit wenigen Unterbrechungen von 1795 bis
zu seinem 1839 erfolgten Tode in der ewigen Stadt ansässig war, kann als ihr Vater be-
zeichnet werden.Aus seiner Schule sind die meisten romantischen Landschaftsbilder hervor-
gegangen, seine Auffassung der Natur war entscheidend für die ganze jüngere Generation
der romantischen Maler.Wohl gibt es auch einen rein nordischen Zweig dieser Kunstart,
dessen Schöpfungen nichtwie die Gemälde der sogenannten Deutschrömer in den großen
klassischen Landschaften eines Claude oder Poussin oder in denen eines Rubens, sondern
in holländischen Bildern von Aelbert Cuyp oder Aert van der Neer ihre künstlerischen
Ahnen haben. Die Werke Caspar David Friedrichs stehen neben denen von Koch und
sind ganz fern von Rom entstanden. Auch sie zeigen, was wir romantisch nennen: das
Vorherrschen des subjektivistischen Gefühlsinhalts, die absolute Betonung der individuellen
Auffassung in der Naturwiedergabe, in ganz ausgesprochener klarer Fassung. Die
Landschaften Friedrichs sind rein lyrisch, es sind Naturausschnitte nordischer Gegenden,
in denen Beleuchtungseffekte — Sonnenauf- oder -untergang, Mondschein, Nebel, Regen-
bogen — eine große Rolle spielen und die alle durch das Medium einer empfindsamen
Persönlichkeit gesehen sind. Sie sind ganz individuell aufgefaßt und es fehlt ihnen jede
Erhebung ins Bedeutende oder Typische, die bei den Landschaften der Deutschrömer
so oft beabsichtigt ist.
So wichtig für die Geschichte der romantischen Landschaftsmalerei die Werke Friedrichs
um ihrer eigenen Bedeutung willen sind, haben sie doch nur wenig Schule gemacht.
Selbst ein Künstler, der so offensichtlich von Friedrich beeinflußt ist, wie Blechen, kann
nicht als eigentlicher Romantiker bezeichnet werden, da in seinen Werken die Freude
an dem rein Malerischen, an Licht und Farbe, die inhaltliche Bedeutung offenbar zurück-
drängt. Während die Romantik bei Friedrich eine rein persönliche Angelegenheit ist,
wird sie bei den Deutschrömern zu einem Schulprogramm. Was die Landschaften des
Tirolers Koch von der klassischen Landschaftsmalerei unterscheidet, ist das veränderte
Naturgefühl, das neben dem Prospekt, neben der Gesamterscheinung auch jede Einzel-
heit liebevoll umfaßt. Die Vordergründe Kochscher Bilder zeigen jeden Stein, jede
 
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