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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Probszt, Günther: Friedrich v. Amerling in der Galerie des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0103

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FRIEDRICH V. AMERLING

Stahlfeder geschrieben und erinnerungs- und pietätvoll eine weichere (Feder)
ins eigene Herz getaucht«, so wird daraus klar, daß an dieses Buch wohl ein sehr
strenger kritischer Maßstab angelegt werden muß. Leider wurde späterhin vieles daraus
gläubig übernommen; hauptsächlich ist der von Frankl aus den hinterlassenen Mallisten
nach willkürlicher Auswahl zusammengestellte Oeuvrekatalog eine Quelle bis jetzt
unausgerotteter Mißverständnisse geworden, die den mit dem Werke Amerlings nicht
näher Vertrauten unbedingt irreführen mußten.
So ist das einzige Werk, das tatsächlich dazu berufen gewesen wäre, ein abgerundetes
Bild des Künstlers zu entwerfen, für den strengen Wissenschaftler so gut wie unbrauchbar
und die Würdigung, die der Kunsthistoriker Carl von Lützow zu Frankls Buch beige-
steuert hatte, besitzt doch noch zu wenig Distanz, als daß man sie ohne weiteres als
Substrat für eine richtige Darstellung hätte verwenden können. Denn — auch das
soll hier ausdrücklich betont werden — wie viele der deutschen Kunsthistoriker, die in
ihren Kunstgeschichten des 19. Jahrhunderts Amerling erwähnen, haben überhaupt
Originale von ihm gesehen, oder wenn, in welcher Anzahl, um sich wirklich ein
richtiges Bild machen zu können, und in welcher Qualität! So wußte man nirgends
recht, wo man Amerling entwicklungsgeschichtlich einreihen sollte; allerdings bildet ja
die Altwiener Malerei an sich von dieser hohen Warte aus betrachtet noch immer
ein ungelöstes Problem, woran allerdings die bisher ungenügende wissenschaftliche
Vorbereitung im Zusammenhänge mit der langen Ächtung dieser Periode die Haupt-
schuld trägt. Bei Amerling ist dieser Fall allerdings durch den fremden Einschlag, den
besonders seine Frühwerke von englischer Seite erhalten haben, etwas kompliziert
worden; er läßt sich nicht ohne weiteres in eine bestimmte Kategorie hineinpressen.
Aber das ist dennoch kein mildernder Umstand für das vollständige Verkennen des
eigentlichen Schwerpunktes seiner Kunst. Nicht in den anmutigen Wiener Frauenköpfen,
die oft bedenklich dem von deutschen und englischen Moderevuen, Familienblättern
und Almanachen bevorzugten naiv-sentimentalen Typus angenähert waren, liegt seine
wahre Bedeutung, sondern einzig und allein im Porträt. Daß man darauf vergaß oder es
nicht erkannte1, darin liegt ein Hauptteil der Schuld, die wir an ihm wieder gutzumachen
haben. Wie tiefgewurzelt diese so falsche Vorstellung über Amerling noch heute ist,
beweist das glänzende Buch von Emil Waldmann, »Das Bildnis im 19. Jahrhundert«
(1921!), das Amerling vollständig ignoriert, nicht einmal seinen Namen nennt, während
von Altwienern Lampi, Füger, Danhauser und Waldmüller — dieser, den uns
beschämenderweise erst die Berliner wiederentdeckt haben, sogar ausführlich — ge-
würdigt werden! Ein Kommentar hiezu ist wohl überflüssig. Und so könnte man Beispiel
1 Müller-Singers allgemeines Künsllerlexikon I 3 (1895), 23 t.: »Im Porträt wurde Amerling von jüngeren Kräften
überflügelt«(! ?)

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