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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Strzygowski, Josef: Das Osebergschiff und die Holzkunst der Wikingerzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0162

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DAS OSEBERGSCHIFF

die Kultur, kommt es an. Wo ist nun diese bedeutender: im alten Ägypten oder in
der zweiten Hälfte des ersten christlichen Jahrtausends im Kunstkreise der Nordsee?
Das Schiff selbst ist an der Brüstung oben und am Kiel unten geschmückt. Ich gebe
ein Beispiel vom Steuerbord (Abb. 12). Schon wie der Schmuckstreifen in den Rahmen
gebracht ist, verlangt Beachtung. Am linken Ende die glatte Fläche, durch schmale Linien-
ränder gesäumt. Dann im Gegensätze dazu der möglichst aufgerauhte und wie durch-
brochen gearbeitete Schmuckstreifen selbst, den beiderseits der glatte Rand begleitet,
der sich links in zwei Bogen zu einer mittleren Spitze vereinigt, einem Lieblingsmotiv,
das auchim Zierat selbst als »Nierenmotiv« immer wieder vorkommt. So gleich zweimal
links am Anfange, als Mitte seltsamer Linien und Flächen. Sieht man genauer zu, so
erkennt man, daß diese Nierenmotive inmitten des Hinter- und Vorderkörpers eines
Tieres liegen, dessen Kopf durch das nächste Tier gesteckt erscheint. Damit ist der
Grundsatz gegeben, nach dem das »Tierornament« des Schiffes sowohl wie der Geräte
in der Regel aufgebaut ist. Dazu kommt die Rauhung des Tierkörpers in sehr ver-
schiedenen Mustern und wie Füße, Schwanz, Ohren mannigfach zu Linien umgebildet
sind, die den durch die beiden Nierenmotive aufgelösten Körper umspielen. Ich gebe ein
zweites Stück vom Schiffe selbst (Abb 11), eine der Spanten, die die Wände des Schiffes
verspreizten. Man sieht im Spiegelbilde zwei Tierkörper mit Menschenköpfen. Das Haar
oder das Ohr ist in langgezogener Linie in den Tierkörper eingeschlungen.
Dann der Wagen (Abb. 6). Die beiden Troggabeln enden in Tier- und Menschenköpfe,
eine zum Teil phantastische Bildung. Ganz überschüttet mit Zierat ist der trogartige
Aufsatz. Ich gebe Abbildung 13 das eine halbrunde Ende. Die Fläche ist unter
dem gedrehten Wulst oben gleichmäßig mit bewegten Gestalten in flacher Bildung auf
zum Teil breit sichtbarem Grunde gefüllt. Zumeist sind es Tiere, aber von anderer Art
als an dem Schiffe. Sie liegen nicht ruhig in regelmäßiger Verflechtung da, sondern
sind gesondert oder im Kampf miteinander gegeben. Manche Stellen sind leider längs
der wagrechten Brüche verloren, dadurch ist die Verbindung unklar geworden. Jeden-
falls erkennt man links einen Mann, mit Schlangen ringend, die ihn ganz einschließen.
Er packt sie mit beiden Händen und scheint sie auch mit den Füßen abzuwehren.
Trotzdem ist ihm eine auf den Leib gekrochen, andere beißen ihn, darunter links auch eine Art
Eidechse.Beachtenswert ist der Kopf des Mannes mit der großen Ohrgrube, dem Knebelbart
und dem schlicht, wie eine Perrücke, gekämmten Haar. Um diesen nordischen Laokoon
herum — den Germanisten vielleicht auf Gunnar deutenwerden — sieht man Tiere aller Art
übereinander, rechts einen zweiten Mann,scheint es, der ein Tier über sich an den B einen hält.
Dann kommt eine ganz undeutlich gewordene Stelle von Vögeln und Schlangen, darunter
em diagonal gekreuztes Tierpaar, und rechts in der oberen Ecke Tiere, die sich herum-
werfen und sich selbst oder gegenseitig beißen. Die Körper sind hier weniger als an

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