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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Baldass, Ludwig: Romantische Landschaften in der Wiener Galerie des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0085

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ROMANTISCHE LANDSCHAFTEN

einzelne Pflanze, jedes einzelne Blatt der Bäume und Sträucher. Diese Dinge sind nicht
um ihrer malerischen Erscheinung, sondern um ihrer Wesenheit willen wiedergegeben.
Jeder Halm ist ebenso ein Individuum für sich, wie im Hintergrund der Wald, das
Gebirge, die Ebene. So offenbart sich ein kosmisches Naturgefühl, das die Gesamtheit
ebenso umfaßt wie die Einzelheiten. Daß Koch im Bildaufbau aus der Tradition heraus
wächst, das zeigt uns ein Vergleich seiner Werke mit der Vedute eines um dreißig Jahre
älteren Künstlers, der noch ganz dem 18. Jahrhundert angehört. Auf Wutkys Ansicht
der Solfatara bei Neapel (Abb. 6) sehen wir eine ähnliche Tielenanordnung und die
gleiche Treue gegenüber dem Naturvorbild wie bei Koch. Bei dem älteren Künstler
aber handelt es sich nur um eine getreue Schilderung, bei dem jüngeren hingegen um
eine persönliche Auffassung der Natur. Von den beiden Landschaftsbildern, die die
Wiener Galerie des 19. Jahrhunderts bis jetzt von Koch besitzt, hängt die größere und
künstlerisch bedeutendere noch mit der klassizistischen Vedute zusammen. Sie ist daher
für das Neue in der Landschaftsauffassung nicht so bezeichnend wie das kleinere Gemälde
(Abb. 1) mit seinem ganz einfachen Motiv. Das bindende Element, das hier den nahsichtig
gesehenen Vordergrund mit dem fernsichtig gesehenen Hintergrund vereinigt, ist die Farbe.
Die Staffage, die auf dem großen Bilde noch etwas hart in die 1 Landschaft hineingesetzt war,
ist nun ganz mit ihr verbunden und dient zur Erhöhung des idyllischen Charakters der
Landschaft. Diese neue Auffassung der Landschaft wird von den jungen Künstlern der
nächsten Generation von Olivier, Ludwig Richter, Preller übernommen, während
Gleichaltrige und im allgemeinen Gleichstrebende mit Koch wie Johann Christian Rein-
hardt den neuen Gefühlsinhalt noch nicht in ihre großen italienischen Landschaften
hineintragen.
Wie stark die vedutenhafte Landschaft des 18. Jahrhunderts noch in den ersten Jahr-
zehnten des 19. Jahrhunderts ein Nachleben findet, das zeigen vier 1819 entstandene
Bilder gleichen Formats des früh verstorbenen und daher wenig gekannten Josef Rebell.
Die helle Klarheit der Bilder, die scharfe Durchbildung aller Einzelheiten, die einheitliche
Gestaltung der Ferne beweisen uns, daß der junge Künstler sich während seines langen
italienischen Aufenthaltes Werke Kochs genau angesehn haben muß. Durch diese absolute
Sachlichkeit gegenüber dem Naturvorbild unterscheidet er sich von eigentlichen Klassi-
zisten wie Hackert, die verallgemeinern und idealisieren. Dabei hat er offenbar auch
ältere Künstler studiert. Die Sonnenuntergangslandschaft (Abb. 3) ist nicht ohne Claude,
der Meeressturm nicht ohne C. J. Vernet oder Loutherburg denkbar. Rebell befriedigt am
meisten, wo er, wie auf dem Bilde des Hafens von Portici, mit reiner Sachlichkeit eine
vedutenhafte Ansicht in die Bildtiefe hinein bauen kann. Hier kommt der Staffage keine
selbständige Bedeutung zu. Der Blick aufVietri (Abb. 2), dasjenige der vier Bilder, das kom-
positionell Koch am nächsten kommt, zeigt doch deutlich den Wesensunterschied beider

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