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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Probszt, Günther: Friedrich v. Amerling in der Galerie des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0096

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GÜNTHER PR0BSZT

Es ist nicht uninteressant, in großen Umrissen Auf- und Abstieg zu verfolgen, den
Amerling in der Publikumsgunst wie in der Kritik durchzumachen hatte1. Von den Zeit-
genossen bis etwa 1845 fast ausnahmslos in den Himmel gehoben, so daß einige Rezen-
senten Kunstausstellungen, in denen Amerling nicht vertreten war, von vornherein ganz
uninteressant fanden, beginnt von dieser Zeit an ein deutlicher Umschwung, der auf das
merkliche Nachlassen künstlerischer Qualität zugunsten gesteigerter Routine zurückgeht
und dadurch bis zu einem gewissen Grade berechtigt ist. Unberechtigt aber war, daß
man ob dieser sicher schwächeren Werke, die jedoch, was das solide malerische Hand-
werk anlangt, vieles noch immer um ein Beträchtliches überragten,wasvon den jetzt auf den
Schild der Tagesmode erhobenen jüngeren Künstlern die Wände der Ausstellungen be-
deckte, daß man also ob dieser in den Augen der herrschenden Generation einer überholten
Geschmacksrichtung angehörigen Bilder auf das vergaß, was einst das Entzücken der Wiener
Kunstgemeinde gebildet hatte und was — es ist dies keine Übertreibung — Amerlings
Kunst einst, wenn er allgemein bekannt sein wird, Weltruhm verschaffen muß. Aber wie
unserer eigenen, muß man es auch der damaligen Generation zugutehalten, daß ihr der
Name Amerling nichts mehr sagte. Die Werke aus der Blütezeit waren zumeist in
Privatbesitz gewandert, dem Publikum unzugänglich und daher in Vergessenheit geraten;
und was die moderne Abteilung des Wiener Kunsthistorischen Museums an Bildern
des Meisters besaß und nach ihrer Übersiedlung aus dem Belvedere in den prunkvollen
Bau Hasenauers am Burgring ausgestellt hatte, war auch nicht dazu angetan, die gering-
schätzige Meinung, die über den Künstler im Schwange war, ins Gegenteil zu verwan-
deln. Der Eindruck der retrospektiven Kunstausstellungen von 1877, 1880 und 1888°,
auf denen Amerling sehr gut, wenn auch nicht erschöpfend und nicht in gleichmäßiger
Qualitätvertreten war,übte auch keine nachhaltige Wirkung aus, da dieser Zeit nicht nur die
entsprechende Distanz zu der damals schon historisch gewordenen Kunst des Meisters,
sondern vor allem die Fähigkeit zu einer derartig historisierenden Einstellung überhaupt
fehlte. Es ist bekannt, daß die Jahre von 1850 bis 1 880, die Zeit raschen materiellen
Aufschwunges, für die Malerei in Deutschland und Österreich sowohl im schaffenden als
rezeptiven Sinne eine der unfruchtbarsten Perioden war, die es je gegeben hat. Und
dies trotz der dominierenden Stellung, die sich Makarts Genie in Wien errungen hatte;
aber gerade Makarts sinnbetörende Kunst lenkte das an und für sich auf einen kleinen
Kreis eingeengte Interesse für die bildenden Künste — Wiens Bedeutung als Musik-
1 Über die zeitgenössische Kritik werde ich ausführlich in meinem Amerling-Buche berichten, das eine erschöpfende
Würdigung des Künstlers, seine Biographie sowie einen über 1350 Werke zählenden Oeuvrekatalog enthält und bereits
in diesem Jahre zu Weihnachten reich illustriert hätte erscheinen sollen, wenn nicht durch die Krise auch mein erster
Verleger miterfaßt worden wäre. Nun wird das Buch im Herbst 1926 beim Amalthea-Verlag herauskommen. 2 Historische
Kunst-Ausstellung, veranstaltet von der Akademie der bildenden Künste anläßlich der Einweihung ihres neuen Hauses 1877;
Historische Porträt-Ausstellung (1680—18(o) im Künstlerhause 1880 ; Jubiläums-Kunst-Ausstellung im Künstlerhause 1 888.

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